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29.11.19 / Heimliche Helden der Freiheit / Ohne Fluchthelfer gelang kaum eine Flucht vom Ost- in den Westteil Berlins

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-19 vom 29. November 2019

Heimliche Helden der Freiheit
Ohne Fluchthelfer gelang kaum eine Flucht vom Ost- in den Westteil Berlins
Bodo Bost

Keine Mauer, und sei sie noch so hoch, kann die Freiheit aufhalten“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei den Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag des Mauerfalls. Gerade diese Bewegungs-Freiheit sollte der Bau der Berliner Mauer aufhalten. Eine Flucht aus der DDR war danach nur unter großen Gefahren möglich. Dennoch nahmen zahlreiche DDR-Bürger dieses Wagnis auf sich, aus ganz verschiedenen Gründen. Mindestens 140 Menschen wurden zwischen 1961 und 1989 an der Berliner Mauer durch Gewalteinwirkung der Grenzschützer getötet. Die exakte Anzahl der gescheiterten Fluchtversuche ist bis heute unbekannt.

Welche Angst die Menschen seinerzeit hatten, entdeckt zu werden, beweisen die mindestens 251 Herzinfarkte, die Flüchtende auf ihrer Flucht zumeist bei den Grenzkontrollen erlitten, es waren mehr als Tote durch Gewalteinwirkung durch Grenzschützer. In diesen Angaben nicht erfasst ist die unbekannte Anzahl von Menschen, die aus Kummer und Verzweiflung über die Auswirkungen des Mauerbaus auf ihre individuellen Lebensverhältnisse starben. Das Projekt „Gedenkstätte Berliner Mauer“ und das „Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam“ erinnern an diese Menschen. 

Das Projekt erinnert aber auch an die DDR-Bewohner, denen auf zum Teil abenteuerlichen Wegen und unter Lebensgefahr in und um Berlin die Flucht durch die Sperranlagen in den Westteil 

der Stadt gelang. Mindestens 5000 DDR-Bewohnern gelang zwischen Mauerbau und Mauerfall auf zum Teil abenteuerlichen Wegen und unter Lebensgefahr die Flucht durch die Sperranlagen in den Westteil Berlins. Einige besonders spektakuläre Fluchten sind verfilmt oder in Buchform beschrieben worden. Die meisten Fluchtversuche sind allerdings bis heute unbekannt, weil bis heute die Angst im Nacken sitzt.

Begonnen hat die Geschichte der Fluchtversuche mit dem legendären „Sprung in die Freiheit“ des DDR-Grenzpolizisten Conrad Schuman an der Bernauer Straße drei Tage nach dem Mauerbau, am 15. August 1961. Sein Foto vom Sprung über den Stacheldraht ging um die Welt.

Weniger bekannt ist der sogenannte letzte Zug in die Freiheit, der letzte Dampfzug nach West-Berlin vom 5. Dezember 1961. Auch Schiffe wie der Ausflugsdampfer „Friedrich Wolf“ und sogar ein gestohlener Panzer sowie zwei Planierraupen wurden zur Flucht im wahrsten Sinne durch die Mauer benutzt. Spektakulär waren auch die Flucht mit einem Lastkraftwagen am Grenzübergang „Checkpoint Charlie“, am 29. August 1986 und die erste erfolgreiche Flucht über die Glienicker Brücke, die für den Verkehr gesperrt war, aber für den Austausch von Gefangenen benutzt wurde, am 10. März 1988. 

Die letzte gelungene Flucht trotz 18 Schüssen von Grenzsoldaten auf einen 31-Jährigen gelang mithilfe einer Leiter von Berlin-Treptow nach Berlin-Neukölln am 19. April 1988. Im letzten Mauerjahr 1989, das nur noch gut zehn Monate hatte, scheiterten in Berlin noch mindestens fünf Fluchtversuche mit Personenkraftwagen. Der letzte gescheiterte Fluchtversuch war der eines 28-Jährigen mit einem Lastwagen vom Typ ZIL-131 am Grenzübergang Stolpe nach Berlin-Spandau am 15. August 1989.

Die meisten der erfolgreichen Flüchtlinge schafften es nicht ohne Helfer. Es bedurfte intelligenter und mutiger Menschen, oft waren es selbst ehemalige Flüchtlinge, um die nicht minder intelligenten Grenzanlagen und hoch spezialisierten Schutzeinrichtungen zu überwinden. Sie halfen, trickreich und heimlich den Eisernen Vorhang zwischen Ost und West zu überwinden. 

Viele taten es ohne Bezahlung aus rein ideellen Gründen, weil sie, im Gegensatz zu den meisten Politikern, den Glauben an die Einheit nie verloren hatten. Sie lebten gefährlich, weil sie DDR-Gesetze brachen und die Stasi auch im Westen auf ihren Fersen war. Dennoch gelten die sogenannten Fluchthelfer bis heute als die heimlichen Helden der Freiheit. Hasso Herschel und Burkhart Veigel waren die erfolgreichsten unter den Fluchthelfern. Ersterer konnte mehr als 1000 Menschen aus der DDR schmuggeln, und das auf ganz verschiedene Weisen, durch Tunnels, in umgebauten Autos oder mit gefälschten Papieren.

Der zweite, Burkhart Veigel, half 600 Menschen, die Grenze zu überwinden. Seine Spezialität war die von ihm entwickelte sogenannte Doppelgänger-Tour am Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße, welche die DDR nie durchschaute. Sehr spät bekamen beide das Bundesverdienstkreuz für eine Arbeit, die damals auch im Westen kaum beachtet worden war, weil sich die beiden Systeme über die Köpfe der Menschen hinweg arrangiert hatten.