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22.11.19 / Symbol des Neuanfangs und der Selbstfindung / In Kabul wurde der dem Reichstag in Berlin nachempfundene Darul-Aman-Palast wiederaufgebaut

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-19 vom 22. November 2019

Symbol des Neuanfangs und der Selbstfindung
In Kabul wurde der dem Reichstag in Berlin nachempfundene Darul-Aman-Palast wiederaufgebaut
Claus-M. Wolfschlag

Der bis heute latente Bürgerkrieg in Afghanistan begann eigentlich bereits 1978. Die Büchse der Pandora öffneten die Machtübernahme der Kommunisten und die folgende sowjetische Invasion, die das Regime stützen sollte. Hunderttausende Tote waren das Ergebnis der folgenden Jahrzehnte. Das Land lag bereits zu weiten Teilen in Trümmern, als 2001 die USA intervenierten, die fundamentalistische Taliban-Regierung vertrieben und einen Demokratisierungsprozess einleiteten. Doch bis heute sind die Taliban keinesfalls vollständig besiegt, sodass der Konflikt latent weiter schwelt.

Bei den jahrzehntelangen Auseinandersetzungen gingen auch zahlreiche Kulturschätze zu Bruch. Am bekanntesten wurde die Zerstörung der berühmten Buddha-Statuen von Bamiyan durch die Taliban im Jahr 2001. Diese einst größten stehenden Monumentalstatuen Buddhas aus dem 6. Jahrhundert, die unter dem späten Einfluss Alexanders des Großen in griechische Gewänder gehüllt worden sind, waren den fundamentalistischen sunnitischen Bilderstürmern der Taliban ein Dorn im Auge. Der Anweisung von Mullah Mohammed Omar nachkommend, wurden Zivilisten mit Waffengewalt gezwungen, Löcher in den Fels zu bohren und die Sprengladungen zu platzieren. Es waren mehrere Durchgänge an insgesamt vier Tagen nötig, um den Kulturfrevel zu vollenden.

Die Trümmer wurden nach dem Ende der Taliban-Herrschaft gesichert, und es gibt Überlegungen, die Buddha-Statuen zu rekonstruieren. Doch trotz finanzieller Hilfsangebote aus der Schweiz und von der thailändischen Regierung zeigt sich vor allem die UNESCO bislang desinteressiert. In Pakistan scheint man diesbezüglich schneller. Dort wurde das 2007 von Taliban zerstörte Buddha-Relief von Swat 2018 wiederhergestellt. Allerdings ist dieses Kulturdenkmal auch kleiner als die aufwendigen Bamiyan-Statuen.

Wie schwierig die Bedingungen in Afghanistan immer noch sind, zeigte sich bei der unlängst durchgeführten Rettungsaktion für das Minarett von Jam. Das Bauwerk aus dem Jahr 1190 drohte vom Hochwasser eines nahegelegenen Flusses unterspült zu werden. Doch während Hunderte Arbeiter mit Schaufeln das Wasser umzuleiten versuchten, überfielen Taliban in der Nähe postierte Sicherheitskräfte und töteten 18 Personen.

Umso erstaunlicher ist ein nun fast vollendeter Wiederaufbau. Der Darul-Aman-Palast wurde in den 1920er Jahren vom reformorientierten König Amanullah Khan in einiger Entfernung von Kabuls Stadtzentrum errichtet. Deutsche Ingenieure und der Architekt Walter Harten waren maßgeblich an der Errichtung des klassizistisch beeinflussten Bauwerks beteiligt. Wiederholt kam es zu Bränden in dem Anwesen, bis es in den 1990er Jahren durch Artilleriebeschuss von Mudschaheddin zur Ruine wurde. Seitdem trohnte das stattliche Gebäude ohne Dach, mit eingestürzten Decken und großen Löchern in der Fassade über der afghanischen Hauptstadt.

Nach dem Sturz der Taliban kamen rasch Ideen zu einem Wiederaufbau auf. Unter Schirmherrschaft des Altbundespräsidenten Walter Scheel gründete sich sogar eine Darul-Aman-Stiftung. 2016 schließlich verkündete Präsident Ashraf Ghani den Beginn der Bauarbeiten: „Heute kehren wir in die Vergangenheit zurück, um das Fundament für die Zukunft zu legen.“ 

Kurz darauf wurde ein Team von 50 Architekten mit der Aufgabe betraut. Fast 1000 Arbeiter begannen, hinter hohen Sicherheitsmauern 600 Tonnen an Schuttresten zu entfernen und Fassadenlöcher aufzumauern. Marmor aus der Provinz Herat und Holz aus der Provinz Kunar wurden in großen Mengen herbeitransportiert. Ein Viertel der an dem Wiederaufbauprojekt beteiligten Architekten und Ingenieure bildeten Frauen, wofür sich der Präsident eingesetzt hatte.

Diese hohe weibliche Beteiligung von „Karrierefrauen“ führte allerdings nicht überall zu Freude. Eine Bauingenieurin erzählte in einem Medienbericht von Belästigungen und Beleidigungen auf dem Weg zur Arbeit, die sie aber bewusst zu ignorieren versucht habe.

Präsident Ghani räumte dem Wiederaufbau des Palastes erklärtermaßen oberste Priorität ein. Wert gelegt wurde darauf, möglichst ohne ausländische Beteiligung auszukommen, sondern das Vorhaben allein mit afghanischen Kräften zu stemmen. Geplant ist er als Standort des neuen Nationalmuseums. Zudem soll dort voraussichtlich das Oberste Gericht einziehen. Vor allem aber wird das Projekt als Symbol des Neuanfangs und der Selbstfindung Afghanistans verstanden. 

Im Gegensatz zu mittlerweile zähen Planungen mancher deutschen Bauvorhaben scheint das Kabuler Projekt im Zeitplan. Im Juli war der internationalen Presse zu entnehmen, dass bereits 90 Prozent der Rekonstruktion fertiggestellt seien. Eine Eröffnung stehe unmittelbar bevor. Inzwischen hat sie stattgefunden.

In direkter Nähe befindet sich der Tajbeg-Palast. Das im Stil eines europäischen Rokokoschlöss­chens gestaltete Gebäude diente als Königinnenresidenz. Später wurde der Palast von den Kommunisten als Präsidentensitz und Hauptquartier der Sowjetarmee genutzt. Seit dem Artilleriebeschuss der Mudschaheddin ist der Palast ebenfalls eine Ruine. Doch der Wiederaufbau ist auch hier bereits anvisiert.