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20.12.19 / Kindheitserinnerungen / Wie es ostpreußischen Kindern ergangen ist / Alfred Scherlies lässt in seinem Buch Menschen mit schweren Schicksalen zu Wort kommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51/52-19 vom 20. Dezember 2019

Kindheitserinnerungen
Wie es ostpreußischen Kindern ergangen ist
Alfred Scherlies lässt in seinem Buch Menschen mit schweren Schicksalen zu Wort kommen
D. Jestrzemski

Die letzten Zeitzeugen der schweren Nachkriegsjahre in Ostpreußen waren bei Kriegsende noch Kinder oder Jugendliche. Unter den Rotarmisten überstanden sie und im Glücksfall auch ihre Familienangehörigen Jahre der schieren Not bis zur Ausweisung in die sowjetische Besatzungszone 1948/49. Sieben Lebensberichte, darunter seinen eigenen, hat der 1935 in Cranz geborene Pastor i. R. Alfred Scherlies als Buch mit dem Titel „Schicksalsjahre in Ostpreußen. Kindheitserinnerungen an das Kriegsende und die Nachkriegszeit“ veröffentlicht. 

Nach seinem Eintritt in den Ruhe-stand 1999 half Alfred Scherlies noch einige Jahre als Rentnerpastor in den Evangelisch-Lutherischen Gemeinden im nord-östlichen Ostpreußen mit. Sein Beitrag „Das Ende einer glücklichen Kindheit“ erschien 2011 in zwei Ausgaben des „Samländischen Heimatbriefs“. Die übrigen hier vertretenen, in Cranz und der Königsberger Gegend geborenen Autoren sowie Emil Klink, ein gebürtiger Ukrainer, überließen ihm ihre Aufzeichnungen und bekundeten ihr Interesse an einer Veröffentlichung.

Nach der Einnahme von Cranz am 4. Fe-bruar 1945 durch die Sowjetarmee begannen vor den Augen der Kinder die Plünderungen und Vergewaltigungen der Soldateska. Mit seiner Mutter und den Geschwistern wurde der Herausgeber mit anderen Deportierten in einem wochenlangen Gewaltmarsch in den Kreis Schlossberg getrieben. Zurückgekehrt nach Cranz, war das Betteln und Organisieren von Lebensmitteln die Hauptbeschäftigung der Kinder. 

Willi Minuth, geboren 1931 in Nickelsdorf, hat einen sehr detaillierten Erlebnisbericht hinterlassen, beginnend mit der gescheiterten Flucht seiner Familie. Alle sieben Geschwister und die Mutter überlebten, weil sie auf der Kolchose arbeiteten und die Kinder sich dort auf verbotene Weise Nahrung beschafften. Nach der Ausweisung in die sowjetische Besatzungszone im August 1948 gelang ihnen der Übertritt über die grüne Grenze in den Westteil Deutschlands. Im Kreis Holzminden gab es ein glückliches Wiedersehen mit dem Vater.

Edith Matthes gedenkt in ihrem Beitrag der Tausenden von Waisenkindern in Nordostpreußen, die nach dem Krieg in den Ruinen der Städte vegetierten und hungernd, frierend, bettelnd und stehlend durch die Dörfer zogen. Viele verdanken ihr Überleben der Aufnahme in einem der russischen Kinderhäuser. Ab Oktober 1947 wurden die Insassen der Kinderhäuser mit Eisenbahntransporten in die sowjetische Besatzungszone gebracht.  

Alfred Scherlies: „Schicksalsjahre in Ostpreußen. Kindheitserinnerungen an das Kriegsende und die Nachkriegszeit“, Rautenberg 2017, gebunden, 400 Seiten, 16,95 Euro Alfred Scherlies: „Schicksalsjahre in Ostpreußen. 

Irmgard Irro: „Pulver im Wurzelstock. Geschichte einer masurischen Familie“, Eigenverlag 2019, gebunden, zu beziehen unter Telefon (080) 631770