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22.11.19 / Chronik der Ereignisse kurz vor dem Mauerfall im November 1989

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-19 vom 22. November 2019

Chronik der Ereignisse kurz vor dem Mauerfall im November 1989

Auf der letzten Etappe wurde der Weg zur Grenzöffnung am 9. November vor 30 Jahren durch die Großkundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz fünf Tage zuvor gebahnt. Schätzungsweise 500000 Menschen hatten sich dort am Vormittag des 4. November versammelt. Sie lauschten gespannt den Reden zahlreicher prominenter Schauspieler, Schriftsteller und Oppositioneller, die vor das Mikrofon traten und einen demokratischen Sozialismus mit Presse- und Redefreiheit, freie Wahlen und ein Ende der Überwachung forderten. Obwohl sie ein Risiko eingingen, schützte die Mitwirkenden der Initiativgruppe „4. November“, die sich nach einer Vollversammlung von Theaterschaffenden am Deutschen Theater Berlin am 

15. Oktober gebildet hatte, die Teilnahme des offenbar geläuterten Günter Schabowski an dieser Großkundgebung. Dieser beteuerte: „Die SED bekennt sich zur Umgestaltung – spät, aber unwiderruflich.“ Gleichzeitig fanden Protestdemonstrationen in 50 weiteren Städten der DDR statt. 

Die aufregenden Ereignisse vor dem Mauerfall ab dem 6. Oktober 1989 (dem Vorabend der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR) und ihre Fortsetzung bis zum 20. September 1990 (dem Tag, an dem die Volkskammer den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik beschloss) erzählt der Journalist Patrick Bauer in seinem spannenden Buch mit dem langen Titel „Der 4. November und seine Geschichte. Der Traum ist aus. Aber wir werden alles geben, dass er Wirklichkeit wird“. Aus Pressemeldungen, Interviews mit Zeitzeugen, Literatur und Überlieferungen hat der Autor eine szenische Kollage geschaffen, in deren Verlauf mit jedem neuen Datum auch die Redner des 4. November 1989 gleichsam als Protagonisten auftreten. Es waren unter anderem Ulrich Mühe († 2007), Jan Josef Liefers, Gregor Gysi, Marianne Birthler, Markus Wolf († 2006), Günter Schabowski (†  2015), Christa Wolf († 2011), Friedrich Schorlemmer und Heiner Müller († 1995). 

Vieles schien an diesem Tag im Bereich des Möglichen zu liegen. An ein Ende der DDR oder gar an eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten dachte aber noch niemand. Auf die zum Teil berühmt gewordenen Kernsätze der Redner des 4. November läuft die Erzählung dieser Chronik hinaus, sie erwiesen sich im Rückblick als eigentlicher Höhepunkt der friedlichen Revolution in der DDR. So die Forderung von Steffie Spira (1908–1995) zum Abschluss der Kundgebung: „Ich wünsche für meine Urenkel, dass sie aufwachsen ohne Fahnenappell, ohne Staatsbürgerkunde!“ Alles Folgende bildet in dem Buch gleichsam den Abspann. 

Bauer, damals sechs Jahre alt, wuchs in Berlin auf und lebt heute in München. Den Buchtitel „Der Traum ist aus“ wählte er in Anlehnung an den Text eines Musikstücks der Rockgruppe „Ton Steine Scherben“. Bei einem Konzert der Band in der Ost-Berliner Werner-Seelenbinder-Halle im Oktober 1988 hatte das Publikum an dieser Stelle lautstark eingestimmt: „Gibt es ein Land auf dieser Erde, wo der Traum Wirklichkeit ist? Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nur eins und da bin ich sicher: Dieses Land ist es nicht.“ 

Bauer wollte verstehen, was damals geschah und inwiefern sich die Hoffnungen der Menschen später im vereinigten Deutschland erfüllten oder auch nicht. Letzterem Anspruch wird das Buch allerdings nicht gerecht. In allzu großen Zeitsprüngen arbeitet sich der Autor zuletzt auf nur wenigen Seiten bis zur Gegenwart vor, die Dichtigkeit der lebendigen Chronik zerfasert. 

Zu beachten ist bei dieser Lektüre, „dass es so war, wie es hier steht, aber eben doch auch ganz anders“, wie Bauer in seiner Nachbemerkung hervorhebt.  D.J. 

Patrick Bauer: „Der 4. November und seine Geschichte. Der Traum ist aus. Aber wir werden alles geben, dass er Wirklichkeit wird“, Rowohlt Verlag, Hamburg 2019. Gebunden, 363 Seiten, 20 Euro