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24.01.20 / Östlich von Oder und NeißE / Den Tschechen das Wasser abgegraben? / Im Dreiländereck wehrt Polen sich gegen den Ausstieg aus der Kohle – Nachbarschaftsstreit mit Tschechien droht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04 vom 24. Januar 2020

Östlich von Oder und NeißE
Den Tschechen das Wasser abgegraben?
Im Dreiländereck wehrt Polen sich gegen den Ausstieg aus der Kohle – Nachbarschaftsstreit mit Tschechien droht
Chris W. Wagner

Der polnische Präsident Andrzej Duda hat Ende vergangenen Jahres Reichenau [Bogatynia] im polnischen Teil der Oberlausitz einen Besuch abgestattet. Anlass war der traditionelle Tag der Bergarbeiter. 

In Reichenau wird bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts Braunkohle im großen Stil gefördert. Duda ging jedoch nur auf die polnische Geschichte des Tagebaus in Reichenau ein. 1947 wurde dieser unter polnischer Verwaltung im Reichenauer Ortsteil Türchau [Turoszów] weitergeführt. Etwa 300 deutsche Bergleute wurden durch polnische ersetzt. Anfang der 1960er Jahre wurde ein erster Block des neu errichteten Kraftwerks Turów in Betrieb genommen. 1968 begann der Bau der Grube Turów II und ein Brennstoff- und Wärmeelektrizitätskombinat wurde ins Leben gerufen. Heute gehörten die Grube und das Elektrizitätswerk der polnischen Holding PGE, die acht Prozent des polnischen Energiebedarfs deckt. Die vor 25 Jahren erteilte Konzession für die Braunkohleförderung erlischt im April dieses Jahres. 

Die Bergleute in Reichenau kämpfen dafür, dass die Konzession bis Mitte der 40er Jahre verlängert wird, also bis das Vorkommen abgebaut ist. Piotr Duda, Vorsitzender der Solidarnosc-Gewerkschaft, bezeichnete die Resolution zur Klimaneutralität bis 2050, die in Straßburg gefasst wurde, als schlecht. „Man kann also eine Konzession für Kohleförderung besitzen und faktisch wird man durch europäische Ökoterroristen außer Gefecht gesetzt. Sie wollen unsere Wirtschaft vernichten. Wir lassen uns nicht einreden, dass wir bereits ab morgen den Bergbau einstellen müssen“, so Piotr Duda in Radio Breslau. Auch Präsident Andrzej Duda ging darauf ein und unterstrich, Polen habe ein Recht auf eine „normale Entwicklung, wie sie andere Nationen über viele Jahrzehnte hatten. Diese Chance hatte Polen nicht, weil es hinter dem Eisernen Vorhang lag und unter fremder Knute stand“, so der Präsident. Er sprach sich für eine gerechte Transformation im Sinne eines Klimaschutzes aus, der für den Menschen und den Staat Sicherheit biete.

Doch gegen eine Konzessionsverlängerung in Reichenau sind nicht nur westeuropäische Ökologen. Mit einer Gegenoffensive traten die tschechischen Nachbarn auf. Tschechiens Wirtschaftsminister Richard Brabec erhielt eine Petition von Einwohnern der benachbarten böhmischen Dörfer Reichenaus, die befürchten, dass sie durch die Kohleförderung Grundwasser verlieren. Auch wenn seitens des Turów-Vorstandes versichert wurde, dass es zu keiner Ausweitung der Grube kommen wird, befürchten die etwa 700 Einwohner von Sörgsdorf [Uhelna] und Wetzwalde [Vaclavice] eine stärkere Lärmbelastung und Luftverschmutzung sowie eine Minderung des Wertes ihrer Immobilien. Sie wiesen auch darauf hin, dass durch den bisherigen Tagebau viele Brunnen bereits ausgetrocknet seien. Brabec drohte, eine negative Beurteilung für die Konzessionsverlängerung bis 2044 auszustellen. Auch der tschechische Kultusminister Lubomir Zaoralek unterstützte die Petenten und drohte mit einer Klage bei der Europäische Kommission. Das Wirtschaftportal „Puls Biznesu“ informierte darüber, dass Tschechien neben Entschädigungen auch eine Abdichtung im Hinblick auf einen Grundwasserabfluss von Polen fordert. 

In Reichenau werden jährlich acht Millionen Tonnen Braunkohle gefördert. Die Tagbaufläche umfasst 2487 Hektar. Dorota Bojakowska, Gemeinderatsmitglied in Reichenau (Recht und Gerechtigkeit, PiS) hofft hingegen, dass weitergefördert wird, denn die Grube bedeute eine stabile Arbeitslage und gute Verdienste, sagte sie gegenüber Radio Breslau. Der Reichenauer Zipfel ist der einzige Teil östlich der Oder-Neiße-Linie, der einst nicht zu Preußen gehörte, sondern von Sachsen an Warschau fiel. Dabei entstand ein kurioser Grenzverlauf – doch die Kohlevorkommen hier ließen aus damaliger Sicht keine Grenzbegradigung durch eine Abweichung von der Neiße zu.