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29.11.19 / Ein Bekennerbrief und kein Täter / Der Mord an dem Bankier Alfred Herrhausen ist bis heute nicht aufgeklärt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-19 vom 29. November 2019

Ein Bekennerbrief und kein Täter
Der Mord an dem Bankier Alfred Herrhausen ist bis heute nicht aufgeklärt
Klaus J. Groth

Wer lieferte die Bombe samt Lichtfalle, mit der Bankier Alfred Herrhausen ermordet wurde? Die Antwort auf diese Frage führt mit großer Sicherheit auch auf die Spur der Täter. Aber auch 30 Jahre nach dem Anschlag gibt es diese Antwort nicht.

Zwar reklamierte am Tag des Attentats, dem 30. November 1989, die Rote Armee Fraktion (RAF) den Anschlag für sich, aber die technische Präzision der Sprengfalle und die Bauart der Bombe, sie passten nicht zu den bekannten Anschlägen der RAF. Darum blieben Zweifel an dem Bekennerschreiben, das am Tat­ort gefunden wurde. Ein in Plastik eingeschweißtes Blatt zeigte das Logo der RAF und den Schriftzug „Kommando Wolfgang Beer“. Als solle die Täterschaft ausdrücklich bestätigt werden, erhielt die Familie Herrhausen am Nachmittag ein telefonisches Bekenntnis zu der Tat. 

Der Morgen des 30. Novembers 1989 versprach einen klaren Tag. Gegen 8.30 Uhr verließ der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, das Haus seiner Familie in Bad Homburg, um sich in die Zentrale der Bank fahren zu lassen. Der 1930 in Essen geborene Herrhausen stand unter den führenden Managern der Bundesrepublik in besonders hohem Ansehen. Das galt sowohl für seine fachliche Leistung, welche die Deutsche Bank in die Spitzengruppe der internationalen Geschäftsbanken führte, als auch für seine persönliche Nachdenklichkeit. 

Am Morgen des Attentats saß Herrhausen in einem Mercedes der S-Klasse. Durch eine spezielle Panzerung war das Fahrzeug 2,8 Tonnen schwer. Leibwächter fuhren gewöhnlich vor und hinter dem Wagen, allerdings war der vorausfahrende Wagen kurz vor dem Attentat abgezogen worden. Dabei hatte es im Frühsommer 1989 einen Hinweis gegeben, dass Herrhausen ins Visier der RAF geraten sei. Er stand unter Personenschutz, das Sicherheitskonzept entsprach der höchsten Gefährdungsstufe. In seinem Nachttisch lag ein Brief, den er nach der Ermordung des Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Hanns Martin Schleyer im Jahr 1977 geschrieben hatte. Darin legte er fest, dass im Falle einer Entführung den Erpressern nicht nachgegeben werden solle.

Herrhausen war nur drei Minuten unterwegs, als der Wagen in die Sprengfalle fuhr. Sie war, als Baustelle getarnt, einige Zeit zuvor vorbereitet worden. Dabei wurden Kabel für die Lichtfalle verlegt. Als die Arbeit getan war, blieb das Baustellenschild vergessen zurück. Es stand wochenlang, gehörte zum gewohnten Straßenbild. Niemandem kam ein Verdacht. Auch das dort abgestellte Fahrrad war nicht verdächtig. Auf dem Gepäckträger des Fahrrades lag die Bombe, nicht größer als eine Schultasche. Sie war mit militärischen Kenntnissen gebaut, mit TNT bestückt und mit einer schweren Kupferplatte verbunden. Durch die Explosion verformt, wurde daraus ein panzerbrechendes Projektil. Das Ziel war die hintere Seitentür des Wagens, dort, wo Herrhausen saß. Sie traf genau. Die Druckwelle hob den Wagen, die innere Türverkleidung wurde abgesprengt. Splitter davon schlugen in Herrhausens Oberschenkel, er verblutete. Der leicht an Kopf und Arm verletzte Fahrer Jakob Nix versuchte Herrhausen zu helfen, es war vergebens. Personenschützer entfernten ihn von dem Wagenwrack. 

Fünf Tage nach dem Anschlag gingen bei drei Presseagenturen Schreiben ein, in denen sich die RAF zum Urheber des Attentats erklärte. Die Deutsche Bank und Alfred Herrhausen wurden verantwortlich gemacht für die „blutspur zweier weltkriege und millionenfacher ausbeutung“, die sich „durch die geschichte der deutschen bank zieht“. Kurz nach dem Fall der Berliner Mauer ergänzten die Verfasser des Schreibens, die Deutsche Bank bereite seit Jahren „den einbruch in die länder osteuropas vor, jetzt steht sie lauernd in den startlöchern, um auch die menschen dort wieder dem diktat und der logik kapitalistischer ausbeutung zu unterwerfen“.

Wolfgang Beer, Jahrgang 1953, nach dem das Kommando benannt wurde, kam aus der Hausbesetzerszene in Hamburg. 1974 festgenommen, wurde er wegen diverser Vergehen zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Bei einem Verkehrsunfall kam er 1980 mit Juliane Plambeck ums Leben, als deren gestohlener VW mit einem Kieslaster zusammenstieß. Im Auto fanden sich mehrere Waffen, eine wurde der Entführung von Hanns Martin Schleyer zugeordnet. 

Trotz allem: Es bestanden weiterhin Zweifel an der tatsächlichen Täterschaft der RAF. RAF-Terroristin Eva Haule forderte die Täterschaft förmlich ein: „Hier noch mal klipp und klar: Die RAF war verantwortlich unter anderem für die Aktionen gegen Alfred Herrhausen.“ Es fehlte jedoch eine konkrete Spur zu den Tätern. Die schien im Januar 1992 endlich gefunden. Der linksradikale Siegfried Nonne, nebenbei V-Mann des hessischen Verfassungsschutzes, nannte Namen von vier RAF-Mitgliedern, mit denen er angeblich den Anschlag geplant habe. Haftbefehle gegen die namentlich genannten Personen wurden ausgestellt, Nonnes Wohnung einschließlich Keller überprüft. Von den verwendeten Sprengmitteln fanden sich keine Spuren. Mitbewohner des Wohnhauses gaben an, niemals einen Fremden im Haus gesehen zu haben. Die Spur war ziemlich kalt. Ein halbes Jahr später widerrief Nonne dann seine Aussage in einer Fernsehsendung. Es kam heraus: Der Kronzeuge war erst vier Tage vor seiner ersten Aussage beim Verfassungsschutz aus der Psychiatrie entlassen worden. Die Behörden entschieden dennoch: Anschuldigung der RAF stimmt, Widerruf stimmt nicht. Dann widerrief Nonne seinen Widerruf, er sei vom Fernsehen unter Druck gesetzt worden. Die namentlich Beschuldigten hatten für die Tatzeit ein Alibi, die Verfahren gegen sie wurden eingestellt. Was blieb, war ein peinliches Versagen der Bundesstaatsanwaltschaft. 

Die Akte wurde nicht geschlossen. Die Bundesanwaltschaft verfolgte eine Spur der Stasi, die 2007 verdächtigt wurde, Terroranschläge in der Bundesrepublik vorzubereiten. Eine andere Spur führte in den Nahen Osten. Mit einer ähnlich konstruierten Bombe war acht Tage vor dem Anschlag der libanesische Präsident ermordet worden. Keine Spur aber führte zu den Tätern. Wer Herrhausen ermordete, blieb ungeklärt.