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20.12.19 / Ernst Moritz Arndt / „Das ganze Deutschland soll es sein!“ / Der Demokrat und Patriot war einer der bedeutendsten Lyriker der nationalliberalen Bewegung in Deutschland. Vor 250 Jahren wurde der Freiheitskämpfer auf der Insel Rügen geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52-19 vom 20. Dezember 2019

Ernst Moritz Arndt
„Das ganze Deutschland soll es sein!“
Der Demokrat und Patriot war einer der bedeutendsten Lyriker der nationalliberalen Bewegung in Deutschland. Vor 250 Jahren wurde der Freiheitskämpfer auf der Insel Rügen geboren
Erik Lommatzsch

Freiheit im Inneren, Unabhängigkeit nach außen und vor allem die Einheit der deutschen Nation – das sind die großen Themen, für die Ernst Moritz Arndt steht. Bei dem Ausruf „Das ganze Deutschland soll es sein!“, handelt es sich wohl um seinen meistzitierten Satz. Die Zeile findet sich, mehrfach wiederholt, am Ende des Liedes „Was ist des Deutschen Vaterland?“ von 1813. Kaum weniger bekannt ist das im Jahr zuvor entstandene „Vaterlandslied“ mit dem Beginn: „Der Gott, der Eisen wachsen ließ, / der wollte keine Knechte …“

Arndt, der in verschiedenen Positionen wirkte, machte sich vor allem als Dichter, Schriftsteller und Publizist einen Namen. In nahezu unüberschaubarer Fülle liegen Reiseberichte, historische Werke, politische Schriften und vieles mehr vor. Der Weg zum deutschen Patrioten war dabei keineswegs vorgezeichnet.

Privatsekretär des Reformers Stein

Als Arndt am zweiten Weihnachtsfeiertag des Jahres 1769 auf der Insel Rügen geboren wurde, war seine Heimat Pommern noch durch Personalunion mit Schweden verbunden. An Preußen fiel sie erst bei der Neuordnung Europas nach den napoleonischen Kriegen 1815. Sein Vater war ursprünglich Leibeigener, konnte sich aber freikaufen und brachte es zum Pächter mehrerer Güter. Arndt absolvierte ein breit angelegtes Studium in Greifswald und Jena, besuchte auf einer längeren Bildungsreise 1798/99 mehrere europäische Länder und wurde nach der Habilitation mit einer geistesgeschichtlichen Arbeit  Professor in Greifswald. 

1806 musste er aufgrund der französischen Siege im vierten Koalitionskrieg nach Schweden ausweichen. Erst mit seiner drei Jahre später erfolgten Rückkehr nach dem Sturz des napoleonfeindlichen schwedischen Königs Gustavs IV. Adolf fand sein langes Schwanken zwischen Schweden, dessen Staatsbürger er war, und Deutschland, dessen zersplitterter Nation er sich zugehörig fühlte, ein Ende. Schweden sollte er allerdings ein Leben lang verbunden bleiben. Hier sah er ein Volk in selbstverständlicher kultureller und staatlicher Einheit – ein Ideal, dessen Verwirklichung er in seiner Heimat tatkräftig mitvorantreiben wollte. Seine Stellung im Dienst Schwedens kündigte er auf.

Arndt suchte Kontakt zu patriotischen Kreisen in Berlin. Durch seine Schriften wurde der preußische Reformer Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein auf ihn aufmerksam. Als Privatsekretär begleitete Arndt ihn 1812/13 ins russische Exil. In der gegen Napoleon aufgestellten Russisch-Deutschen Legion wurde er eine Art Politoffizier. Aus dieser Zeit stammt die Formulierung, wer das Rechte verschweige, „der umschleicht mit dem Unrecht auch bald das Recht“. 

Die Ära der Befreiungskriege dürfte für Arndt eine Art Lebenshöhepunkt gewesen sein. Es schien, als ob große Teile des Volkes auf das hinstrebten, was er als großes Ziel vor Augen hatte und worauf er politisch-publizistisch unermüdlich hinarbeitete: die Einheit der deutschen Nation. Seine Flugschrift „Der Rhein. Teutschlands Strom, aber nicht Teutschlands Grenze“ betrachtete er als die gelungenste. 

Die Bedingungen der französischen Fremdherrschaft und das Bestreben, diese zu überwinden, erklären die drastischen Passagen seiner damaligen Kampfschriften. So dichtete er, die Reiter des Schillschen Freikorps „dürsteten alle Franzosenblut“. Er bat Gott, dieser möge den „glückseligen Haß gegen das wütende verruchte und bluttriefende Frankreich“ erhalten. Später rückte der protestantische Christ Arndt – der auch Kirchenliedtexte verfasste, die sich bis heute in den Gesangbüchern finden – von derartigen Formulierungen ab. 

Abgeordneter der Paulskirche

Die Zeit nach dem Wiener Kongress brachte für ihn große Enttäuschungen. Der äußere Feind war besiegt. Aber die Kleinstaaterei, für deren Überwindung er kämpfte, wurde von den deutschen Fürsten noch einmal zementiert. Für die Urburschenschaft war Arndt einer der wichtigsten Bezugspunkte. Er erhielt 1818 einen Ruf an die Universität Bonn, verlor aber in Folge der Karlsbader Beschlüsse für 20 Jahre seine Lehrbefugnis. Als ältester Abgeordneter gehörte er 1848/49 dem Paulskirchenparlament an.

Arndt setzte dezidiert auf Preußen, weil er glaubte, nur über diesen Staat führe der Weg zur deutschen Einheit. Die Frage nach „natürlichen Grenzen“ beantwortete er mit dem Kriterium der gemeinsamen Sprache. Trotz Professur war die reflektierte Wissenschaft seine Sache nicht. Der stets authentisch wirkende Arndt sah seine Aufgabe darin, für die deutsche Einheit zu begeistern. Einen Monat nach seinem 90. Geburtstag, den er unter großer öffentlicher Anteilnahme beging, ist er am 29. Januar 1860 in Bonn gestorben.

Vielfältige Ehrungen erfuhr er, die Universität Greifswald wurde nach ihm benannt. Da man gegenwärtig kulturellen Verfall zelebriert und nicht mehr in der Lage ist, herausragende historische Persönlichkeiten und deren Äußerungen im Zusammenhang und vor dem Hintergrund ihrer Zeit zu bewerten, hat die einstige pommersche Landesuniversität den Namen Ernst Moritz Arndt 2018 abgelegt.

Die Alma Mater, an welcher der Pommer studierte und lehrte, trug von 1933 bis 2018 seinen Namen: Ernst Moritz Arndt (oben) und das Hauptgebäude der Universität Greifswald (unten)