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24.01.20 / Europäische Union / Wer zahlt für den „Green Deal“? / Eine Billion Euro will Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für die Klimapolitik ausgeben. Das wirft die Frage auf, woher das Geld kommen soll

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04 vom 24. Januar 2020

Europäische Union
Wer zahlt für den „Green Deal“?
Eine Billion Euro will Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für die Klimapolitik ausgeben. Das wirft die Frage auf, woher das Geld kommen soll
Peter Entinger

Ursula von der Leyen denkt in großen Dimensionen. Als sie im Dezember 2019 erstmals die Pläne der EU-Kommission zum sogenannten Green Deal vorstellte, sprach sie von „Europas Mann-auf-dem-Mond-Moment“. Das Europaparlament hat am vergangenen Mittwoch dann noch höhere Maßstäbe für den Klimaschutz gefordert. In der ersten offiziellen Reaktion auf die Initiative der Kommission forderten die Abgeordneten in Straßburg, dass das EU-Ziel zur Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes bis 2030 erhöht werden müsse. Das Europaparlament möchte, dass die Emissionen in der EU um 55 Prozent gegenüber 1990 verringert werden, statt um „mindestens 50 bis 55 Prozent“, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen. 

„Wahnsinnige Vorstellung“

Hauptbestandteil des Green Deals ist der Ausstieg aus der Kohleenergie. Ein Blick auf das Abstimmungsverhalten spricht Bände. Immerhin 136 Parlamentarier stimmten mit Nein, auffallend viele Gegenstimmen kamen aus Ostmittel- und Osteuropa. Polen setzt bei der Stromerzeugung noch zu 80 Prozent auf Kohle und zeigt bisher wenig Interesse an einer von der EU verordneten Energie-Wende. Während von der Leyen von einer „grünen Investitionswelle“ träumt und Investoren zur Finanzierung des mindestens eine Billion teuren Projekts gewinnen will, regiert hinter den Kulissen von Straßburg auch Skepsis. Das von der 

EU-Kommission vorgelegte Investitionsprogramm in Höhe von einer Billion Euro sei nicht überzeugend gegenfinanziert, heißt es. Knackpunkt ist vor allem der geplante EU-Fonds für einen „gerechten Übergang“. Damit soll Ländern wie Polen der Kohleausstieg schmackhaft gemacht werden. Um auf Gelder aus dem „Just Transition Fund“ hoffen zu können, müssen interessierte Mitgliedsstaaten dem Kommissionsentwurf zufolge konkrete Pläne vorlegen, wie sie dem Ziel einer „klimaneutralen“ Wirtschaft näher kommen wollen und wie die EU-Mittel dabei helfen sollen. 

„Luftbuchungen“

Und hier kommt die Bundesrepublik ins Spiel. Traditionell ist Deutschland einer der größten Nettozahler in der EU. Auch in diesem Lande gibt es trotz der Energiewende in der Lausitz und auch im Rheinland noch Regionen, in denen viele Arbeitsplätze an der Kohle hängen. Dass Deutschland nun einerseits Gelder nach Brüssel überweist, um sie auf anderen Wegen für den Strukturwandel zurückzubekommen, scheint unrealistisch. Der Sprecher der Christdemokraten im Europäischen Parlament, das Mitglied im Landesvorstand der CDU Nordrhein-Westfalen, Peter Liese, beispielsweise macht sich keine Illusionen. Er fürchtet, dass es für Kohleregionen im angeblich wirtschaftlich starken Deutschland schwer werden dürfte, Mittel aus dem neuen Fonds zu erhalten. „Man kann aber auch nicht erwarten, dass Deutschland mehr zahlt, wenn es dann für deutsche Kohlereviere kein Geld aus dem Fonds gibt“, sagte er. Das sei eine „wahnsinnige Vorstellung“. 

„Größte Umverteilungsmaßnahme“

Fest steht, dass ein EU-weiter Ausstieg aus der Kohleenergie Zehntausende Arbeitsplätze vernichten wird. Die EU-Kommission will mit dem „Übergangs-Fond“ den betroffenen Regionen dabei helfen, die sozialen Folgen zu bewältigen. 30 bis 50 Milliarden Euro will die Brüsseler Behörde dafür im neuen mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 bereitstellen. Der größte Teil soll mit Umschichtungen aus anderen Haushaltstiteln erwirtschaftet werden, etwa aus den milliardenschweren Strukturfonds. Denn neue Geldquellen sind erstmal nicht in Sicht. Die EU selbst darf keine Schulden machen und auch keine Kredite aufnehmen. Und ob von der Leyens angekündigte Investoren aus der Öko-Branche wirklich Schlange stehen, muss sich erst noch zeigen. 

Das „Handelsblatt“ bezeichnete von der Leyens Projekt bereits als „größte Umverteilungsmaßnahme“ der EU-Geschichte und prophezeit ein düsteres Szenario: „Knapp die Hälfte aus den EU-Struktur- und Sozialfonds soll für klimafreundliche Projekte ausgegeben werden – Zug statt Straße, Windpark statt Kohlekraftwerk.“ Selbst aus den Reihen der Grünen ist Skepsis zu hören: „Die Finanzierung des Green Deals besteht im Wesentlichen aus Luftbuchungen“, kritisierte Sven Giegold, Sprecher der deutschen Grünen-Delegation im EU-Parlament. Die Pläne liegen noch nicht einmal komplett auf dem Tisch, da ist Streit schon programmiert. Sollte von der Leyens Kommission tatsächlich an Fördertöpfe der Landwirtschaft herangehen, könnte sich Frankreich querstellen. Auch die CSU dürfte dann hellhörig werden. 

„Eine Enttäuschung“ 

Und so wundert das Fazit der Deutschen Industrie- und Handelskammer kaum: „Das angekündigte Investitionsprogramm wird bei Weitem nicht ausreichen, da im Kern lediglich bereits geplante öffentliche Mittel umgeschichtet werden“, sagte Präsident Eric Schweitzer und spricht von „einer Enttäuschung“.