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10.01.20 / Weichsel-Oder-Operation / „Die Ostfront ist wie ein Kartenhaus“ / Bei der Winteroffensive 1945 überrannte die Rote Armee die Front von Ostpreußen bis Schlesien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02 vom 10. Januar 2020

Weichsel-Oder-Operation
„Die Ostfront ist wie ein Kartenhaus“
Bei der Winteroffensive 1945 überrannte die Rote Armee die Front von Ostpreußen bis Schlesien
Klaus J. Groth

Die Winteroffensive der Roten Armee war erwartet worden. Die Wucht und die ungeheure Überlegenheit an Menschen und Material aber überraschte die Wehrmacht. Als vor 75 Jahren, am 12. Januar 1945 um 4.35 Uhr, die Rote Armee losschlug, da standen die sowjetischen Streitkräfte mit 2,2 Millionen Soldaten gegen 450 000 Soldaten auf der deutschen Seite.

Drei Städte waren das Ziel dieser Offensive: Breslau, Königsberg und Frankfurt an der Oder. Die 1. Ukrainische Front hatte im Sommer 1944 einen Brückenkopf bei der Stadt Baranow auf der westlichen Seite der Weichsel erobert. Dort begann die Operation Weichsel-Oder, wie die Winteroffensive offiziell hieß. Die Rote Armee setzte dabei 35 000 Geschütze, Raketenwerfer und Mörser ein, die Wehrmacht konnte dagegen lediglich 5000 ähnliche Waffen aufbringen. Das Kräfteverhältnis bei den Panzern sah in der Papierform ein wenig besser aus. Die Rote Armee setzte 4500 Panzer ein. Auf deutscher Seite standen 1150. Diese Gegenüberstellung ist aber nur theoretischer Natur. Ein schweres Bombardement der sowjetischen Artillerie bereitete die Offensive vor. Noch bevor die Panzer der Roten Armee vorrückten, hatte die 4. Panzerarmee der Wehrmacht zwei Drittel ihrer Artillerie und ein Viertel ihrer Soldaten verloren. Ein Hauptmann der Infanterie erinnerte sich später: „Ich befehligte ein geschwächtes Bataillon. Doch als sich der Rauch des sowjetischen Vorbereitungsfeuers verzogen hatte, war davon lediglich gut ein Zug kampffähiger Männer übrig.“ 

Die 4. Panzerarmee hatte die Wucht des sowjetischen Angriffs abzufangen. In zwei Abschnitten brachen die Panzer der Roten Armee durch. Die geschwächten deutschen Einheiten waren kaum in der Lage, Widerstand zu leisten. Die 

1. Ukrainische Front rückte binnen drei Tagen 100 Kilometer vor. Parallel kämpften sich vier weitere Heeresgruppen der Sowjets nach Westen vor, die gesamte Front in Polen war in Bewegung Richtung Deutschland.

Die Deutschen hatten keine Chance 

Noch drei Tage vor Beginn der Offensive hatte Adolf Hitler einen Bericht beiseite gewischt, nach dem der Beginn des sowjetischen Angriffs nur eine Frage von Stunden sei. Das sei „vollkommen idiotisch“, beschied Hitler, der Verfasser „gehöre in ein Irrenhaus gesperrt“. Der Verfasser war Reinhard Gehlen. Nun, nachdem die Rote Armee zwei Tage rasch vormarschiert war, musste auch Reichspropagandaminister Joseph Goebbels eingestehen: „Stalin ist nunmehr zu seiner Großoffensive im Weichselraum und an der ostpreußischen Grenze geschritten … Es ist nicht zu bestreiten, dass die Sowjets schon in den ersten beiden Tagen beachtliche Erfolge erzielt haben. Die Dinge sind nicht so gelaufen, wie wir das eigentlich erwartet hatten.“

Jetzt bewahrheitete sich, was Heinz Guderian angesichts der schlecht ausgerüsteten Ostfront vorausgesagt hatte: „Die Ostfront ist wie ein Kartenhaus. Wird die Front an einer einzigen Stelle durchstoßen, so fällt sie zusammen.“ Sie wurde nicht nur an einer Stelle durchstoßen. Schon am 13. Januar griff die 1. Weißrussische Front südlich von Warschau an, die 2. und die 3. Weißrussische Front zielten Richtung Danzig und rückten entlang der Grenze Ostpreußens vor. Die 1. Baltische und die 4. Ukrainische Front gewannen Terrain Richtung Königsberg und Ratibor. 

Für die Ardennenoffensive, die Mitte Dezember begann, hatte Hitler sämtliche Reserven von der Ostfront abgezogen. Erst am 15. Januar blies Hitler angesichts der Ereignisse im Osten die Ardennenoffensive ab. Er verzog sich in den Bunker der Reichskanzleitages, den er bis zu seinem Ende nicht mehr verließ.

Pünktlich zu Jalta

Trotz verzweifelter Gegenwehr wurden bereits am 17. Januar Tschenstochau und tags darauf Petrikau besetzt. Die Rote Armee war auf dem Weg nach Breslau. Bis zur größten Stadt Ostdeutschlands waren es nur noch 200 Kilometer. Sie war für Josef Stalin das vorrangige Ziel. Die 1. Weißrussische Front flutete Warschau. Hitler tobte. Am 19. Januar fielen Lodz und Krakau, am 20. Tilsit, am 21. Gumbinnen und Tannenberg. Das Denkmal dort war zuvor gesprengt, Hindenburgs Sarg nach Westen in Sicherheit gebracht worden. Im Warthegau war posaunt worden, die Verteidigungslinien stünden fest wie Beton. Als die Menschen am Morgen erwachten, ratterten die sowjetischen Panzer über die Dorfstraßen. Für den Warnruf „Die Russen kommen“ war es zu spät.

Bis zu dem Zeitpunkt waren Breslau und Dresden die einzigen großen Städte Deutschlands, auf die noch keine Bombe gefallen war. Am 20. Januar überschritten die Sowjets die Oder bei Breslau. Kattowitz, Oppeln und Gleiwitz waren in Reichweite. Auf den Vorschlag Ferdinand Schörners, das Gebiet räumen zu dürfen, reagierte Hitler erstmals resigniert: „Wenn Sie glauben, dass nichts mehr zu machen ist, Schörner, dann tun Sie es.“

Währenddessen wurde der Raum Königsberg vom Restreich abgeschnitten. Über Allenstein und Osterode erreichten die Sowjets am 27. Januar das Frische Haff.

Stalin konnte bei der Konferenz der „Großen Drei“ in Jalta auftrumpfen. Der Erfolg der Winteroffensive war pünktlich. Dass zu Beginn der Konferenz am 2. Februar weder Königsberg noch Breslau eingenommen waren, war eher nebensächlich.





Kurzporträts

Generalmajor Reinhard Gehlen leitete die Abteilung Fremde Heere Ost (FHO) im Generalstab des Heeres. Nach dem Krieg baute er im Auftrag der USA die Organisation Gehlen auf, den heutigen Bundesnachrichtendienst 

Der legendäre Panzerführer Generaloberst Heinz Guderian war vom 21. Juli 1944 bis zum 28. März 1945 mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Chefs des Generalstabes des Heeres betraut

Der Oberbefehlshaber von Armeen und Heeresgruppen Generalfeldmarschall Ferdinand Schörner war nach Adolf Hitlers Selbstmord dessen Nachfolger als Oberbefehlshaber des Heeres