24.04.2024

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15.11.19 / Realitätsverlust

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-19 vom 15. November 2019

Realitätsverlust
Erik Lommatzsch

In welcher Welt lebt die Kanzlerin? Das Interview, das Angela Merkel dem „Spiegel“ anlässlich des 30. Jahrestages des Mauerfalls gegeben hat, lässt Schlimmes offenbar werden. Es beginnt bereits mit ihrem Gedächtnis. Danach gefragt, was sie heute tun würde, gäbe es die DDR noch, erklärt sie, sie hätte schon ihren „Traum verwirklichen können“. Als Rentnerin mit einem Pass ausgestattet, hätte sie die „erste weite Reise“ nach Amerika gemacht. Jeder, der die zweite deutsche Diktatur ein wenig kennt, erst recht jeder, der dort gelebt hat, fragt: Wovon hätte Merkel das bezahlt? Von ihrem angesparten Gehalt in „Mark der DDR“?

Es sind jedoch nicht allein die seltsamen Erinnerungslücken, die Merkels Ausführungen so erschreckend machen. Von den Interviewern wird die AfD als „fremdenfeindliche, in Teilen faschistische Partei“ bezeichnet. Sie lässt es unwidersprochen stehen oder hat es nicht verstanden. Sie fühlt sich nicht bemüßigt, sich vor eine große Anzahl deutscher Bürger zu stellen, die hier fälschlich und bar jeder historischen Sachkenntnis beschuldigt werden. Ihr entgeht, dass sich ihre spätere Behauptung – „Ich sehe meine Aufgabe darin, meine Arbeit für alle Menschen in Deutschland zu tun.“ – damit nicht in Einklang bringen lässt.

Die Grüne Katrin Göring-

Eckardt äußerte im September: „Es ist keine Entschuldigung, rechtsradikal zu wählen, nur weil der Bus nicht fährt.“ Gemeint waren natürlich die AfD-Wähler. Nun ist die Kanzlerin zwar keine Parteifreundin von Göring-Eckardt, scheint ihr aber eng verbunden zu sein, denn für das „Spiegel“-Interview lässt sie sich gern anregen. Merkel: „Auch wenn man mit dem öffentlichen Nahverkehr, der ärztlichen Versorgung, dem staatlichen Handeln oder dem eigenen Leben nicht zufrieden ist, folgt daraus kein Recht auf Hass und Verachtung für andere Menschen oder gar Gewalt.“ Der Satz, der ihren Vorstellungs- und Beurteilungshorizont zeigt, spricht eigentlich für sich. Sie hat keinerlei Sinn für die Dimension der gegenwärtigen Lage, die sie an vorderster Stelle mit zu verantworten hat. Sie reduziert Widerspruch auf Kleingeist und persönliche Probleme. Von welcher Seite, Frau Merkel, kommt in diesem Land die nahezu täglich sichtbare Gewalt vor allem? Und was bitte ist „kein Recht auf Hass und Verachtung“? Das mögen zwei unschöne Dinge sein, aber es ist doch wohl noch jedem selbst überlassen, wie er anderen gegenüber eingestellt ist, zumal auf der Ebene des Gefühls. Oder dekretiert das jetzt die Regierung?

Später sagt Merkel, dass in der DDR eine Erziehung „zum Leben in Freiheit … naturgemäß kaum stattfinden“ konnte. Die Kanzlerin folgert: „Klar, dass da also eine Menge Nachholbedarf war und ist – auch mit Blick auf die Meinungsfreiheit.“ Wie so vieles in diesem Interview zeugt auch dieser Satz von nahezu vollständigem Realitätsverlust. Jeder Tag, den diese Frau noch länger im Amt ist, ist einer zu viel.