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22.11.19 / Schwarz-grünes Experiment in den Startlöchern / Österreich nach den Wahlen – Die Partei von Ex-Kanzler Sebastian Kurz will die Koalitionsehe mit den Grünen wagen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-19 vom 22. November 2019

Schwarz-grünes Experiment in den Startlöchern
Österreich nach den Wahlen – Die Partei von Ex-Kanzler Sebastian Kurz will die Koalitionsehe mit den Grünen wagen
Michael Link

Zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik zeichnet sich in Österreich eine Koalition aus der bürgerlichen Volkspartei (ÖVP) und den Grünen ab. In der Vorwoche haben sich ÖVP und Grüne nach vierwöchigen Sondierungsgesprächen auf Koalitionsverhandlungen geeinigt.

Damit wären die Grünen überhaupt auch zum ersten Mal seit ihrer Gründung auf Bundesebene an einer Regierung beteiligt. Ihr Chef Werner Kogler zeigt sich in Bezug auf die Erfolgschancen der Verhandlungen vorsichtig optimistisch: Die „Vermessung“ in den Sondierungen habe ergeben, dass die Positionen in einzelnen Bereichen leichter und in anderen schwerer kompatibel seien, sagte er gegenüber der österreichischen Presseagentur APA. 

In keinem Feld seien die Positionen aber unüberbrückbar erschienen. Demnach sei kein Gebiet auszumachen, auf dem es „nicht irgendeine Art der Überschneidung geben würde“. Die große Kunst werde darin bestehen, wie man insgesamt einen Kompromiss finde, sagte Österreichs Grünen-Chef und räumte zugleich ein: „Das Risiko eines Scheiterns ist aber da.“

Eine große Herausforderung dieser Regierungsvariante liegt in den zum Teil großen inhaltlichen Differenzen der beiden Parteien. So fordern die Grünen eine Kohlendioxid- sowie eine Vermögenssteuer, was die ÖVP jedoch strikt ablehnt. Auch beim Thema Asyl bestehen deutliche Differenzen zwischen den beiden Parteien. Demnach gilt es bis zum Abschluss allfälliger Koalitionsverhandlungen zahlreiche Kompromisse zu erzielen.

ÖVP-Vorsitzender und Ex-Kanzler Sebastian Kurz betonte, in der Sondierungsphase das Gefühl gehabt zu haben, dass wechselseitig mit Respekt für die Anliegen des anderen in die Gespräche gegangen worden sei. So habe der Austausch „sehr respektvoll“ stattgefunden. Allerdings werde man erst am Ende sehen, „ob sich zwei sehr unterschiedliche Parteien auf ein Regierungsprogramm einigen können“.

Wiens ÖVP-Landesparteiobmann Gernot Blümel betonte in einem Interview mit dem Österreichischen Rundfunk (ORF): „Inhaltlich gibt es doch sehr große Unterschiede.“ Zu erwarten sei „keine Koalition wie die andere“, was zähle, sei der „Wille zum Gestalten“. So leicht wie mit der FPÖ würden die Gespräche freilich nicht, die „großen Überschneidungen“ wie bei den Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und Freiheitlichen vor zwei Jahren gebe es diesmal nicht.

„Wenn ich eine stabile Regierung will, sind die Grünen politisch berechenbarer als die SPÖ“, begründete Kurz in einem Pressegespräch die Entscheidung für Koalitionsverhandlungen mit der Öko-Partei. 

Es sei in der Tat so, dass die Situation bei den Sozialdemokraten (SPÖ) unübersichtlich geworden sei. Man wisse in dieser Partei nicht, „wohin dort die Reise geht, wer sich dort am Ende durchsetzen wird“, so der Parteichef der ÖVP. 

„Wir als ÖVP sind bei der Wahl gestärkt worden, aber wir haben keine absolute Mehrheit. Wir brauchen einen Koalitionspartner“, erklärte Kurz, der auch kein Geheimnis um seine Wunsch­koalition – eine Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Regierung – macht. „Die FPÖ hat – leider, das sage ich dazu – gesagt, dass sie keine Koalitionsverhandlungen führen will, und hat den Gang in die Opposition angekündigt. Das muss ich respektieren“, so Kurz. Er habe dennoch eine gute Gesprächsbasis zum FPÖ-Chef Norbert Hofer, der Heinz-Christian Strache nach dem Zerbrechen der Koalition aus ÖVP und FPÖ infolge der „Ibiza-Affäre“ an der Parteispitze nachgefolgt war.

Hofer brachte sich indes im Interview mit der Tageszeitung „Österreich“ nun aber wieder in Stellung für ÖVP-FPÖ-Koalitionsgespräche. „Wenn die Gespräche mit den Grünen scheitern, werde ich den Bundesparteivorstand einberufen und empfehlen, in Gespräche einzutreten.“ Die inhaltlichen Unterschiede zwischen ÖVP und Grünen seien zu groß. „Dass man zusammenkommt, kann ich mir nur schwer vorstellen. Bei Wirtschaft und Zuwanderung etwa sehe ich überhaupt keine Schnittmengen“, so Hofer. 

Bei den vorgezogenen Nationalratswahlen am 29. September war die ÖVP als klarer Sieger hervorgegangen, auch die Grünen hatten stark zugelegt und mit knapp 14 Prozent – nur zwei Jahre nach dem Verlust sämtlicher Nationalratssitze – ihr bestes Wahlergebnis seit ihrer Gründung erzielt.

Diese blieben als Partner für Regierungsgespräche vorläufig übrig, nachdem die FPÖ kurz nach deren Niederlage bei der Parlamentswahl ihren Gang in die Opposition angekündigt hatte. Zudem waren die Sondierungsgespräche zwischen dem Ex-Kanzler Kurz und Pamela Rendi-Wagner, Chefin der nach einem historisch schlechten Wahlergebnis zerstrittenen Sozialdemokraten, frühzeitig abgebrochen worden.