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17.01.20 / Reichenbach/Niederschlesien / Honig brachte die Inspiration / Erfolgreiche Suche nach einem Alleinstellungsmerkmal in Reichenbach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03 vom 17. Januar 2020

Reichenbach/Niederschlesien
Honig brachte die Inspiration
Erfolgreiche Suche nach einem Alleinstellungsmerkmal in Reichenbach
Chris W. Wagner

Bereits zum zweiten Mal wurde das niederschlesische Reichenbach [Dzierzoniow] am Eulengebirge zur Stadt der Pfefferkuchen. In einem Pfefferkuchen-Workshop wurden Einwohner animiert, die historische Innenstadt aus Lebkuchen nachzubilden. Diese Lebkuchenstadt soll nun Touristen nach Reichenbach locken.

Innenstadt aus Lebkuchen

Reichenbach war seit dem Mittelalter die Stadt der Weber und Tuchmacher. Im 16. Jahrhundert und Anfang des 17. Jahrhunderts erlebte Reichenbach seine wirtschaftliche Blütezeit durch die Herstellung von Barchent, einem Mischgewebe aus Baumwolle und Leinen. 

1790 spielte Reichenbach zudem eine bedeutende politische Rolle, denn hier fanden Verhandlungen zwischen Preußen und Österreich statt, die zur Reichenbacher Konvention führten. Mit dieser wurde ein drohender Krieg zwischen Preußen und Österreich abgewandt. Am 27. Juni 1813 wurde in Reichenbach die Konvention von Reichenbach unterzeichnet, mit der ein antinapoleonisches Bündnis zwischen dem Russischen Reich, Preußen und Österreich vereinbart wurde.

1855 erhielt Reichenbach Eisenbahnanschluss an Schweidnitz [Swidnica], der drei Jahre später nach Frankenstein [Zabkowice Slaskie] verlängert wurde. 1891 folgte die Eisenbahnverbindung nach Langenbielau [Bielawa] und 1900/03 wurde die Stadt mit der Eulengebirgsbahn verbunden, die nach Wünschelburg [Radkow] unterhalb des Heuscheuergebirges führte. Nach Kriegsende und der Vertreibung der Deutschen wurden von 1945 bis 1948 polnische Juden aus der Sowjetunion in Reichenbach angesiedelt. Dies belebte die erhalten gebliebene Reichenbacher Synagoge, die heute ein Kulturzentrum ist. Einmal im Jahr finden darin eher beschauliche Tage der jüdischen Kultur statt – doch dies ist zu wenig, um sich nachhaltig im Kulturkalender Niederschlesiens zu etablieren. 

„Pfefferkuchenaktion“ gestartet

So wurde im Jahr 2018 seitens der Stadt Reichenbach die „Pfefferkuchenaktion“ gestartet. Dies brachte zwar nicht unbedingt Scharen von Touristen in die Stadt, doch die Einwohner fanden großen Gefallen an der süßen Angelegenheit. Im gerade vergangenen Jahr entstanden gleich mehrere solcher Lebkuchenminiaturen, die die Gaumen der Einwohner und Touristen kitzeln. Die Pfefferkuchenstadtkulisse kann täglich von 8 bis 18 Uhr kostenlos an zwei Stellen besichtigt werden: im Eulengebirgs-Verkehrszentrum und in der Hilbert-Mühle.

Im 19. Jahrhundert erbaute die Familie Hilbert eine Dampfmühle, die erste in Schlesien. Eine Stiftung, die schlesische Industriedenkmäler rettet, hat diese Mühle nach der Schließung 2016 vor der Zerstörung bewahrt. Als Relikt einer längst vergangenen Zeit ist sie jetzt ein Museum und ein perfekter Ort für die Lebkuchenminiaturenstadt. Magdalena Sosnicka vom Magistrat der Stadt versichert, dass man sich dabei auf die alte Lebkuchentradition in Schlesien stützt, die schon viel älter als die in Thorn sei, so Sosnicka. 

Thorn gilt in Polen als die polnische Pfefferkuchenstadt schlechthin, wobei natürlich auch dort die Tradition von deutschen Ostkolonisten mitgebracht wurde. Sosnicka erinnerte kürzlich auf Radio Breslau ferner daran, dass der polnische Name der Stadt auf den oberschlesischen Imker Johann Dzierzon zurückgeht und bekanntlich gibt es ohne Honig eben keine Pfefferkuchen.

An der Lebkuchenstadt bauten die Reichenbacher seit Mitte November, als das Backen der Einzelteile begann. Das nach Kardamom und Honig duftende Stadtmodell kann neben der Hilbertmühle im restaurierten Reichnbacher Bahnhofsgebäude bewundert werden. Im Bahnhofsgebäude wird außerdem an den Bau der Eisenbahn von 1852 durch die Breslau-Freiburger Eisennbahngesellschaft erinnert.