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24.01.20 / Wer ist Isa und wie viele? / Antwort auf Bezahlsender – Mit „Die verlorene Tochter“ will das ZDF verlorenes Terrain gutmachen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04 vom 24. Januar 2020

Wer ist Isa und wie viele?
Antwort auf Bezahlsender – Mit „Die verlorene Tochter“ will das ZDF verlorenes Terrain gutmachen
Anne Martin

Zehn Jahre nach ihrem spurlosen Verschwinden taucht die Erbin einer Brauereidynastie plötzlich wieder auf, hat aber jegliche Erinnerung an ihr früheres Leben verloren. Isa von Gems erkennt weder ihre Eltern Sigrid und Heinrich (Claudia Michelsen und Christian Berkel), noch die Großmutter Lore, den eigenen Bruder oder ihre einstmals beste Freundin. Über sechs Folgen hinweg versucht die verstörte junge Frau, die Teile ihres Lebens wieder zusammenzusetzen, und der Zuschauer folgt ihr dabei auf reichlich verschlungenen Handlungspfaden. 

Die Spur der damals 16-Jährigen verliert sich nach einer Party am Gymnasium von Lotheim. Was ist an jenem Abend passiert? Hübsche Idee: Jeder Vorspann beginnt mit Partyszenen und setzt Folge für Folge ein neues Puzzleteil an. Mal beobachtet eine schockierte Isa, wie ihre Mutter Sigrid und der Kommissar (Götz Schubert) im Fond eines Wagens Sex haben, mal sieht man, wie die Schülerin eine Tasche voller Geldscheine an sich rafft, mal wird sie angefahren und blutüberströmt in einen Kofferraum gezerrt.

Die Lösung ist so frappierend wie vieles in diesem Sechsteiler „Die verlorene Tochter“, der an drei Abenden mit jeweils zwei Folgen gesendet wird (27., 29. und 30. Januar, jeweils 20.15 Uhr, ZDF). Was dabei fatal deutlich wird, ist das Schielen auf erfolgreiche Vorbilder wie „Berlin Babylon“ oder auch „Das Boot“, die zuerst auf Sky ausgestrahlt wurden, später im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. 

Stringent erzählte Geschichten wirken mittlerweile wohl zu banal. Um geänderte Sehgewohnheiten zu bedienen, scheint keine Drehbuchidee zu abgefahren, und die Schauspieler müssen es ausbaden: Selten erlebt man Deutschlands erste Garde versammelt, noch seltener sieht man ihnen zunehmend mitleidig dabei zu, wie sie einen allzu bemühten Handlungsverlauf mit Leben zu füllen versuchen. Claudia Michelsen greift dabei öfter auf das dramaturgische Mittel des nervösen Augenzuckens zurück, Götz Schubert überagiert als Kommissar, der exemplarisch für das überfrachtete Drehbuch steht: Nicht nur, dass er eine Affäre mit der Gattin des Brauereibesitzers hat, zusätzlich wird er auch noch wegen Alkoholmissbrauchs vom Dienst suspendiert, muss demütigenderweise im Sicherheitsdienst der Brauerei arbeiten, um dann 

– koste es, was es wolle – doch noch den Fall seines Lebens aufzuklären.

Bankdirektor mit der Giftspritze

Christian Berkel als Brauerei-Chef und gehörnter Gatte agiert so zurückgenommen, als traue er keiner einzigen Zeile seines Scripts, einzig Hildegard Schmahl als Großmutter hat das Glück, mit sparsamen Gesten und steif sitzender Bluse die nebulöse Clanchefin geben zu dürfen. 

Es ist ein schmaler Grat zwischen einem Film, der mit überraschenden Wendungen Spannung erzeugt und einem Drehbuch, das vor aberwitzigen Volten und frei baumelnden Handlungsfäden schier auseinanderfliegt. Aufgepfropft etwa der Handlungsfaden in Frankreich, wohin sich die arme Isa geflüchtet hatte. Nicht nur, dass ihr dortiger Verlobter urplötzlich in Lotheim auftaucht. 

Vice versa wird der Kommissar von der undurchsichtigen Großmutter nach Frankreich entsandt, um eine dortige Familiengeschichte aufzuspüren, die für die Handlung herzlich unerheblich ist. Damit nicht genug: Hauptdarstellerin Henriette Confurius muss nicht nur die Isa spielen, sondern auch noch ihre eigene Doppelgängerin, die ihr immer wieder in Traumbildern erscheint. Was sich dabei herauskristallisiert: Die Isa vor dem Verschwinden und die danach scheinen völlig gegensätzliche Charaktere zu sein. Wie anders ist zu erklären, dass ihr Auftauchen die Honoratioren der Stadt so nervös macht? Dass eines Tages der Bankdirektor mit der Giftspritze vor ihr steht? Ein anderer am Rande eines Festes über sie herfällt und prompt erwischt wird? 

Zum hoch dramatischen Schluss, denn darunter macht es Autor und Regisseur Kai Wessel nicht, hat die verlorene Tochter ihr Leben wieder und steht trotzdem vor einem Scherbenhaufen. Genauso wie von ihrem jüngeren Ich vorausgesagt. Dieser Mehrteiler, der mit den Doppelgänger-Szenen auch noch das Mystery-Genre streift, will viel. Zu viel.