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13.12.19 / Staat am Limit / Viel beschlossen, wenig verwirklicht / Dieselverbot, Mietendeckel oder Bekämpfung der Schwarzarbeit kommen in der Realität kaum voran

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-19 vom 13. Dezember 2019

Staat am Limit
Viel beschlossen, wenig verwirklicht
Dieselverbot, Mietendeckel oder Bekämpfung der Schwarzarbeit kommen in der Realität kaum voran
Norman Hanert

Mit immer neuen Gesetzesvorhaben und Projekten gaukeln Politiker eine Gestaltungsmacht vor, die sie in der Realität gar nicht mehr besitzen. In Deutschland trifft ein von der Politik zu verantwortendes Dickicht aus Paragrafen und Regelungen nämlich auf Behörden, die vielerorts kaputtgespart wurden und nun personell überfordert sind. Besonders deutlich wird dies in der deutschen Hauptstadt.

Der Berliner Senat hatte bereits im Juli für mehrere Orte in der Hauptstadt Fahrverbote für Dieselfahrzeuge beschlossen. Nach monatelanger Verzögerung werden nun acht Straßenabschnitte in den Bezirken Mitte und Neukölln für Dieselfahrzeuge bis einschließlich der Abgasnorm Euro 5 gesperrt. Zumindest nach geltender Rechtslage müssen Autofahrer, die sich nicht an das Verbot halten, mit einem Bußgeld rechnen – so zumindest die 

Theorie.

Schon kurz nach dem Inkrafttreten der Regelung teilte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nämlich mit, dass die Fahrverbote für ältere Dieselwagen unter den gegebenen Voraussetzungen gar nicht zu kontrollieren seien. „Der Personalkörper der Berliner Polizei gibt es nie im Leben her, dass wir alle Verbotszonen im Blick behalten und dort regelmäßig kontrollieren können“, so die GdP in einer Erklärung. Als Ausweg aus diesem Dilemma schlug die Gewerkschaft vor, in den betroffenen Straßenabschnitten eine automatisierte Kennzeichenerkennung zu installieren. 

Personal reicht gar nicht aus, um das Dieselverbot zu kontrollieren

Eine massive Überlastung von Bundes- und Landesbehörden wird in Berlin auch an anderen Stellen sichtbar: Obwohl die Auftragsbücher der Berliner Baufirmen voll sind, meldete ein Drittel der Betriebe den Sozialkassen, auf ihren Baustellen seien nur Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte tätig. 

Auffällig niedrig fallen auch die Meldungen vieler Berliner Baufirmen zur arbeitszeitlichen Auslastung aus: Bei rund zehn Prozent hat eigenen Angaben zufolge die Auslastung 2019 bei weniger als 

25 Prozent gelegen. Bei weiteren 21 Prozent der Unternehmen soll die Auslastung nur im Bereich von 25 bis 50 Prozent gelegen haben. Lediglich 14 Prozent der Baubetriebe meldeten eine volle Auslastung.

Wie kann das angehen, wenn doch zahlreiche Bauherren darüber klagen, wie schwer es sei, geeignete Firmen für ihre Vorhaben zu gewinnen? Die Fachgemeinschaft (FG) Bau, die rund 900 Betriebe in Berlin und Brandenburg vertritt, sieht in den gemeldeten Zahlen einen deutlichen Hinweis auf eine grassierende Schattenwirtschaft. Schätzungen der FG Bau gehen sogar dahin, dass auf den Baustellen in Berlin mittlerweile fast jeder zweite Euro schwarz erwirtschaftet wird und somit am Fiskus vorbeiläuft. 

Schwarzarbeit grassiert, weil den Behörden die Kräfte fehlen

Um Abhilfe zu schaffen, müsste die Zahl der Fahnder von Zoll, Arbeitsämtern und Ausländerbehörden massiv aufgestockt werden. Mit den unzureichenden Kontrollen besteht nicht nur die Gefahr, dass in der Bauwirtschaft in großem Umfang Lohnsteuern und Sozialabgaben hinterzogen werden. Die massive Schwarzarbeit bringt auch diejenigen Firmen unter wirtschaftlichen Druck, die sich noch an die Regeln halten und ordnungsgemäß Steuern zahlen.

Dass gerade in Berlin besonders häufig solche Beispiele für eine überlastete Verwaltung zu finden sind, ist kein Zufall: Nach der Jahrtausendwende leitete der rot-rote Senat eine Politik ein, die der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) unter das Motto stellte: „Sparen, bis es quietscht.“ Stark betroffen war davon auch die Personalausstattung der Behörden. Darüber hinaus ist aus der Politikforschung lange bekannt, dass die Politik in Deutschland generell an einem Umsetzungsproblem krankt.

Dem gegenüber steht ein immer noch weitverbreiteter Glaube, jeden Bereich des Lebens mit staatlichen Lösungen und Regelungen überziehen zu müssen. In besonders drastischer Form wurde dies erneut beim jüngsten SPD-Parteitag sichtbar. Die Genossen diskutierten in Berlin erneut ein endloses Sammelsurium von Forderungen und Wünschen der sozialdemokratischen Parteibasis: Von der Deckelung der Nutzungsgebühren für öffentliche Toiletten über ein Grundrecht auf ein analoges Leben ohne Digitaltechnik bis hin zur Illegalisierung der Prostitution nach schwedischem Vorbild.

SPD: Endloses Sammelsurium von Forderungen und Wünschen

Gerade in Berlin hätten die SPD-Parteitagsdelegierten aber beobachten können, dass mittlerweile selbst bei solchen Projekten massive Umsetzungsprobleme auftreten, die für die Politik eigentlich höchste Priorität haben: So ist etwa im Fall des Mietendeckels, den sich die rot-rot-grüne Rathauskoalition für die deutsche Hauptstadt ausgedacht hat, bereits eine Überlastung der Verwaltung absehbar. So zog sich zwischen dem Senat und den zwölf Berliner Bezirken über Monate ein Streit hin, wer die Regelung eigentlich umsetzen und kontrollieren soll. 

Vorläufiger Stand ist eine Vereinbarung, dass sich die Bezirke, die Stadtentwicklungsverwaltung und die landeseigene Investitionsbank Berlin die Aufgaben teilen sollen. Absehbar ist allerdings, dass zum geplanten Start des Deckels im Frühjahr 2020 das zusätzlich benötigte Verwaltungspersonal noch gar nicht vorhanden sein wird.