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31.01.20 / Karl-Heinz Kurras / Tötete er Ohnesorg im Stasi-Auftrag?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05 vom 31. Januar 2020

Karl-Heinz Kurras
Tötete er Ohnesorg im Stasi-Auftrag?
Norman Hanert

Einblicke in das erstaunliche Doppelleben des Karl-Heinz Kurras lieferte eine Diskussion im Berliner Spionagemuseum am Leipziger Platz, die am Donnerstag der vergangenen Woche stattfand. Geladen waren die Historikerin und Projektleiterin beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Daniela Münkel sowie der Historiker, Journalist und Sachbuchautor Sven Felix Kellerhoff. Beide waren sich in der Bewertung einig, dass es sich bei Kurras um einen „extremen Waffennarren“ gehandelt habe. Seinen Agentenlohn aus Ost-Berlin verwendete der Polizist, um in großem Umfang Waffen und Munition zu kaufen. Übereinstimmung herrschte auch in der Frage, ob Kurras die Tötung von Benno Ohnesorg im Auftrag der Stasi ausgeführt habe. Beide verneinten dies. Im Ministerium für Staatssicherheit in der Ost-Berliner Normannenstraße herrschte nach der Tat vielmehr blankes Entsetzen. Wie aus den Akten hervorgeht, brach die Stasi nach den Schüssen auf Benno Ohnesorg den Kontakt zu ihrer Spitzenquelle innerhalb der West-Berliner Polizei ab.

Es kam sogar der Verdacht auf, einem Agent Provocateur der Gegenseite aufgesessen zu sein. Rekonstruiert werden konnte, dass mehrere Stasi-Mitarbeiter die von Kurras bis dahin gelieferten Informationen sogar nach Hinweisen auf eine gezielte Irreführung durch westliche Dienste durchforsteten. Tatsächlich erwiesen sich die Berichte, die Kurras von 1955 bis 1967 nach Ost-Berlin übermittelt hatte, aber als wahrheitsgetreu. Mehr noch: Als Beamter des polizeilichen Staatsschutzes lieferte Kurras nach Ost-Berlin wertvolle Informationen über die Arbeit der Sicherheitsbehörden im westlichen Teil der geteilten Stadt, über aufgeflogene Ostagenten, Überläufer und Pläne von Fluchthelfern. 

Dass die 17 Aktenbände zur Agentenkarriere des Polizisten nach Jahrzehnten überhaupt noch gefunden werden konnten, liegt nicht zuletzt daran, dass Kurras bei der Stasi nicht von der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) geführt wurde, sondern seit seiner Verpflichtung in den 50er Jahren bei der Stasi-Abteilung angesiedelt war, die damals noch für das gesamte „Groß-Berlin“ zuständig war. Hätte der Geheimdienst den West-Berliner stattdessen als Auslandsagenten angesehen, wären seine Akten in den Jahren 1989/90 vermutlich ebenso vernichtet worden, wie dies mit einem Großteil der Unterlagen der DDR-Auslandsspionage geschehen ist. Nach den Schüssen auf Benno Ohnesorg landeten die Kurras-Akten in einer geheimen Ablage, auf die nur noch die Führungsebene des Ministeriums für Staatssicherheit Zugriff hatte.