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10.01.20 / Altersvorsorge Die Bestrebungen des französischen Präsidenten, die Renten und Pensionen in seinem Land zu reformieren, setzen die Regelung der Ruhestandsbezüge auf die europäische Tagesordnung / Ein kaum durchschaubares System / Die französische Altersvorsorge im Vergleich zur deutschen Rente

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02 vom 10. Januar 2020

Altersvorsorge Die Bestrebungen des französischen Präsidenten, die Renten und Pensionen in seinem Land zu reformieren, setzen die Regelung der Ruhestandsbezüge auf die europäische Tagesordnung
Ein kaum durchschaubares System
Die französische Altersvorsorge im Vergleich zur deutschen Rente
Wolfgang Kaufmann

Das französische Rentensystem, dessen beabsichtigte Reformierung zu heftigen Massenprotesten und diversen Streiks führte, ist vergleichsweise teuer, kompliziert – und ungerecht. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung liegt bei 27,5 Prozent (Arbeitnehmeranteil 11,2 und Arbeitgeberanteil 16,3 Prozent), also fast neun Prozent höher als in Deutschland.

Insgesamt machen die Ausgaben unseres Nachbarstaates für die Altersversorgung seiner Bürger mehr als 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus – bei einem EU-Durchschnitt von rund 13 Prozent. Trotzdem wird das Defizit in den Rentenkassen in den nächsten fünf Jahren auf bis zu 17 Milliarden Euro anwachsen, wenn keine Änderungen erfolgen.

Dafür geht es den französischen Ruheständlern ausgesprochen gut: Die Durchschnittsrente der Männer beträgt 1739 Euro, während die Frauen 1065 Euro erhalten. Das sind etwa 74 Prozent der letzten Monatsbezüge, wovon Deutsche nur träumen können. Deshalb gelten auch nur 3,4 Prozent der Rentner in Frankreich als arm, wohingegen die Armutsquote unter den älteren Menschen in der Bundesrepublik fast dreimal so hoch ist. Mehr noch: Frankreich zählt zu den ganz wenigen Staaten der Welt, in denen das durchschnittliche Einkommen der Rentner das der Gesamtbevölkerung übersteigt.

Das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt bei 62 Jahren, das faktische bei 60,8 Jahren (in Deutschland bei 64,1). Darüber hinaus bestehen viele Sonderregelungen: So dürfen die Mitarbeiter der Pariser Verkehrsbetriebe schon mit 52 Jahren in Rente gehen. Und die Franzosen erhalten ihr Ruhestandsgeld auch vergleichsweise lange: Die Rentenbezugsdauer bei Männern beträgt durchschnittlich 23 Jahre und bei Frauen sogar 27 Jahre (in Deutschland 19 beziehungsweise 22,5 Jahre).

Sonderversorgungssysteme

Aktuell gibt es zwei Zweige der obligatorischen staatlichen Rentenversicherung, aus denen die Beitragszahler eine Grundrente sowie die ergänzende berufliche Zusatzrente erhalten. Die Erstere bemisst sich nach dem Gehalt der 25 besten Einkommensjahre – bei Beamten zählen sogar nur die am höchsten vergüteten sechs Monate im Verlaufe des gesamten Berufslebens. Das benachteiligt vor allem langjährige Geringverdiener in der Privatwirtschaft.

Noch problematischer ist die Existenz von 42 parallelen Sonderversorgungssystemen für bestimmte Berufsgruppen wie Mitarbeiter des staatlichen Bahnunternehmens SNCF oder Tänzer an der Pariser Oper (siehe auch Seite 9). Zum einen führen diese zu weiteren ungerechtfertigten Privilegien, zum anderen muss der Steuerzahler hier ständig Zuschüsse leisten, weil die Ausgaben fast immer höher sind als die eingezahlten Beiträge. Allein die Renten der SNCF-Beschäftigten kosten die Allgemeinheit 3,3 Milliarden Euro pro Jahr.

Befürchtungen der Franzosen

Der Kern der geplanten Macronschen Rentenreform besteht deshalb logischerweise darin, die Zahl der Sonderversorgungssysteme zu reduzieren und die Rentenberechnung zugunsten der Geringverdiener und zulasten der Bessergestellten zu verändern. Das findet die Mehrheit der Franzosen im Prinzip richtig – außer, wenn die eigenen Pfründe in Gefahr geraten. Darüber hinaus fehlt das Vertrauen in die Regierung: Viele fürchten, dass das Rentensystem nicht gerechter wird, sondern einfach nur das Niveau der Ruhestandsbezüge sinkt. Abgesehen davon will auch kaum jemand bis 64 arbeiten. Aber in diesem Punkt ist Macron ja bereits eingeknickt, indem er seine Bereitschaft signalisierte, beim Renteneintrittsalter „nachzubessern.“





Stimmen zum Thema

Paul Samuelson erhielt 1970 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. 1967 hatte er umlagefinanzierte Rentenmodelle noch als „Schneeballsysteme“ bezeichnet.

Deep Kapur ist Professor an der australischen Monash University und arbeitet als Co-Autor an der Erstellung des Melbourne Mercer Global Pension Index mit.

Ilka Houben ist Lei­te­rin Alters­si­che­rungs­po­li­tik beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft und bezweifelt den Erfolg der „Europa-Rente“ PEPP.