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22.11.19 / Aus der Zeit gefallen / Wie ein Relikt aus Urzeiten des Kinos – Scorseses »The Irishman«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-19 vom 22. November 2019

Aus der Zeit gefallen
Wie ein Relikt aus Urzeiten des Kinos – Scorseses »The Irishman«
H. Tews

Die zwei Werke, die uns zum Jahresende das Kino beschert, scheinen wie aus der Zeit gefallen zu sein. Am 

18. Dezember erscheint ein neuer „Star Wars“-Film unter dem Titel „Der Aufstieg Skywalkers“. Der Kinoheld tauchte erstmals 1977 in der Sternen-Saga auf. Im selben Jahrzehnt entstanden zwei Teile der Mafia-Trilogie von Coppolas „Der Pate“ mit Robert de Niro und Al Pacino. Die beiden Altstars   sind auch wieder mit von der Partie in Martin Scorseses Mafiastreifen „The Irishman“, der aktuell in einigen Kinos läuft.

Haben in früher Kino-Vorzeit beide Filmgattungen noch ein Rennen auf Augenhöhe gemacht, so ist das heute kaum noch möglich. So hatte sich Scorsese kürzlich über die inflationäre Häufung der Superheldenfilme in den Kinos beklagt. Diese Blockbuster seien kein richtiges Kino mehr.

Der 76-jährige Regisseur zollte den veränderten Sehgewohnheiten des Publikums jetzt Tribut. Da kein Hollywoodstudio sein dreieinhalb Stunden langes und mit 159 Millionen Dollar teuerstes Epos „The Irishman“ finanziert hätte, wich er auf den Streaming-Dienst „Netflix“ aus. Nach der Aufführung des Films in ausgewählten Kinos, erscheint er am 

27. November auf Netflix für Kunden, die dort einen kostenpflichtigen Online-Zugang besitzen.

Mit Mafia-Filmen hat Scorsese Erfahrung: „Good Fellas“, „Casino“ oder „Departed“ hießen einige dieser langlebigen Werke. Meistens spielte sein Lieblingsdarsteller Robert de Niro mit. Der 76-Jährige ist jetzt auch der „Irishman“, ein Mafiakiller, der sich im Altersheim vom Rollstuhl aus an seine Untaten erinnert. Maske und digitale Effekte verwandeln de Niro und seine gleichaltrigen Kollegen Pacino, Joe Pesci oder – in einer Gastrolle – Harvey Keitel für den Zeitsprung in die 1950er bis 70er Jahre, als sie ihre große Zeit hatten, in flotte Jungspunde.

Dabei ist großes Kino entstanden, das es so im immer femininer werdenden Zeitalter eigentlich gar nicht mehr geben darf. Scorsese zeigt eine Macho-Welt mit Blut, Knarren und derben Sprüchen. Und brüchigen Männerfreundschaften: So passt kein Blatt zwischen de Niro als Killer namens Sheeran und den mafiösen Gewerkschaftsboss Jimmy Hoffa (Pacino). Und doch zögert Sheeran keinen Augenblick, als er vom Mafiaboss Bufalino (Pesci) den Auftrag erhält, Hoffa verschwinden zu lassen.

Die Geschichte ist authentisch. Hoffa verschwand 1975 tatsächlich spurlos. Wie viel Dichtung und Wahrheit in Sheerans Ge­schichten stecken, ist unklar. Der Film gibt darauf keine Antwort. Nur so viel ist klar: Es ist großes Schauspieler-Kino, das vom Aussterben bedroht wird.