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13.12.19 / Kolumne / Gleichheit und Gerechtigkeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-19 vom 13. Dezember 2019

Kolumne
Gleichheit und Gerechtigkeit
Florian Stumfall

Es hatte des SPD-Parteitages nicht bedurft, um zu erkennen, dass sich die Genossen in ihrem Linksruck wieder und noch mehr als früher ihres Begriffes der Gleichheit besinnen würden. Dieses unselige Erbe der Französischen Revolution, dieses Gewaltexzesses mit hohem moralischen Anspruch, ist seither unausrottbar und es bestimmt die Politik unmittelbar.

Dieser dauerhaften Wirkung des Begriffs der Gleichheit kommt ein infamer Trick zugute. Denn mehr Gleichheit wird im Allgemeinen mit der Behauptung gefordert, sie führe zu mehr Gerechtigkeit. Gleichheit und Gerechtigkeit gelten fast als ein und dasselbe. Diese Verbindung klingt einleuchtend und ist ebenso falsch wie gefährlich. In Wahrheit nämlich sind die Menschen untereinander ungleich, und zwar in hohem Maße. 

Was die Natur vorgibt, ist die Ungleichheit, welche die Beziehungen der Menschen untereinander kennzeichnet. Sie unterscheiden sich nach Statur, Fähigkeiten, Vorlieben und Bedürfnissen, nach Stil, Geschmack und Begabung. Es gibt Städter und Landleute, je mit spezifischen Beschäftigungen, es gibt Vielfalt von Beziehungen, die ihre Sinnhaftigkeit aus der Ungleichheit der Partner herleiten: die zwischen Lehrer und Schüler, Rechtsanwalt und Mandanten, zwischen Arzt und Patienten, zwischen dem Händler und dem Kunden, dem Kaminkehrer und dem Hausbesitzer. Alle diese Beziehungen institutionalisieren die Ungleichheit zu wechselseitigem Vorteil. 

Da aber von Natur aus Ungleichheit zwischen den Menschen herrscht, ist es widernatürlich, Gleichheit herstellen zu wollen, wo sie nicht grundgelegt ist. Jeder dahingehende Versuch missachtet die Persönlichkeit des Menschen. 

Die Gleichheit der SPD-Genossen 

Doch zurück zur SPD: In ihrer simplen materialistischen Weltsicht bildet die Frage nach dem Einkommen wenn nicht den einzigen, so doch den entscheidenden anthropologischen Fixpunkt. Allerdings ist auch das SPD-Mantra, das Schlagwort von der „sozialen Gerechtigkeit“ in sich widersprüchlich und somit unsinnig. Es ist weder gerecht, Ungleiches gleich noch Gleiches ungleich zu behandeln. 

Das wirtschaftspolitische Hauptanliegen der Linken besteht in der Forderung nach Umverteilung. Kurz zusammengefasst bedeutet sie, dass mehr Menschen in den Genuss von Leistungen kommen sollen, die sie nicht erwirtschaftet haben, und andere dafür ihre Leistungen nicht oder nur stark eingeschränkt honoriert bekommen. Die Gerechtigkeit verlangt aber, dass gleiche Leistung gleich entlohnt werde. Das heißt, mehr Leistung verdient höhere Entlohnung, geringe Leistung weniger. Dies ist die Grundregel der Gerechtigkeit, die eine harte Mutter ist. Sie will, dass jeder das bekomme, was er selbst erwirtschaftet hat. 

Doch der soziale Gedanke fordert etwas ganz anderes. Danach soll, wer wenig leistet, mehr bekommen als das, was er erwirtschaftet, während derjenige, der mehr erwirtschaftet, Abstriche hinnehmen solle. Diejenigen mit niederen Einkommen wären mit dem, was ihnen allein die Gerechtigkeit zuweist, meist nicht zufrieden. Sie wollen, gemessen an ihrer Leistung, einen überproportionalen Anteil vom Gesamtertrag. Zu diesem sozialen Ausgleich, der sich im Alltag in Form der progressiven Steuer bemerkbar macht, mag man stehen, wie man will, nur darf man ihn im Respekt vor der begrifflichen Klarheit nicht mit Gerechtigkeit begründen. 

Tatsächlich wird in den egalitären Systemen nur die Zahl der Bevorzugten kleiner, als sie in einer freien Gesellschaft ist, aber der Unterschied zwischen oben und unten wird größer. Was man bei der Nomenklatura der sozialistischen Staaten hat beobachten können, zeichnet sich heute wieder im umweltbewussten Furor ab: Grüne Abgeordnete, Vielflieger selbstverständlich, treten dafür ein, dass das Fliegen für Normalverdiener unerschwinglich werden soll. Das erinnert an Erich Honecker, der in seinem Fuchsbau in der Schorfheide heimlich Orangen aß, was seinem Volk verwehrt war. 

Die Gleichheit, Schlagwort und ideologischer Köder, gilt wie immer nicht für diejenigen, die sie verordnen. Das war bereits bei Lenin so, der den kommunistischen Parteimitgliedern die Freistellung von den Härten des tatsächlichen sozialistischen Lebens zugesprochen hat. Als Begründung diente die Behauptung, die Parteispitze habe die ungestörte Entwicklung des Sozialismus zu leiten und sei dafür von dessen Gesetzmäßigkeiten freigestellt. 

Die deutschen linken Parteien aber – und das bedeutet nach den heutigen Gegebenheiten: die Grünen, die Linke, die SPD und Teile der CDU – arbeiten verstärkt daran, Gleichheit herzustellen, wo sie die Gerechtigkeit verbietet. Der Klima-Wahn erweist sich als das ideale Instrument, das man hätte erfinden müssen, wenn es nicht schon da wäre. Wenn also, um nur ein aktuelles Beispiel herauszunehmen, aus einem Bundesamt die Forderung laut wird, man müsse um der Rettung der Welt willen den Spritpreis um 70 Cent pro Liter erhöhen, so ist das nichts anderes als ein frontaler Angriff auf den deutschen Mittelstand. Wäre dieser erst ruiniert, so wäre die Gesellschaft in einem irreparablen Umfang gespalten: oben die rot-grüne Nomenklatura, unten die vielen Gleichen. Gerechtigkeit? Nirgendwo. 

Wo die SPD ihren Egalitarismus in reflexartiger, blinder Anhänglichkeit an die ideologischen Vorgaben des 19. Jahrhunderts verfolgt, haben die Grünen dasselbe Ziel in eine zeitgemäße Tarnung gehüllt. Denn wer wollte um ein paar Cent pro Liter Benzin rechten, wenn es um die Rettung des Planeten geht? 

Dem Zug nach dem Egalitären haben sich auch die meisten Medien angeschlossen. Es gibt eine Reihe von Gegenständen, über die nur eine einige Meinung zulässig ist. Dazu gehören in erster Linie das Hochfest der Klima-Rettung, ferner die transatlantische Bindung einschließlich der NATO samt ihren Kriegen, die Verteufelung Russlands, die Willkommenskultur mit Schwerpunkt auf der Ergebenheit gegenüber dem Islam, die kritiklose Gefolgschaft gegenüber der EU und die Schuld Deutschlands. Wie sich so etwas erreichen lässt? In Deutschland gibt es 5000 arbeitslose Journalisten. Wer also aus dem Gleichschritt kommt, riskiert seine Existenz.

Der Autor ist ein christsoziales Urgestein und war lange Zeit Redakteur beim „Bayernkurier“.