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17.01.20 / Lesestunden für Tiere / Diese Lesungen sind für die Katz / In Tierheimen lesen Kinder den Vierbeinern etwas vor – Profitieren tun alle davon

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03 vom 17. Januar 2020

Lesestunden für Tiere
Diese Lesungen sind für die Katz
In Tierheimen lesen Kinder den Vierbeinern etwas vor – Profitieren tun alle davon
Norman Hanert

In immer mehr deutschen Tierheimen lesen inzwischen Kinder – Katzen oder Hunden vor. Kein Scherz: Dahinter steht die Idee, Kindern mit Leseschwierigkeiten den Mut zu geben, ohne Angst vor einer Blamage laut vorzulesen. Von den Lesestunden vor den vierbeinigen Zuhörern profitieren nicht nur die Kinder.

Die Idee, Schulkinder und Tiere zum Lesenlernen zusammenzubringen, stammt aus den USA. Dort nahm eine Mitarbeiterin der Animal Rescue League erstmals im Jahr 2013 ihren Sohn in das Tierheim von Birdsboro im Bundesstaat Pennsylvania mit, damit er dort einer Katze vorliest. Nicht nur der Junge fand Gefallen an der Lesestunde. Relativ schnell kamen weitere Leseanfänger dazu, die außerhalb der Schule und vor einem geduldigen Publikum ihre Lesefähigkeiten verbesserten.

Forscher der Tufts University bei Boston konnten tatsächlich bestätigen, dass die Kinder, die sich freiwillig als Katzenvorleser betätigten, schneller und auch besser lesen lernen. Auch die deutsche Psychologin Andrea M. Beetz, die bereits seit längerer Zeit zum Thema tiergestützte Pädagogik forscht, geht davon aus, dass sich über den Einsatz vierbeiniger Lernhelfer bei den Kindern Lernfreude, Interesse und Motivation erhöhen und damit auch eine deutliche Steigerung der Lesekompetenz erreichen lässt. Das „Bücher-Kumpel“-Programm fand schnell Nachahmer an anderen Orten der Vereinigten Staaten.

Auch hierzulande bietet mittlerweile eine ganze Reihe von Tierheimen, etwa in München, Hamburg oder Düsseldorf, Kindern mit Leseproblemen die Möglichkeit, vor vierbeinigen Zuhörern zu üben. In Niedersachsen hat der Tierschutzverein Gifhorn und Umgebung bereits im Jahr 2016 ein Projekt „Kinder lesen Katzen vor“ ins Leben gerufen. Auch der Tierschutzverein für Berlin und Umgebung bietet seit vergangenem Herbst ein solches Programm an. Im großen Tierheim in Berlin-Wartenberg können Schüler im Alter von sieben bis zwölf Jahren einmal pro Woche für eine halbe Stunde ihre Lesefähigkeiten verbessern. Vorgelesen wird im Seniorenkatzenhaus, in dem ältere Tiere untergebracht sind. 

Von den Lesestunden profitieren nicht nur die Kinder: Auch die Tiere erhalten Aufmerksamkeit und Zuwendung, für die die Pfleger im Alltag der Tierheime oft nicht genug Zeit haben. Viele der Katzen sind ins Tierheim gekommen, weil ihre Besitzer erkrankten oder verstarben. Der Kontakt mit den kindlichen Vorlesern hilft diesen Tieren, sich wieder an neue Menschen zu gewöhnen und damit auch neuen Familienanschluss zu bekommen.

Auf der anderen Seite ist das Vorleseprogramm bei Eltern und Kindern so gefragt, dass das Berliner Tierheim sogar eine Warteliste angelegen musste. Bei dem Angebot des Tierschutzvereins Gifhorn gehen bis zu vier Kinder mit in ein Katzenzimmer, um den Tieren laut vorzulesen. Dazu stehen ehrenamtliche Lernhelfer bereit, die den Kindern bei schwierigen Wörtern und inhaltlichen Fragen helfen. Im Tierheim in Berlin-Wartenberg lesen die Kinder den tierischen Bücherfreunden wiederum allein vor. Dies soll es gerade den Kindern mit Vorleseängsten ermöglichen, in entspannter Atmosphäre ohne Hemmungen zu üben: „Die Katzen stört es nicht, wenn sich das Kind mal verhaspelt oder ein Wort falsch ausspricht“, so die Berliner Tierheimsprecherin Beate Kaminski.

In den Tierheimen zeigen sich Katzen als die geduldigeren Zuhörer für die kindlichen Leseanfänger. Bei regelmäßigen Besuchen an Grundschulen oder in Bibliotheken sind es wiederum Hunde, die sich als geduldige Zuhörer für Grimms Märchen, Mark Twains Abenteuergeschichten und andere Kinderbuchklassiker erwiesen haben. Auch die Idee, Hunde als Zuhörer für Kinder mit Leseschwächen zu nutzen, stammt ursprünglich aus den USA. Auch dieses Konzept findet hierzulande immer stärkere Verbreitung. Der Johanniter-Orden setzt bereits seit dem Jahr 2006 sogenannte Besuchshunde- und Therapiehundeteams ein, die pflegebedürftige Menschen beispielsweise in Senioreneinrichtungen oder auch in ihrem privaten Umfeld besuchen. Bei den Besuchen geht es oftmals darum, mithilfe der Tiere bei den Pflegebedürftigen neue Lebensfreude zu wecken.

Seit einigen Jahren rufen Regionalverbände der Johanniter nun auch immer öfter Lesehund-Projekte ins Leben. Dabei besuchen ehrenamtlich arbeitende und speziell ausgebildete Betreuer mit ihren Tieren Schulen, Bibliotheken oder andere Einrichtungen. Grundschüler mit Leseschwäche erhalten dann einmal in der Woche die Möglichkeit, in ruhiger Atmosphäre den „Lesehunden“ in 20-minütigen Sitzungen aus ihren Lieblingsbüchern vorzulesen.