Dieses Jahr werden die Ohren wehtun von der ständigen Wiederholung eines Klassikerhits. Allerorten droht die Gefahr, dass „Freude, schöner Götterfunken“ von Europa-beseelten Musikern zu jeder Gelegenheit aufgelegt wird. Anlass ist der 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens, der in diesem Jahr gefeiert wird. Und damit werden sich die EU-Verfechter in Stellung bringen. Denn Beethovens Vertonung von Schillers mittelmäßigem Gedicht „An die Freude“ im Schlusssatz der 9. Sinfonie ist seit 1972 Europahymne.
Es fehlt nicht viel, und Beethoven wird posthum zum „überzeugten Europäer“ gekürt. Dabei dürfte der Komponist, der am 17. Dezember 1770 in Bonn geboren wurde, für die EU-Enthusiasten ein wenig zu rebellisch gewesen sein. In seinen Ansichten, seinem Verhalten und seiner Musik war er revolutionär. Er begrüßte die Französische Revolution, klappte mitten im Spiel zornig den Klavierdeckel zu, wenn die vornehme Gesellschaft ihm nicht zuhörte, und maßregelte Goethe, als dieser bei einem gemeinsamen Spaziergang einer Schar Adeliger auswich, während Beethoven mitten hindurchschritt.
Der Jubilar war ebenso kompromisslos in der Musik. Als er erfuhr, dass sich Napoleon zum Kaiser gekürt hatte, taufte er die Bonaparte gewidmete 3. Sinfonie in „Eroica“ um. Und Beethoven war der Erste, der menschlichen Gesang in einer Sinfonie einführte: in seiner neunten und letzten. „Seid umschlungen Millionen!“, lässt er dort den Chor singen. Der Wüterich aus Bonn, der 1827 völlig taub und vermutlich infolge einer Bleivergiftung in Wien starb, würde heute den Text mit einem Seitenhieb auf die EU-Finanzjongleure wohl wütend umschreiben: Seid verschlungen Millionen!