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13.12.19 / Stralsund / Prunkstück der Kirchenmusik / Die Restaurierung der Stralsunder Jacobi-Orgel nähert sich ihrem Ende

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-19 vom 13. Dezember 2019

Stralsund
Prunkstück der Kirchenmusik
Die Restaurierung der Stralsunder Jacobi-Orgel nähert sich ihrem Ende
Christian Rödel

Ziemlich vertrackt war der Start für die Restaurierung und Rekonstruktion des damals noch als Mehmel-Orgel bezeichneten Barockprospekt-Instrumentes in der Kulturkirche St. Jakobi. Wie viel Handwerkskunst des bedeutendsten pommerschen Orgelbaumeisters Friedrich Albert Mehmels (geboren 1827 und gestorben 1888), der in Stralsund seine Werkstatt betrieb, würde zukünftig noch in dem sanierten Instrument stecken? Deutschlandweit, ja so sogar international stritten sich Orgelspezialisten, ob es gerechtfertigt sei, dieses Instrument noch als Mehmel-Orgel zu bezeichnen. Doch letztlich wurde im Laufe der sehr heftig geführten Diskussionsphase eine salomonische Lösung gefunden und zwar in der Sprachregelung für den Namen der Orgel, die zukünftig schlicht und ergreifend Jakobi-Orgel heißen soll. 

Erläuterung des Projektstands

Vor drei Jahren begannen die Arbeiten an der Orgel, deren barocker Prospekt unter den Händen des Stralsunder Bildschnitzers Michael Müller 1741 entstanden ist, und nun haben die Orgelbauer und Restauratoren ihre Zielgerade erreicht. Die Stadterneuerungsgesellschaft Stralsund (SES) als Projektträger lud zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung in den Gustav-Adolf-Saal der Kulturkirche St. Jakobi ein, um den Stand der Dinge zu erläutern. Als hoch kompetenten Gast hatte die SES den mit der Sanierung beauftragten Dresdener Orgelbaumeister Kristian Wegscheider aufs Podium geholt, damit er über den Fortgang der Arbeiten aus erster Hand berichten konnte. „Mit der fortlaufenden Restaurierung des äußeren Prospektes durch meinen Kollegen Karsten Püschner wird das Ganze nun auch von uns als Orgelbauer mit einer inneren Struktur gefüllt“, führte Wegscheider aus. „Sämtliche Gangböden für die Orgel sind in unserer Dresdener Werkstatt hergestellt und bereits wieder eingebaut worden“, so Wegscheider. Alle sechs Keilbälge sind fertiggestellt und lagern schon im neuen Balghaus, und die vier Klaviaturen sind ebenso saniert. Die elf kompletten Windladen der Orgel, drei davon für die Mehmel-Register und acht für die ältere Barock-Orgel, sind eingebaut und sogar schon intoniert. 

Das sogenannte Intonieren, also das Stimmen, überlässt Kristian Wegscheider einem absoluten Meister seines Faches und zwar dem Österreicher Markus Zöttl, den er aus der Wachau an die Elbe gelockt hat. „Der Mann hat so ein feines Gehör, dass es für mich an ein Wunder grenzt, wie er das macht“, schwärmte Wegscheider für seinen österreichischen Mitarbeiter. Zöttl nutzt für seine Stimmung der Pfeifen zwar ein hoch sensibles elektronisches Messgerät, doch wie der Ton im Orgelwerk richtig zu modulieren ist, bleibt das Geheimnis und die Kunst des Österreichers. Zuletzt  entlockte Zöttl der Orgel die tiefsten Töne, und diese liegen bei knapp unter 20 Hertz. Nur zur Information: Tiefe Töne um die 16 Hertz sind vom menschlichen Ohr kaum noch wahrnehmbar. 

Seltener Ohrenschmaus

Für die Veranstaltungsgäste hielt Wegscheider nach seinen Ausführungen einen besonderen Ohrenschmaus bereit, als er hoch in das Gehäuse kletterte und den tiefsten Ton der Orgel anschlug. Ein sehr leises Brummen durchdrang das Gotteshaus und die meisten der interessierten Zuhörer zeigten sich ergriffen. Leider konnte Restaurator Karsten Püschner wegen einer starken Erkältung nicht nach Stralsund reisen und seine Holzbildhauerkunst erläutern. 

Wenn man über die Gerüste bis unter das Dach der Kirche steigt, wird man mit dem Anblick der prachtvollen mannshohen und hervorragend restaurierten David-Figur, die den Orgelprospekt bekrönt, belohnt. Was für eine Augenweide! 

Im September 2020 soll die Orgel mit ihren 51 Registern, von denen jeweils eines für ein Instrument zuständig ist, erklingen. „Diese Orgel wird phantastisch, denn sie klingt dann wie ein großes Orchester mit 51 Instrumentalisten“, geriet Orgelbauer Wegscheider ins Schwärmen und meinte mit einem verschmitzten Lächeln, dass die Orgeln der beiden großen Schwesterkirchen St. Nikolai und St. Marien vor Neid erblassen werden. 

Weitere Informationen unter www.orgelcentrum.de.