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17.01.20 / Wien 1788 / Eine Romanze mit Hindernissen / Facettenreich und redegewandt erzählt René Anour die Geschichte eines Medizinstudenten im Wien des 18. Jahrhunderts

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03 vom 17. Januar 2020

Wien 1788
Eine Romanze mit Hindernissen
Facettenreich und redegewandt erzählt René Anour die Geschichte eines Medizinstudenten im Wien des 18. Jahrhunderts
Lydia Wenzel

Wien im Jahr 1788: Ein junger Mann erwacht in einer Zelle im Narrenturm. Ohne sonstige Erinnerungen wird er immer wieder von den Schreckensereignissen einer Schlacht heimgesucht. In diese Situation voller Fragen wird der Leser de Romans „Im Schatten des Turms“ von René Anour regelrecht hineingezogen, bevor der Autor ihn erlöst und beginnt, die Ereignisse des vergangenen Jahres aufzurollen. So erfährt man vom talentierten Medizinstudenten Alfred, der sich, von einem seiner Seminare angeregt, beginnt, für das Treiben im Narrenturm zu interessieren. 

Diese moderne Einrichtung der Medizin gibt, vom Kaiser persönlich gefördert, erstmals in ganz Europa einen Raum, um die Leiden der Irren zu erforschen. Trotzdem scheint sie einige Geheimnisse zu bergen, die Alfred nicht loslassen. Dann lernt er die Adelige Helene kennen. Alfred soll sie unterrichten, doch mit dem unerwarteten Tod ihres Vaters wird Helene immer tiefer in die Intrigen des Wiener Hofes hineingezogen und in den goldenen Käfig ihrer Herkunft eingesperrt, während ihre beginnende Liebe zu Alfred diesen in größte Not und weit von Wien fort bringt. 

Einblicke in den „Narrenturm"

Die Stränge der Geschichte sind spannend erzählt, wenn auch manchmal etwas dick aufgetragen. Nach und nach werden dem Leser die Ränke des Wiener Hofes im 18. Jahrhundert, das Allgemeine Krankenhaus und der Narrenturm nahegebracht. In einem kurzen Nachwort wird erklärt, welche Anteile der Geschichte tatsächlich historisch belegt sind, was einige Überraschungen bereithält. 

Ränke des Wiener Hofs 

Zwar ist der Untertitel „Ein Wien-Roman“ etwas irreführend, da große Teile der Handlung in der näheren Umgebung Wiens, aber auch im weit entfernten Ba-nat stattfinden, doch dafür sind die Eindrücke der beschriebenen Orte und auch der tatsächlichen historischen Ereignisse, die sich dem Leser bieten, sehr facettenreich. Anteil daran hat auch die große sprachliche Vielfalt, die beispielsweise in Dialekten und Redeweisen der einzelnen Figuren zum Ausdruck kommt. 

Wer sich nun für den weiteren Verlauf der Liebesgeschichte zwischen Alfred und Helene interessiert, findet in diesem Roman ein gut recherchiertes und einfühlsam sowie vielfältig berichtetes Drama, das mit der einen oder anderen Wendung zu überraschen weiß. 

René Anour: „Im Schatten des Turms. Ein Wien-Roman“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2019, broschiert, 653 Seiten, 13 Euro