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13.12.19 / „Menschenparadies“ in Nordkorea / Kims „sozialistisches Utopia“ / Nordkorea strebt mit einer „Musterstadt“ an der Grenze zu China die Modernisierung des Landes an. Doch hinter den Kulissen sieht es nach wie vor düster aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-19 vom 13. Dezember 2019

„Menschenparadies“ in Nordkorea
Kims „sozialistisches Utopia“
Nordkorea strebt mit einer „Musterstadt“ an der Grenze zu China die Modernisierung des Landes an. Doch hinter den Kulissen sieht es nach wie vor düster aus
Peter Entinger

In Nordkorea gibt es keine Pressefreiheit, keine Meinungsfreiheit, aber ständige Überwachung. Es ist ein Land, das die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch einmal als größtes Gefängnis der Welt bezeichnet hat. Rund 100 000 Menschen sind in politischen Lagern inhaftiert, wo ihnen Folter, Vergewaltigung oder Exekution droht. 

Ein Report der Vereinten Nationen kam 2014 zu dem Schluss, dass das Regime „unaussprechliche Gräueltaten“ gegen die eigene Bevölkerung verübt. Ausländische Besucher dürfen sich nur mit einheimischen Reiseführern außerhalb der Hotels bewegen. Doch Machthaber Kim Jong-un preist sein Land neuerdings als „Stätte der modernen Zivilisation“. 

Ein Skigebiet, rund 10 000 Wohnungen, Hotels und verschiedene Gewächshäuser: Die Einweihung der nordkoreanischen Vorzeigestadt Samjiyon fiel pompös aus. Die Stadt nahe dem heiligen Berg Paektu an der Grenze zu China gilt als Herzensprojekt von Kim Jong-un. Er habe „mit Leib und Seele“ zur Entstehung Samjiyons beigetragen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA. 

Im stalinistisch geprägten Nordkorea gilt der Paektu auch als Symbol der Herrscherfamilie. Auf ihm wurde angeblich der Ende 2011 gestorbene Vater Kim Jong-uns, Kim Jong-il, geboren. Wie KCNA berichtet, habe sich das Stadtgebiet im Kreis Samjiyon in das Beispiel einer modernen bergigen Stadt unter dem Sozialismus verwandelt. Das Mitglied des Politbüros der Arbeiterpartei, Choe Ryong-hae, habe dazu aufgerufen, das Gebiet zum „besten Menschenparadies der Welt“ herauszuputzen. Die Zeremonie sei von Hurrarufen und Feuerwerk begleitet worden. 

Keine Bezahlung für Arbeiter

Der neue Ort soll Platz für rund 4000 Familien bieten. Auf Hunderten von Hektar Land sollen außerdem Geschäftsgebäude entstehen. Das Projekt ist nach Angaben der staatlichen Medien als „sozialistisches Utopia“ ausgelegt. 

Beobachter werten die Aktion als Anzeichen dafür, dass das wirtschaftlich schwer angeschlagene Land mittelfristig Touristen und auch ausländische Investoren anlocken will. Denn auch beim Bau der neuen Muster-Metropole gab es Pro-bleme. Die internationalen Sanktionen gegen Nordkorea sorgten immer wieder für Engpässe bei der Baustoffversorgung. Menschenrechtsaktivisten berichten, die wiederholten Verzögerungen hätten das Kim-Regime auf sogenannte Jugendarbeits-Brigaden zurückgreifen lassen. Dabei handele es sich um eine moderne Form der Zwangsarbeit. Die Arbeiter würden nicht bezahlt und müssten unter katastrophalen Bedingungen arbeiten. Als Lohn wird ihnen die Möglichkeit in Aussicht gestellt, bei guten Leistungen in die Arbeiterpartei aufgenommen oder an einer Universität zugelassen zu werden.

Parallel zu der neuen Propaganda-Offensive hat Kim eine Plenarsitzung des Zentralkomitees der herrschenden Arbeiterpartei einberufen, um über wichtige Angelegenheiten zu entscheiden. Beobachter gehen davon aus, dass Nordkorea eine Entscheidung im Zusammenhang damit treffen wird, dass die von ihm gesetzte Frist für Atomgespräche mit den USA zum Jahresende ausläuft.

Kim ignoriert Hilfsangebote

Beim Treffen im April nach dem ergebnislosen zweiten USA-Nordkorea-Gipfel wurde beschlossen, die Wirtschaft selbstständig aufzubauen. Die UN hatte die Situation in Nordkorea als „alarmierend“ bezeichnet. Elf Millionen Menschen seien unterernährt, das ist fast die Hälfte der 25 Millionen zählenden Bevölkerung. Obwohl sich laut UNICEF die Ernährung der Jüngsten verbessert hat, sind noch immer rund 140 000 Kinder unter fünf Jahren unter- oder mangelernährt. Rund 30 000 sind demnach „vom Tode bedroht“. Durch eine ausgeprägte Dürreperiode sei die Ernährungssituation der Bevölkerung dramatisch schlecht. 

Doch Kim scheint das nicht zu kümmern. So ignoriert er beharrlich Hilfsangebote. Seit Juni stehen dort 50 000 Tonnen Reis bereit. Doch weil Südkorea zusammen mit den USA Militärübungen abgehalten hat, weigert sich die Führung in Pjöngjang, die Gabe anzunehmen. 

In der südkoreanischen Hauptstadt Seoul versucht man, geduldig zu bleiben. „Sie brauchen die Hilfe dringend. Wir hoffen, dass sie unsere Spende akzeptieren“, teilte die Regierung in Seoul mit. Weil das Regime sein Atomwaffenprogramm weiterentwickelt, hat der UNO-Sicherheitsrat zahlreiche Strafmaßnahmen gegen Nordkorea verhängt. Darunter leiden Wirtschaft und vor allem die Nahrungsmittelproduktion. Die Nordkoreaner bereiten sich auf den in aller Regel harten Winter vor. Viele heizen mit Kohle, Brennholz und Briketts, denn Heizöl kann aufgrund des Embargos nicht importiert werden.

Den Machthabern sind die Defizite durchaus bewusst. Dabei ändert auch die staatliche Propaganda nichts. „Die Pro-bleme mit der Ernährung und mit Konsumgütern, die von entscheidender Wichtigkeit für die Verbesserung des Lebensstandards sind, sollten so schnell wie möglich gelöst werden“, hatte Nordkoreas Herrscher Kim im April gesagt. Getan hat er seitdem nichts – außer eine Musterstadt zu bauen.