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22.11.19 / Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel / Die Welle rollt / Wie wir die Nation endgültig entsorgt haben, wo die falschen Opfer in »Verschiss« geraten, und wie sich alles umdreht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-19 vom 22. November 2019

Der satirische Wochenrückblick mit Hans Heckel
Die Welle rollt / Wie wir die Nation endgültig entsorgt haben, wo die falschen Opfer in »Verschiss« geraten, und wie sich alles umdreht

Können Sie sich noch an den Sommer 2006 erinnern, als die Fußball-WM in Deutschland zu Gast war, also sozusagen die ganze Welt? Was hatten wir für einen Spaß. Ja         – wir! Für die „Elite“ der Republik war es dagegen ein Albtraum. Ein ganzes Volk feierte in Schwarz-Rot-Gold mit dem Rest der Menschheit; gastfreundlich und selbstbewusst präsentierten sich die Deutschen als Nation und wurden dafür rund um den Globus geliebt.

Offensichtlich hatten die emsigen Entdeutscher da etwas übersehen, was ihnen im „Sommermärchen“ von 2006 um die Ohren geflogen ist. Eigentlich hatten sie doch alles plattgemacht, was die Deutschen noch mit ihrer Nation verband und als Gemeinschaft empfinden ließ, nur den Fußball hatten sie vergessen. Er wurde zum Schlupfloch des Patriotismus.

Diese Scharte ist nun ausgewetzt. Die Nationalmannschaft wurde in „Die Mannschaft“ umgetauft und Deutschland so gleichsam zum weißen Fleck auf der Fußballweltkarte gemacht. Die Trikots weisen folgerichtig kaum ein Fleckchen der Nationalfarben mehr auf, und spätestens mit der Özil-Affäre hat man allen Deutschen mitgeteilt, dass diese „Mannschaft“ mit ihrem Land tatsächlich nicht mehr viel anzufangen weiß – es sei denn, man sucht nach jemandem, den man beschimpfen kann, wie es besagter Erdogan-Fan tat.

Beim Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft in Mönchengladbach wurde nun sichtbar, wie erfolgreich die Zerstörung des letzten Ventils für vaterländische Wallungen geraten ist. Tausende Fanplätze gegen Weißrussland blieben leer, lau und mau die Stimmung auf den Rängen ebenso wie in dieser merkwürdigen „Mannschaft“. Da jubelte, feierte oder fieberte nichts und niemand mehr. Es ist geschafft.

Damit ist der Fußball endlich auf der Höhe unserer Zeit angekommen. Schon die Feier zum  30. Jahrestag des Mauerfalls am Brandenburger Tor präsentierte sich als beliebiges „Event“ ohne Schwarz-Rot-Gold. Und die SPD in Mülheim/Ruhr versetzte die ganze Nation, Verzeihung, die ganze Gesellschaft in schallendes Gelächter mit ihrem verbockten Gedenkkranz zum Volkstrauertag. Offensichtlich hat sich keiner der Genossen die Schleife mit der Aufschrift  „Den Opfern von Krieg und Verschissmuss“ angesehen, bevor sie den Kranz an der üblichen Stellen abwarfen und er so eine bundesweite Medienkarriere antreten konnte. Was besagt: Die ganze Gedenksache war den Sozis reichlich schnuppe. Das Schicksal ihres Volkes rührt sie nicht ein biss­chen.

Nun sind die Bloßgestellten sauer, sogar per Anwalt wollen die Ruhr-Genossen den Täter ausfindig machen. War es einfach nur ein Trottel oder ein Opfer der zahlreichen „Bildungsreformen“? 

Nichts von beidem: Das war ein ganz Durchtriebener. Man muss nur seine Botschaft verstehen. 

Das Wort „Verschiss“ kommt aus der alten Studentensprache, die heute noch in den Verbindungen gepflegt wird. In Verschiss zu sein bedeutet so viel wie in Ungnade gefallen zu sein. Mit dem dergestalt Bestraften dürfen die anderen keinen Kontakt pflegen, bis der Verschiss feierlich aufgehoben wird. Der vulgäre Ausdruck „Der hat bei mir verschissen!“ wuchs aus dieser Wurzel und bedeutet heute noch: Mit dem Kerl will ich nichts mehr zu tun haben.

Zurück nach Mülheim: Fällt Ihnen was auf? Ansonsten steht auf solchen Kränzen doch immer „Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“. Fehlt was auf dem Kranz von Mülheim? Amerdings: Die Opfer des kommunistischen Terrors wurden abserviert, jene etwa, die vertrieben oder ermordet wurden, nachdem der „Faschismus“ besiegt und der Krieg vorbei war, oder die (oft als Kinder und Jugendliche) in die Zwangsarbeit nach Sibirien verschleppt wurden. Sowie jene, die von den Kommunisten nach Kriegsende in dieselben Konzentrationslager zurückgestopft wurden, aus denen sie kurz zuvor befreit worden waren, weil sie auch den neuen Herren politisch verdächtig erschienen. 

Sie alle sollten nach dem Willen der Sozialdemokraten im gedenkpolitischen „Verschiss“ verschwinden, was der Schleifenmacher listig durchkreuzt, indem er sie dem Gedenken gerade dieser „Opfer des Verschissmus(s)“ widmet. Aber das hat wohl kaum einer gemerkt.

Dass der Opfer dieses Verschissmus nicht mehr gedacht werden soll, ist dem Kampf gegen Rechts geschuldet. In dessen Logik darf es von links weder Gefahren noch Verbrechen gegeben haben. Und wenn doch, sind sie aus dem Gedächtnis zu streichen. Wie sonst sollen wir den Leuten denn verständlich machen, warum die Regierung ausgewiesen linksradikale Gruppen mit Millionen Euro an Steuergeldern päppelt, um sie für den Kampf gegen Rechts aufzurüsten, der ja angeblich dem Schutze unserer Demokratie dient? Eben, dafür muss die Erinnerung an linke Gewalt­herrschaft getilgt werden.

So hat es schon George Orwell in „1984“ beschrieben: Um die Macht über Gegenwart und Zukunft zu gewinnen, kapert das Regime in dem Zukunftsroman auch die Vergangenheit, die von Experten so umgeschrieben wird, dass sie den Erfordernissen der Herrschenden nachkommt. Was der hellsichtige Brite vor mehr als 80 Jahren schon alles wusste, als er den Roman schrieb! Orwell starb mit nur 46 Jahren schon 1950, aber heute wäre er sowieso tot.

Das immerhin kann man als sein Glück betrachten, schließlich meinte er sein Buch als Warnung. Er muss nicht mit ansehen, dass er die Warnung in den Wind geschossen hat. 

Komisch, nicht wahr? Millionen haben „1984“ gelesen oder die Verfilmung aus den 80er Jahren gesehen. Trotzdem scheint kaum jemand zu bemerken, wie sich die Methoden des Diktators, bei Orwell „Großer Bruder“ genannt, in unsere reale Gegenwart hineinfressen. Offensichtlich haben viele unserer Zeitgenossen ihren Orwell ganz anders gelesen, nämlich nicht als Warnung, sondern als Anleitung.

Orwell sollte nicht der letzte Schriftsteller bleiben, der auf diese Weise zum Werkzeug seiner Gegner wurde. In dem Roman „Die Welle“ hat US-Autor Morton Rhue 1981 beschrieben, wie ein Lehrer seine Schüler manisch radikalisiert. Es sollte ein Experiment sein, wie Menschen sich von einer fanatischen Ideologie einfangen lassen und am Ende jedes Gespür für Recht und Unrecht verlieren, bis jedes Mittel den Zweck der „Bewegung“ heiligt.

Nun sendet der Bezahlsender Netflix die Serie „Wir sind die Welle“, in welcher eine Gruppe politisch überkorrekter Jugendlicher mit allerhand Gewalt gegen eine Partei, die unschwer als Filmversion der AfD erscheint, gegen die Industrie und das Immobiliengewerbe vorgeht. 

Das Phantastische: Rhue ging es darum, die Radikalisierung und ihre Mechanismen als Gefahr zu entlarven. Bei „Wir sind die Welle“ erscheinen die Jugendlichen, die sich selbst radikalisieren und dabei immer fanatischer werden, dagegen als Helden. Ihre Begriffe von Gut und Böse sind dermaßen platt, dass es jedem Gewaltherrscher eine Freude wäre, mit solchen jungen Leuten „zusammenzuarbeiten“.

Rhue, der mit bürgerlichem Namen Todd Strasser heißt, ist in dem Jahr geboren, als Orwell starb, und er lebt noch. Hoffentlich wird „Wir sind die Welle“ dereinst ins Englische synchronisiert, damit der gute Mann sich das Werk selbst ansehen kann. Wir wären auf seinen Kommentar gespannt.

Was für interessante Zeiten: Was einst als düstere Warnung gemeint war, wird heute als Verheißung verstanden oder sogar eifrig nachgemacht. Haben wir eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Ich rate davon ab, nachzuzählen. Es könnte eine hässliche Überraschung dabei herauskommen.