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06.12.19 / Chinas Teilung / Der Rückzug der Nationalchinesen auf die Insel / Unter dem Druck der Roten zog sich Tschiang Kai-shek vor 70 Jahren von Festlandschina nach Formosa zurück

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-19 vom 06. Dezember 2019

Chinas Teilung
Der Rückzug der Nationalchinesen auf die Insel
Unter dem Druck der Roten zog sich Tschiang Kai-shek vor 70 Jahren von Festlandschina nach Formosa zurück
Markus Matthes

In der Endphase des Chinesischen Bürgerkrieges, am 10. Dezember 1949, verließ General Tschiang Kai-schek, der zwar bereits zu Anfang des Jahres als Chinas Präsident zurückgetreten, doch weiterhin Oberbefehlshaber der nationalchinesischen Streitkräfte war, in Begleitung seines älteren Sohnes Tschiang Tsching-kuo den Militärflughafen in Tschengdu, der Hauptstadt der südwestlichen Provinz Sichuan und letzter Sitz der verfassungsmäßigen Regierung, in Richtung Taiwan. Der Vorschlag, sich auf die damals im Westen noch weitgehend als Formosa bekannte Insel zurückzuziehen, stammte von dem Geografen und späteren Erziehungsminister Tschang Tschi-yun. Aufgrund des subtropischen Klimas, der reichlich vorhandenen natürlichen Ressourcen und einer von den japanischen Kolonialherren zwischen 1895 und 1945 erbauten Infrastruktur könne Taiwan einen plötzlichen massiven Bevölkerungszuwachs verkraften. Die Taiwanstraße stelle eine natürliche Barriere gegen einen unmittelbaren Angriff der Volksbefreiungsarmee dar und die Insel sei sowieso relativ frei von kommunistischem Einfluss. 

Gleichzeitig wären die USA eher bereit, eine derartige strategische Lage zu verteidigen, was sich mit Ausbruch des Koreakrieges am 25. Juni 1950 bewahrheiten sollte. Die Taiwanesen seien zudem nach einem halben Jahrhundert japanischer Herrschaft froh, in den Schoß Chinas zurückzukehren. Die Verhängung des Kriegsrechts auf Taiwan nach den schweren Unruhen am 28. Februar 1947 zwischen den alteingesessenen und den nach der „Wiedergewinnung“ der Insel eintreffenden Chinesen hätten jene „stabile“ Basis geschaffen, welche die Kuomintang (KMT, Nationale Volkspartei Chinas) für eine Rückeroberung des Festlandes und die Ausmerzung der von Mao Tse-tung angeführten „kommunistischen Banditen“ bräuchte. 

Keine Erwähnung fand dabei, dass viele der neuen chinesischen Herren eine starke Abneigung gegen die angeblich stark „japanisierten“ Taiwanesen hegten. Taiwan war seit Ende des Ersten Chinesisch-Japanischen Krieges 1894/95 bis zur Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg japanische Kolonie gewesen und über 200 000 Taiwanesen kämpften im Pazifik für Japan, von denen über 30 000 fielen. Diese herablassende Haltung weckte bei vielen Einheimischen das Gefühl, erneut von einer fremden Macht besetzt worden zu sein. Die daraus resultierenden Animositäten zwischen den „Festländern“ aus China und den auf Taiwan Geborenen erschwerten jahrzehntelang das harmonische Zusammenleben und machen sich noch heute bemerkbar, gerade in der Politik.

Kurz nach seiner Landung in Taiwan erklärte Chiang Taipeh statt des am 23. April 1949 von den Kommunisten besetzten Nanking zur Hauptstadt Chinas. Er sah sich zeitlebens als legitimer Repräsentant der 1911 nach dem Sturz der kaiserlichen Dynastie vom bürgerlichen Revolutionär Sun Yat-sen ausgerufenen Republik China und als Gegenspieler zu den sofort von den meisten sozialistischen Ländern anerkannten Volksrepublik. Dementsprechend proklamierte sich Tschiang am 1. März 1950 erneut zum Präsidenten und sollte dies bis zu seinem Tode am 5. April 1975 in Taipeh auch bleiben. 

Das 1947 zum ersten Mal in und für ganz China mit einer Amtszeit von sechs Jahren gewählte Parlament trat erst 1954 wieder in Taiwan zusammen, dann aber regelmäßig und in fast identischer Zusammensetzung bis 1991. Nur die Vertreter der wenigen nicht an die Kommunisten gefallenen Gebiete, also die Provinz Taiwan und die China vorgelagerten, aber bis heute von den Nationalchinesen gehaltenen Inselgruppen, wurden neu gewählt, der Rest der Abgeordneten behielt ihr Mandat ein Leben lang. 2005 schaffte die die Unabhängigkeit befürwortende Demokratisch- Fortschrittliche Partei (DPP) die obsolete Institution ab. 

Taiwan trat durch den erzwungenen und (letztendlich endgültigen Umzug) der Regierung nach Taipeh in einer sich rasch ändernden Weltregion als Bewahrer traditioneller chinesischer Werte auf, insbesondere als in der Volksrepublik 1966 der „große Steuermann“ Mao die zehnjährige Kulturrevolution ausrief.