27.04.2024

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20.12.19 / Zuhause in Ostpreussen / Leben in einem masurischen Dorf / Irmgard Irro hat einen gelungenen Roman rund um das typische Familienleben veröffentlicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52-19 vom 20. Dezember 2019

Zuhause in Ostpreussen
Leben in einem masurischen Dorf
Irmgard Irro hat einen gelungenen Roman rund um das typische Familienleben veröffentlicht
Dieter Chilla

Irmgard Irro ist ein Meisterwerk gelungen: In ihrem Roman „Pulver im Wurzelstock“ gibt sie in spannender und unterhaltsamer Weise einen Einblick in die Lebensweise ihrer Familie und die der Bewohner des Dorfes Groß Dankheim im Kreis Ortelsburg im südlichen Ostpreußen. Ihr Werk umfasst zeitlich die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs mit anschließender Flucht, Vertreibung sowie ethnischen Säuberungen.

Die handelnden Personen sind Mitglieder ihrer Familie. In historisch überlieferten, zum Teil aber auch fiktiven Handlungen wird der Leser in spannender und ausgesprochen informativer Art in die Lebensweise der angestammten, überwiegend protestantischen Bevölkerung Masurens eingeführt. Die Verfasserin hat sich zur Recherche in dem Geburtsort ihrer Mutter für mehrere Monate aufgehalten. Einen zentralen Raum nimmt die Landwirtschaft ein:  Der Anbau von Roggen, Gerste, Hafer, Mohn, Kartoffeln, Hanf, Runkeln und Mohn wird in erzählerischen Passagen beschrieben. Welche Fruchtfolge musste beachtet werden? Wie fiel die Kartoffelernte in Notzeiten aus, welche Folgen hatte das für die Bevölkerung? Wie wurden die Familienangehörigen in die unterschiedlichen Arbeiten auf dem Hof eingesetzt? Welche Aufgaben fielen bei der Ernte an? Welche menschlichen Kraftanstrengungen waren in den wenig mechanisierten Betrieben Südostpreußens erforderlich? Auch die zwischenmenschlichen Beziehungen werden anschaulich beschrieben: das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern, die Partnersuche junger Menschen und die Brautwerbung mit den anschließenden Hochzeitsbräuchen, die Einbeziehung der Alten in die Tagesabläufe. 

Mit besonderer Sorgfalt stellt die Autorin das Leben von Kindern dar: „Kinderarbeit“ war im südlichen Ostpreußen an der Tagesordnung. Das Hüten von Gänsen oder Kühen wurde in der Regel nicht als Belastung empfunden, sondern galt (wie übrigens in nahezu allen Bereichen Deutschlands) neben dem Besuch einklassiger Volksschulen als selbstverständlicher Beitrag, um das Überleben der Familie zu unterstützen. Immerhin: Das südliche Ostpreußen gehörte zu den ärmeren Regionen des Deutschen Reiches. Dies war den kargen Böden, ab 1920 aber auch der schikanösen Kontrolle der Transporte durch den polnischen „Korridor“ geschuldet. Auch die Zeit des Nationalsozialismus, das Kriegsende sowie Flucht und Vertreibung werden auf der Basis gründlicher Recherche anschaulich, zum Teil bewegend dargestellt.

Irmgard Irro ist ein großer Wurf gelungen: Die Lektüre dieses Buches eignet sich für jeden, der Interesse am Leben der Menschen im südlichen Ostpreußen in deutscher Zeit hat. Es eignet sich sowohl für Einsteiger in die Geschichte des südlichen Ostpreußens als auch für Fortgeschrittene. Die anschaulichen erzählerischen Abschnitte dürften auch jüngere Leser aus der Generation der Enkel und Urenkel ansprechen.