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06.12.19 / AfD-Parteitag / Die Flegeljahre der jungen Partei sind vorüber / Die AfD zeigte sich bei ihrem Parteitag in Braunschweig von ihrer harmonischen Seite. Die Wahlen zum neuen Parteivorsitz verliefen diesmal ohne Zank

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-19 vom 06. Dezember 2019

AfD-Parteitag
Die Flegeljahre der jungen Partei sind vorüber
Die AfD zeigte sich bei ihrem Parteitag in Braunschweig von ihrer harmonischen Seite. Die Wahlen zum neuen Parteivorsitz verliefen diesmal ohne Zank
Peter Entinger

Die Alternative für Deutschland hat ihre Flegelphase abgelegt. Der Generationenwechsel wurde vergleichsweise geräuschlos vollzogen.

Im Vorfeld des Delegiertentreffens in Braunschweig war viel darüber spekuliert worden, ob der Parteitag im Chaos versinken würde. Oder ob der Einfluss des ,,Flügels“ um den thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke weiter wachsen würde. Doch nichts davon trat ein. Vielmehr zeigte sich, dass die Partei mittlerweile das von ihr häufig hart kritisierte Strippenziehen der Altparteien auch ganz gut beherrscht. 

Der scheidende Vorsitzende Alexander Gauland, der am Ende des zweiten Parteitages zum Ehrenvorsitzenden gekürt wurde, hat ganze Arbeit geleistet. Gemeinsam mit dem im Amt bestätigen Bundessprecher Jörg Meuthen, den Flügelleuten Andreas Kalbitz sowie Höcke, schaffte er es, dass ein im Vorfeld ausgehandeltes Personaltableau weitestgehend verabschiedet wurde. 

So hatte die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordneter Nicole Höchst, die mit dem Flügel sympathisiert, in einer Kampfkandidatur gegen Meuthen um den ersten Sprecher-Posten keine Chance. Und im Kampf um die Nachfolge Gaulands an der Parteispitze setzte sich der sächsische Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla in einer Stichwahl gegen den Bundestagsabgeordneten Gottfried Curio durch, dem aufgrund seiner rhetorischen Fähigkeiten große Sympathien an der Basis entgegengebracht werden. 

Genau diese Doppelspitze war auch in den Tagen vor dem Parteitag von den führenden Köpfen der Partei ausgehandelt worden. Personell konnte der Flügel nicht zulegen, schaffe es aber trotzdem, dass Kritiker wie der Berliner Landesvorsitzende Georg Pazderski oder der bisherige Parteivize Kay Gottschalk im künftigen Bundesvorstand nicht mehr vertreten sind. 

Andererseits hatten Kandidaten, die zwar mit Höcke sympathisieren, aber deren Kandidatur im Vorfeld nicht abgesprochen war, keine Chancen. Vergessen scheinen die Parteitage, auf denen die Fetzen flogen. Stattdessen wurden jene Kandidaten gewählt, die sich um einen Ausgleich bemühten. Und jene, wie der ehemalige Vorsitzende des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Stefan Brandner oder der rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete Joachim Paul, die in den vergangenen Wochen unter starkem medialen Druck standen, wurden von der Versammlung mit Vorstandsposten belohnt. 

Vorbei sind auch die Zeiten, in denen sich bis dato völlig unbekannte Kandidaten aufgrund einer flammenden Parteitagsrede in ein Amt wählen lassen konnten. Im neuen Bundesvorstand sitzen ausschließlich Parlamentarier, die entweder dem Deutschen Bundestag, dem Europaparlament oder einer Landesvertretung angehören. 

Neue starke Frau ist Alice Weidel. Die 40-Jährige steht seit 2017 an der Spitze der AfD-Bundestagsfraktion. Als Parteivize dürfte ihr Einfluss weiter wachsen. Als bekennend homosexuelle Politikerin ist sie in ihrer Partei eine Ausnahmeerscheinung. Die promovierte Volkswirtin, die noch vor drei Jahren einen Ausschluss-Antrag gegen Höcke unterstützte, verkörpert den neuen Typus der Politprofis innerhalb der AfD. Mit dem Flügel hat sie sich schon längst ausgesöhnt. Dennoch ist sie auch für das sogenannte bürgerliche Lager innerhalb der Partei immer noch wählbar. Neben Chrupalla und Weidel gehören auch die beiden anderen Stellvertreter Stephan Brandner sowie Beatrix von Storch der Bundestagsfraktion an. Diese dürfte künftig das neue Machtzentrum der Partei darstellen.

Inhaltlich gab es in der Braunschweiger Volkswagen-Halle wenig Neues. Auf allzu schrille Töne möchte die Partei künftig offenbar verzichten, auch um bürgerliche Sympathisanten nicht zu verschrecken. Um den konservativen Teil der Bevölkerung zu gewinnen, brauche es keine scharfen Töne, sagte Chrupalla. Das schrecke viele ab, besonders die Frauen. Mit Blick auf seinen Mitbewerber Wolfgang Gedeon versprach er, als Vorsitzender werde er dafür sorgen, dass solche Leute nie wieder auf AfD-Parteitagen auftreten könnten.

Gedeon, der aufgrund einiger als antisemitisch geltenden Schriften aus der baden-württembergischen Landtag Fraktion ausgeschlossen wurde, lieferte den einzigen schillernden Auftritt des Wochenendes ab. Seine bereits im Vorfeld chancenlose Bewerbung wurde von einem lautstarken Pfeifkonzert begleitet. Gedeon sowie seine wenigen aus Baden-Württemberg stammenden Unterstützer arbeiteten sich vor allem am alten und neuen Parteichef Meuthen ab. Der ging allerdings gestärkt aus dem Parteitag hervor, wurde mit knapp 70 Prozent wiedergewählt. 

Meuthen distanzierte sich in seiner Bewerbungsrede von extremen Positionen. „Für eine Rechtsaußen-Partei stünde ich nicht zur Verfügung“, sagte der alte und neue Vorsitzende. Es dürfe nicht sein, dass die Partei in den Extremismus abdrifte. Die Unvereinbarkeitsliste, welche insgesamt 250 Organisationen umfasst, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, halte er für „absolut unentbehrlich“. Zuvor hatten die Delegierten es abgelehnt, sich mit einem Antrag zur Abschaffung der Liste zu befassen. 

Stand der Sonnabend noch ganz im Zeichen der Sprecher-Wahlen, gehörte der abschließende Sonntag fast allein Alexander Gauland. Als erster Ehrenvorsitzender werde er sich in jedem Fall einschalten, sollte die AfD „irgendwann in die falsche Richtung gehen“, sagte er. Aber das werde wohl nicht nötig sein: „Die Partei ist erwachsen geworden.“





AfD in Zahlen 

33 651

Mitglieder hat die AfD mit Stand Februar dieses Jahres. Der Frauenanteil beträgt dabei 16 Prozent.

600

Delegierte kamen zum Parteitag in die Braunschweiger Volkswagen-Halle, deren Schriftzug kurz vorher abgedeckt wurde. Der VW-Konzern wollte sich auf diese Weise von der Veranstaltung distanzieren

14 %

Umfragewert Wenn jetzt Bundestagswahlen wären, würden laut Emnid, INSA, Infratest dimap und Forschungsgruppe Wahlen 14 Prozent der Wähler für die AfD stimmen.