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20.12.19 / Nicolae Ceausescus Sturz und Tod / Das „Genie der Karpaten“ starb im Kugelhagel / Erst nach dem Tod des rumänischen Diktators vor zwei Jahrzehnten wurde das ganze Ausmaß seiner Tyrannei erkennbar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52-19 vom 20. Dezember 2019

Nicolae Ceausescus Sturz und Tod
Das „Genie der Karpaten“ starb im Kugelhagel
Erst nach dem Tod des rumänischen Diktators vor zwei Jahrzehnten wurde das ganze Ausmaß seiner Tyrannei erkennbar
Klaus J. Groth

Das Ende glich einem Thriller. Nach abenteuerlicher Flucht erschossen am 25. Dezember 1989 zwei rumänische Offiziere den vor ihnen knieenden Diktator Nicolae Ceausescu und dessen Ehefrau Elena. Bevor er zusammenbrach, rief er „Tod den Verrätern, die Geschichte wird uns rächen“ und sang die Internationale.

Der Conducator, der „Führer“, wie sich Ceausescu in ausgeprägter Eitelkeit nennen ließ, hatte die Zeichen nicht erkannt, die das baldige Ende seiner Herrschaft ankündigten. Noch am 21. Dezember 1989 sprach er in Bukarest auf einer Kundgebung. Der Verlauf schien wie immer, das Volk war mit 100 000 Menschen angetreten. Es jubelte wie erwartet. Plötzlich kippte die Stimmung. Erste Buhrufe, dann mehr und mehr. Das Fernsehen brach seine Übertragung ab. Männer des Geheimdienstes Securitate schossen in die Menge. Am folgenden Tag glaubte Ceausescu, der Wutanfall sei verraucht. Vom Balkon der Parteizentrale sprechend, musste er ansehen, wie eine wütende Menge das Gebäude stürmte. Geschützt von Leibwächtern, gelang Ceausescu samt Ehefrau Elena die Flucht mit einem Hubschrauber. Auf einem Feld nahe der Nationalstraße 7, der heutigen E 81, wurden sie abgesetzt. Mit requirierten Fahrzeugen setzten sie ihre Flucht fort. Sie endete in Tirgoviste, ehemals Hauptstadt der Walachei. Dort nahmen Soldaten die Flüchtenden fest. Am 25. Dezember verurteilte ein Militärgericht den Diktator und dessen Ehefrau wegen Völkermordes und Schädigung der Volkswirtschaft zum Tode. Der Schnellprozess wurde gefilmt, ebenso die Hinrichtung. Die Bilder von dem kniend gefesselten Conducator wurden sofort verbreitet, angeblich, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Die Toten begrub man heimlich in Bukarest. 

1965 begann seine Ära 

24 Jahre hatte Ceausescu geherrscht. 1965 war er Erster Sekretär des Zentralkomitees der Rumänischen Kommunistischen Partei, 1967 Vorsitzender des Staatsrates und 1974 Staatspräsident geworden. Gerne ließ er sich mit dem Titel „Conducator“ schmücken oder von seinen Partei- und Hofdichtern als „Großer Kommandant“, „Titan der Titanen“ und „Sohn der Sonne“ besingen. Er fand es berechtigt, auch schon mal als „der Auserwählte“, „unser irdischer Gott“ oder als „Genie der Karpaten“ tituliert zu werden.

Das „Genie der Karpaten“ wurde am 23. Januar 1918 als Sohn eines Kleinbauern geboren. Ceausescu ging bei einem Schuhmacher in die Lehre. Der war in der kommunistischen Partei. Und Ceausescu erlernte bei ihm nicht nur, wie man Schuhe besohlt. 1932 trat er in die Partei seines Meisters ein. 

Bereits ein Jahr später verhaftete ihn die Polizei, eine zweite Festnahme erfolgte 1934. Abgeschoben in sein Heimatdorf, vermerkte ihn die Polizeiakte als „gefährlichen kommunistischen Agitator“. Während einer neuerlichen Haft 1936 lernte er im Gefängnis führende Kommunisten kennen. Das legte ebenso den Grundstein seiner Parteikarriere wie die spätere Internierung unter dem Regime Antonescu. Im Lager geschlossene Verbindungen blieben später als „Gefängnisfraktion“ bestehen. Im Kampf um die politische Macht folgten Jahre des Erfolges und der Enttäuschung. Letztendlich lavierte sich Ceausescu in der Parteihierarchie aufwärts. Dabei offenbarte er sich als Mann fürs Grobe, als er reihenweise Dörfer, die sich der Zwangskollektivierung widersetzten, durch die Securitate niedermachen ließ.

Als Erster Sekretär der Kommunisten Rumäniens hatte er im Juli 1965 die Spitze der Partei erreicht. Am 9. Dezember 1967 übernahm Ceausescu auch den Staatsratsvorsitz. Der neue Mann in Bukarest überraschte den Westen. Er distanzierte sich vom Führungsanspruch Moskaus, hielt Verbindung zum isolierten Peking. Er nahm zur Verärgerung der DDR diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik auf und brach die Beziehungen zu Israel nach dem Sechstagekrieg nicht ab. Rumänische Truppen waren bei der Niederschlagung des Prager Frühlings nicht dabei. Rumänien wurde in den Internationalen Währungsfonds aufgenommen und trat der Weltbank bei. Ceausescu besuchte die USA, US-Präsident Richard Nixon besuchte Rumänien. Die Bundesrepublik verlieh Ceausescu die höchste Auszeichnung, die Sonderstufe des Großkreuzes. 

Das Bild vom guten Menschen von Bukarest änderte sich radikal, als ein hochrangiger Überläufer 1978 den 

US-Amerikanern von heimlicher Zusammenarbeit mit arabischen Terroristen und Drogenbossen und von Wirtschaftsspionage in den USA berichtete. Die amerikanische Reaktion traf die Wirtschaft Rumäniens erheblich. Das Ansehen des Karpatenstaates verdüsterte sich zusehends. 

Vom Westen hofiert 1983 startete Ceausescu sein größtes Prestigeprojekt, den Bau des sogenannten Hauses des Volkes (Casa Poporului), des heutigen Parlamentspalastes (Palatul Parlamentului), in seiner Hauptstadt Bukarest. Es entstand eines der größten Bauwerke der Welt. 20 000 Arbeiter schufteten Tag und Nacht. Der Stadtteil Uranus, der einzige, der das Erdbeben von 1977 unbeschadet überstanden hatte, wurde plattgemacht und 40 000 Menschen wurden aus ihren Häusern vertrieben. Die Vollendung des Baues, der schließlich auf 360 000 Quadratmetern 3000 Räume umschloss, erlebte Ceausescu nicht. 

Während alle Kraft in den gigantischen Bau gesteckt wurde, ging es mit der Wirtschaft rapide abwärts. Der Zorn in der verarmten Bevölkerung wuchs. Er entlud sich im Dezember 1989 in einem Aufstand in Temeschwar (Timisoara) nahe der ungarischen Grenze. Der Geheimdienst Securitate schlug erbarmungslos zu, die Kämpfe dauerten mehrere Tage. Es war der Vorabend zum Sturz Ceausescus. 

Erst nach dem Tod des Diktators entdeckten im Frühjahr 1990 Journalisten das Kinderheim von Cighid. Sie fanden verwahrloste und vernachlässigte Babys und Kinder. Die vegetierten in einem Heim für die „Unwiederbringlichen“. Ceausescu hatte die Bevölkerungszahl Rumäniens steigern wollen, Eltern mit weniger als fünf Kindern war Empfängnisverhütung verboten. Auch kranke Mütter mussten Kinder austragen. Damit stieg die Zahl der behindert Geborenen. Sie wurden in den Heimen der „Unwiederbringlichen“ entsorgt. Die kräftigsten Kinder dieser Jahrgänge allerdings nannte man „Sterne unserer Zukunft“. Sie waren für die Garde des Präsidenten vorgesehen. Aber der hatte keine Zukunft.