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24.01.20 / Wahlen in Italien In der Emilia-Romagna und in Kalabrien wird am kommenden Sonntag gewählt. Gewinnt das Wahlbündnis „Centrodestra“ mit Matteo Salvinis „Lega“, steht die italienische Regierung am Abgrund / Fällt die „rote Hochburg“? / Die Bedeutung der Regionalwahlen für die politische Landschaft Italiens

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04 vom 24. Januar 2020

Wahlen in Italien In der Emilia-Romagna und in Kalabrien wird am kommenden Sonntag gewählt. Gewinnt das Wahlbündnis „Centrodestra“ mit Matteo Salvinis „Lega“, steht die italienische Regierung am Abgrund
Fällt die „rote Hochburg“?
Die Bedeutung der Regionalwahlen für die politische Landschaft Italiens
Wulf D. Wagner

Nördlich der Toskana liegt wie ein breiter Streifen über die ganze italienische Halbinsel hinweg die Region Emilia-Romagna. Die prächtigen Städte Piacenza, Parma, Modena, Ravenna oder die Hauptstadt Bologna sind Zeugnisse eines jahrhundertealten Reichtums an Kultur und Geschichte, kunstgeschichtliche Juwele finden sich in unzähligen pittoresken Bergstädtchen, und weite Adria-Strände bei Rimini sind beliebte Touristenziele. Doch seit Monaten schaut ganz Italien aus einem anderen Grund auf diese Region: Am kommenden Sonntag steht hier die erste bedeutsame Wahl seit dem Regierungswechsel in Rom im Sommer 2019 an. 

Die Emilia-Romagna ist eine rote Region, seit Jahrzehnten. Doch schon Anfang Juni 2019 ging hier nach 69 Jahren das zum Weltkulturerbe zählende Ferrara an den Bürgermeisterkandidaten der „Lega“, den Ingenieur Alan Fabbri, verloren. Der Sieg wurde als historisch bezeichnet. Nun also stehen hier Landeswahlen an, und nicht zu vergessen am gleichen Tag auch im süditalienischen Kalabrien. 

Ein kleines Vorspiel der jetzigen Wahl war jene im Oktober 2019 in Umbrien, bei der das Bündnis „Centrodestra“ (Mitterechts) mit 57 Prozent gewann. „Centro-destra“ – gebildet aus Matteo Salvinis „Lega“, Silvio Berlusconis „Forza Italia“ und Giorgia Melonis „Fratelli d’Italia“ nebst kleineren Parteien – hatte eine gemeinsame Kandidatin aufgestellt, Donatella Tesei, und so ist es auch nun in der Emilia-Romagna: Lucia Borgonzoni (* 1976) tritt gegen den gemeinsamen Kandidaten von „Centrosinistra“ (Mittelinks), den bisherigen Präsidenten der Region Stefano Bonaccini (*1967) an. Der „Movimento 5 Stelle“ (M5S) beteiligt sich aufgrund des Flops in Umbrien nicht an dem Bündnis und hat einen eigenen Kandidaten aufgestellt. 

Prüfstein für die Regierung in Rom 

Die Wahlen sind von erheblicher landesweiter Bedeutung. Seit drei Jahren hat der linke „Partito Democratico“ (PD) keine Wahl gewonnen, an die Macht in Rom kam er nur mittels eines geschickten Manövers im Sommer 2019. Kaum hatten sich damals PD und „M5S“ geeinigt, trennte sich der vormalige Ministerpräsident Matteo Renzi mit einer ganzen Reihe von Parlamentariern von seiner alten Partei PD und gründete eine neue, die „Italia Viva“. Diese blieb zwar in der Regierung, tritt aber nun nicht an. Allein die Angst vor Neuwahlen, bei der eine Rückkehr Matteo Salvinis und seiner „Lega“ droht, scheint die Regierung noch zusammenzuhalten. Ein Sieg Salvinis in der „roten“  Emilia-Romagna wäre ein fatales Signal für Rom.

Um Salvinis Sieg zu verhindern, sind viele Mittel recht. So bildete sich eigens die angeblich überparteiliche Bewegung „Sardinen“, die zu Demonstrationen gegen die „Lega“ aufruft, aber mittlerweile – wie am 19. Januar in der Studentenstadt Bologna – ein Konzertprogramm braucht, um die Massen zusammenzubringen. Tatsächlich sind die „Sardinen“ nicht mehr als ein Versuch, junge Menschen für den PD auf die Plätze und möglichst auch an die Urnen zu bringen. Allein bekommt der PD – so scheint es – keine Plätze voll.

Salvinis Popularität hingegen ist ungebrochen. Gerade konnte er sich auf Facebook für den 4 000 000sten Follower bedanken, womit er der europäische Politiker mit der größten Reichweite in den sozialen Medien sein soll. Von morgens bis abends spricht er vor vollen Plätzen und Sälen selbst kleinster Bergstädte, in denen die Probleme besonders groß sind. Und die Menschen – alle Altersgruppen und Schichten, stets viele Frauen – kommen zusammen, um zu hören, was Salvini zu sagen hat. Er spricht über das wichtigste Thema Arbeit, über die Landwirtschaft, die verheerende Bürokratie, Pensionen oder die Steuervorhaben der derzeitigen Regierung.

Obwohl die Migration nicht das entscheidende Thema dieses Wahlkampfes ist, kommt es nun doch gewollt-ungewollt in der letzten Woche noch ins Spiel. Nach den mehrfach gescheiterten Versuchen italienischer Gerichte, Prozesse gegen den Ex-Innenminister wegen seiner Politik der geschlossenen Häfen für NGO-Schiffe, die illegale Einwanderer ins Land schaff(t)en, einzuleiten, steht ein abermaliger Versuch an. Das freut zwar PD und „M5S“; ungelegen kommt ihnen jedoch, dass noch vor der Wahl die Aufhebung der Immunität Salvinis beschlossen werden soll. Einen „Märtyrer Salvini“ können sie im Wahlkampf nicht auch noch gebrauchen. Vor allem zeigt sich so den Wählern nochmals deutlich, dass die derzeitige Regierung in Sachen Grenzschutz einen vollkommen anderen Kurs fährt als die vorherige. Mit dem Thema innere Sicherheit hatte Salvini all die letzten Wahlen gewonnen. 

Ein Comeback Salvinis? 

In der Nacht vom 26. auf den 27. Januar werden uns die Wahlergebnisse vorliegen, dann wird man sehen, ob die rote Hochburg Emilia-Romagna nur schwankt oder gefallen ist. In Kalabrien wird sich zeigen, ob die bisher auf Norditalien konzentrierte „Lega“ auch hier Fuß fassen kann. Für diesen Fall ist es fraglich, ob sich die derzeitige Regierung wirklich halten kann, oder ob es zu Neuwahlen kommt  – und damit wahrscheinlich wieder zu einer Regierung mit Matteo Salvini.






Dr. Wulf D. Wagner lebt als Kunsthistoriker und Publizist in Berlin und Palermo. 2019 übersetzte er den Band „Ich bin Matteo Salvini“ (Manuscriptum) ins Deutsche.www.manuscriptum.de