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22.11.19 / »Ein einzig tiefes Gemüt zum Glücklichmachen« / Sie gab dem »Eisernen Kanzler« Rückhalt – Vor 125 Jahren starb Johanna von Bismarck

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-19 vom 22. November 2019

»Ein einzig tiefes Gemüt zum Glücklichmachen«
Sie gab dem »Eisernen Kanzler« Rückhalt – Vor 125 Jahren starb Johanna von Bismarck
Erik Lommatzsch

„Das ist doch noch ein größerer Abschluß als damals 1890“, meinte Otto von Bismarck resignierend am 27. November 1894, dem Sterbetag seiner Frau Johanna. Ihren Tod betrachtete er als tieferen Eingriff in sein Leben als die damals viereinhalb Jahre zurückliegende Entlassung als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident.

An seine Schwester schrieb Bismarck: „Was mir blieb, war Johanna, die tägliche Frage ihres Behagens, die Bestätigung der Dankbarkeit, mit der ich auf 48 Jahre zurückblicke. Und heute alles öde und leer.“ Sein letztes Gebet vor seinem eigenen Tod im Juli 1898 soll gelautet haben: „Gib, dass ich meine Johanna wiedersehe.“

Die sentimental-verklärenden Werke über Bismarck sind mindestens ebenso zahlreich wie wissenschaftlich-kritische Würdigungen. In einem aber sind sich nahezu alle einig, die sich jemals über Bismarck geäußert haben: Die Hochzeit mit Johanna von Puttkamer im Juli 1847 war eine Liebesheirat. Und die Verbundenheit hielt bis zum Schluss an. 

Bismarck erfuhr durch seine Frau einen für ihn kaum zu überschätzenden Rückhalt. Und Johanna sah ihre Lebensaufgabe einerseits darin, ihn auf seinem Weg zu unterstützen. Andererseits war sie stets besorgt um sein Wohlergehen und hätte es vorgezogen, wenn er sein Leben als Landadeliger verbracht hätte. In ihrem Wirkungsbereich vertrat sie seine Interessen vehement, ohne jedoch zu versuchen, politischen Einfluss zu nehmen, wie etwa die Kaiserin Augusta, die Frau Wilhelms I.

Beredtes Zeugnis der persönlichen Zuneigung vonseiten des Staatsmannes ist der bereits 1900 erschienene und mehrfach aufgelegte Band „Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin“, der sich beim deutschen Publikum großer Beliebtheit erfreute. Hildegard von Spitzemberg, bekannt mit den Bismarcks, notierte im April 1902 über das einige Monate nach dem Briefband erschienenes Werk des Diplomaten Robert von Keudell „Fürst und Fürstin Bismarck. Erinnerungen aus den Jahren 1846 bis 1872“, dieses erfülle „doch eine Ehrenpflicht gegen die Fürstin, die in diesem Buche nun doch auch zu Worte … kommt, während seine (Bismarcks) Briefe an sie ohne Antworten bei allen Lesern ihr Bild als das einer bloßen Heulerin, einer klein und eng denkenden Frau hervorrufen mußte. Daß sie nur liebende Frau und dazu schwach und abgöttisch liebende Mutter war, ist ja unzweifelhaft, ebenso, daß sie ihres großen Gatten politische Pläne ehrlich haßte als ihrem Glücke schädlich und seiner Gesundheit. Aber ihre Herzenswärme, ihre Treue, ihre originelle, durch keine Stellung verflachte, mächtige Individualität ist doch auch wert, kennengelernt zu werden …“ 

Es mag sein, dass Spitzemberg hier die eine oder andere Kontur etwas zu scharf zeichnete, von „Hass“ war bei Johanna von Bismarck wohl eher zu sprechen, wenn es um die Gegner ihres Mannes ging. Es heißt, sie habe die Welt in zwei Lager eingeteilt – in das Lager derjenigen, die auf der Seite Bismarcks standen und das der anderen. Gegenüber Letzteren sei sie unversöhnlich gewesen. Aus den Aufzeichnungen Spitzembergs, die in diesen Jahrzehnten im gesellschaftlichen Leben Berlins eine bedeutende Rolle spielte, geht jedoch eindeutig hervor, dass Johanna von Bismarck als Persönlichkeit von eigenem Format wahrgenommen wurde.

Obwohl die Ehe später mehr als einmal als Symbiose bezeichnet worden ist, war die im April 1824 geborene Tochter des Gutsbesitzers Heinrich von Puttkamer nicht die erste Wahl Bismarcks gewesen. In den 1840er Jahren bewirtschaftete er sein pommersches Gut Kniephof. Sein ausschweifendes Leben hatte ihm den Ruf als „toller Junker“ eingebracht. Eine 1841 geschlossene Verlobung war auf Betreiben der Mutter der künftigen Braut gelöst worden. 

Eng verbunden fühlte sich Bismarck Marie von Thadden, die jedoch bereits mit seinem Freund Moritz von Blanckenburg liiert war. Über Thadden und Blanckenburg, die wie die Familie Puttkamer zu den pommerschen pietistischen Kreisen zählten, lernte Bismarck schließlich Johanna kennen. Als frühes diplomatisches Meisterstück gilt sein Werbebrief an ihren Vater, in dem der künftige Politiker darlegte – hier den Nerv Puttkamers treffend –, wie er zum Glauben zurückgefunden und damit zugleich die Ziellosigkeit seines bisherigen Lebens überwunden habe.

Intellektuell war Johanna ihrem Ehemann nicht ebenbürtig. Thadden sagte über sie, sie habe „nichts Schönes im Äußeren“, aber „ein einzig tiefes Gemüt zum Glücklichmachen“. Offenbar sah das Bismarck genauso. Im Mai 1851 schrieb er an seine Frau: „... ich habe Dich geheiratet, ... um in der fremden Welt eine Stelle für mein Herz zu haben, die all ihre dürren Winde nicht erkälten …“ Johanna, die ihr „Ottochen“ unzählige Male ermahnte, sich vor allem gesundheitlich zu schonen, konnte in ihren Briefen gegenüber anderen auch weniger zärtliche Seiten zeigen. 

Nachdem im Januar 1871 die Belagerung von Paris erfolgreich beendet worden war, was den deutschen Sieg über Frankreich bedeutete, schrieb sie: „Viele tausend Brandbomben, Granaten, Mörser hätte ich gern noch so lange hineingeschmissen, bis das verruchte Sodom ganz und gar auf ewig ruiniert gewesen.“ Eine derartige Ansicht bezüglich der französischen Kulturmetropole dürfte, trotz aller Feindschaft gegenüber dem westlichen Nachbarn, auch im gerade entstandenen Reich nur sehr bedingt geteilt worden sein.

Drei Kinder – Marie, Herbert und Wilhelm – hatten die Bismarcks. Johanna begleitete ihren Mann auf den Stationen seines Weges, blieb allerdings auch oft allein. Berlin und das Hofleben waren nicht die Welt der uneitlen Frau. Einen kunstsinnigen Salon wie den der Mimi von Schleinitz, der Ehefrau des Ministers des königlichen Hauses, der durchaus als Konkurrenz zum „Haus Bismarck“ empfunden wurde, hätte sie wohl nicht führen können. Ihre Loyalität hingegen war eisern. Das Gebaren des jungen Kaisers Wilhelm II. gegenüber Bismarck empfand sie als Zumutung, was sie auch deutlich zum Ausdruck brachte. Ihr Mann kommentierte, das Alter eines Methusalem würde nicht ausreichen, um die Gefängnisstrafen wegen Majestätsbeleidigung abzusitzen, derer sie sich permanent schuldig machte.

Bismarck war anderen Reizen gegenüber nicht unempfänglich. Die bekannteste Geschichte, oder, je nach Ansicht, Affäre, ist diejenige mit der russischen Fürstin Katharina Orlow, vor allem, weil die beiden im August 1862 beim gemeinsamen Schwimmen im Atlantik vor Biarritz beinahe ums Leben gekommen wären. Dennoch wuss­te er stets, was er an „seiner“ Johanna hatte. Pathos war es nicht, wenn der Reichseiniger ausrief: „Sie ahnen nicht, was diese Frau aus mir gemacht hat!“