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06.12.19 / Baumriesen in Pommern / Um 1900 hatte Professor Winkelmann aus Stettin die Provinz bereist, um im Auftrag des preußischen Naturschutzpioniers Hugo Conwentz eine Inventur der Naturaltertümer vorzunehmen. Damit legte er den Grundstock für ein pommersches Baumriesenkataster

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-19 vom 06. Dezember 2019

Baumriesen in Pommern
Um 1900 hatte Professor Winkelmann aus Stettin die Provinz bereist, um im Auftrag des preußischen Naturschutzpioniers Hugo Conwentz eine Inventur der Naturaltertümer vorzunehmen. Damit legte er den Grundstock für ein pommersches Baumriesenkataster
Karl-Heinz Engel

Sie ist ein beeindruckender pommerscher Baumriese, die Eiche am Ortseingang von Maskow, heute Maskowo, drei Kilometer nordöstlich von Naugard. Immer wieder mal machen ihr Besucher aus Deutschland, die sich der alten Heimat verbunden fühlen, ihre Aufwartung. Eine Eiche mit gemeißelter Borke und einem Stammumfang von 8,10 Meter in Brusthöhe, dazu ein weit gespreiztes, nahezu kreisrundes Blätterdach, unter dem einst ein ganzes Bataillon Schutz vor einem Regenguss gefunden haben soll. Einem solchen Baum begegnet man im Pommernland östlich der Oder nur äußerst selten. 

Schon 1905 hat ihn der Stettiner Gymnasialprofessor Winkelmann im Forstbotanischen Merkbuch der Provinz Pommern als wahren Prachtbaum charakterisiert, obwohl sein Stammumfang damals erst 5,25 Meter betrug. Die wohlgebaute Krone beschattete Winkelmann zufolge eine Fläche von 9,5 a, was 950 Quadratmeter entspricht. Die Maskower Eiche hat bis in die Gegenwart allem Unbill getrotzt und erfreut sich, von einigen Wundmalen abgesehen, erstaunlicher Vitalität. Sogar Früchte reifen noch an ihr.

Erstmalige Erfassung

Professor Winkelmann hatte seiner Zeit den Auftrag zur Inventarisierung potenzieller Naturdenkmäler – meistens ungewöhnliche Bäume – von Hugo Conwentz, Direktor des westpreußischen Provinzialmuseums in Danzig, übertragen bekommen. Es war eine erste offizielle Erfassung. Winkelmann räumte deshalb ein, dass sie wegen der Größe des Gebietes nicht vollständig sein würde. Die Ergebnisse der Erhebung, bei der Forstleute, Lehrer, Gutsherren und Naturfreunde mitwirkten, fanden schließlich im Forstbotanischen Merkbuch ihre Veröffentlichung, heute ein wahrer Schatz für Baumfreunde.

Existieren außer der Maskower Eiche noch andere Baumdenkmale von einst? Befinden sich gar weitere Acht-Meter-Riesen darunter? Winkelmann listete solche ungewöhnlich dicken Exemplare lediglich dreimal auf. Sie waren also schon damals äußerst selten. 

Auch heute gibt es davon noch einige Exemplare. Die Kirchhofslinde von Buchholz an der Plöne etwa ist eine von ihnen. Ihr Stammumfang beträgt sage und schreibe 8,85 Meter. Polnische Naturschutzbehörden zählen sie zu den wuchtigsten und bekanntesten Linden. Während man sie zu Winkelmanns Zeiten schlicht „heilige Linde“ nannte, heißt sie nun „Hl.-Otto-Linde“. Sie soll an den Pommernmissionar Otto von Bamberg und dessen erste Bekehrungsreise im Jahr 1124 erinnern. Der Legende nach soll er die Linde oder einen Vorgängerbaum gepflanzt haben. Den polnischen Naturdenkmalschutz genießt sie seit 1954. 

Erinnerung an einen Missionar

Aber wie steht es um die Linde an der historischen Oberförsterei Pütt, heute Kliniska Wielkie, gelegen unmittelbar rechts der Autobahn zwischen Stettin und Gollnow? Winkelmann notierte für sie 17 Meter Höhe und 5,60 Meter Stammumfang. Aus dem kurzen, knuffigen Stamm erhoben sich damals fünf starke Kronenäste, wie ein altes Foto belegt. Sitz einer Oberförsterei ist Pütt auch heute. Den Baum gibt es ebenfalls noch. Die schwere Krone, obwohl durch Seile zusammengehalten, hat mit ihrer Last den Stamm aber weit auseinander gedrückt, so dass sich sein Umfang nicht mehr ermitteln lässt. Die Linde, jetzt Anna-Linde, weil sie an die polnische Gemahlin von Pommernherzog Bogislaw X. (1454–1523), Anna Jegowlina (1476–1503), erinnern soll, ist der Stolz der polnischen Forstbeamten und allein wegen ihrer monströsen Gestalt ein sehenswertes Baumdenkmal. Anna, hochgeachtet im Volk, wurde nach ihrem frühen Tod übrigens in Eldena bei Greifswald beigesetzt. 

In Geiglitz (Iglice), etwa zwölf Kilometer nordwestlich von Regenwalde, wurzelte den Annalen zufolge auf dem Grundstück von Schmiedemeister Glatt eine Stieleiche mit 6,70 Meter Umfang. Sie überböte heute mit Sicherheit die acht Meter, doch sie steht leider nicht mehr. Allerdings verweisen die Bewohner des kleinen Walddorfs gern auf einen anderen majestetischen Baumrecken am Ortsrand. Sein Stamm misst 7,10 Meter, seine Höhe 25 Meter.

„Mächtigste Eiche Pommerns“

In Maldewin, zwischen Naugard und Regenwalde gelegen, entdeckte Winkelmann 1903 auf dem Anwesen von Bürgermeister Kröning eine der Eichen, die die acht Meter schon damals um 36 Zentimeter übertraf. Erstaunt äußerste er die Ansicht, die mächtigste Eiche Pommerns gefunden zu haben. Allerdings kränkelte der hohle Baum, in dem die Maldewiner in Kriegszeiten Wertsachen versteckt haben sollen, wegen einer bösen Astbruchwunde bereits. Die Krönings seien noch immer ein Begriff im Dorf, erzählt heute ein älterer Landwirt. Die Eiche aber sei schon vor langer Zeit niedergebrochen und zu Staub geworden. Ob Winkelmann wirklich die stärkste Eiche der Provinz vor sich hatte, muss bezweifelt werden. Die nämlich soll mit sagenhaften 9,40 Meter Umfang, vermessen in den 1920er Jahren, nordwestlich von Bad Polzin ihren Platz gehabt haben. Auch ihr Dasein gehört inzwischen der Geschichte an. 

Im Jagen 29 des Kolberger Stadtwaldes gewahrte Winkelmann einen namenlosen Eichbaum mit knapp sechs Metern Schaftumfang. 2016 krachte ein gewaltiger, aber einsamer und morscher Waldriese im Stadtwald zu Boden. Es war die im Jahr 2000 nach Boleslaw I. benannte Eiche. Laut polnischer Darstellung gründete der Fürst einst das Bistum Kolberg. Eine letzte Vermessung hatte 6,91 Meter Umfang und 32 Meter Höhe ergeben. Ob es sich um den im Forstbotanischen Merkbuch aufgeführten Baum handelt, kann nur vermutet werden.

Unwetterschäden

Ein anderer dicker Brummer, eine Ulme auf dem Messenthiner Kirchplatz, diesseits der Oder also, fand mit ihrem sieben Meter umfassenden Stamm ebenfalls Aufnahme in Winkelmanns Notizen. Der Baum nahm, wie auch andere Messenthiner Kirchplatzulmen, am 29. Juli 1902 und am 19. April 1903 durch heftige Unwetter schweren Schaden. 1913 mauerte man den dahinsiechenden Koloss aus, was seinen Niedergang aber wohl eher beschleunigte. Dennoch galt er bis in die 1930er Jahre als stärkster seiner Art in Pommern. 

Gar nicht soweit entfernt, im Wald zwischen Zedlitzfelde und Leese (Oberförsterei Falkenwalde, heute Tanowo), avancierte vor über hundert Jahren die Herzogseiche zu einer beliebten Wandermarke für Ausflügler auch aus dem nahen Stettin. Winkelmann vermerkte 6,20 Meter Stammumfang und 22 Meter Wipfelhöhe in seinem Merkheft. Er wies aber auch auf Anzeichen von Altersschwäche und gekappte Äste hin. Im Altertumsmuseum des Stettiner Schlosses soll ein Gemälde des Baumes in seiner ganzen gesunden Herrlichkeit zu sehen gewesen sein. Die Herzogseiche hat die Zeiten schließlich eben so wenig überdauert wie die Messenthiner Ulme. Zedlitzfelder Heimatfreunde aus Deutschland fanden 1993 anlässlich einer Exkursion nur noch ein paar Kloben des weit bekannten Naturdenkmals vor. 

Zeugen der Naturgeschichte

In Hökendorf (Kleskowo), südöstlich von Stettin an einem Eingang zur Buchheide gelegen, haben sich dagegen einige 300 oder 400 Jahre alte, von Winkelmann beschriebene Eichen erhalten. Es könnte sich nach dem Vergleich mit einer historischen Ansichtskarte auch um einen Standort am ehemals Zitelmannschen Anwesen handeln, vor dem zwei knorrige Eichbäume martialisch wachen. Ein Schild weist für die dickste 7,10 Meter Umfang aus. Die Zitelmanns waren ein angesehenes Geschlecht in Stettin und Umgebung. Aus ihm gingen unter anderem bedeutende Juristen, Verwaltungsbeamte und Schriftsteller hervor. Auch ein Stück waldeinwärts, am Rand einer Eigenheimsiedlung, wurzeln noch einige respektable Exemplare. Die Jahrhunderte sind zwar auch an ihnen nicht spurlos vorübergezogen, aber sie halten sich wacker, auch weil die Naturschutzbehörden einen wachen Blick auf ihr Wohl richten.

Uralte Bäume sind Zeugen der Natur- und Kulturgeschichte. Ihnen zu begegnen im alten Pommernland ist eine überaus reizvolle Art der Landerkundung und bereitet große Freude.






Karl-Heinz Engel ist Journalist und Autor des Buches „Baumriesen zwischen Berlin und Rügen“.