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31.01.20 / Italienbild / Begeisterung und Abneigung / Klaus Bergdolt geht dem Wandel der Einstellung der Deutschen gegenüber Italienern nach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05 vom 31. Januar 2020

Italienbild
Begeisterung und Abneigung
Klaus Bergdolt geht dem Wandel der Einstellung der Deutschen gegenüber Italienern nach
Dirk Klose

Als Goethe im November 1786 in Rom ankommt, jubelt er: „Endlich bin ich in dieser Hauptstadt der Welt angelangt. Nun bin ich auf mein ganzes Leben beruhigt.“ Sein Zeitgenosse Karl Friedrich Benkowitz schrieb hingegen 1804: „Schon in Verona gerät der deutsche Reisende unter Menschen von gewissenloser Denkungsart, bis er zuletzt in Rom und Neapel den Abschaum der Menschen, den Gipfel der Verworfenheit findet“. Begeisterung und Abneigung gegenüber Italien, das zeigt dieses Buch des Arztes und Kunsthistorikers Klaus Bergdolt, lagen seit der Renaissance immer dicht beieinander, ja nach dem Eindruck aus dieser tour d’horizont durch die deutsche Mentalitätsgeschichte überwiegen negative Meinungen sogar.

Der Autor war Leiter des Deutschen Studienzentrums in Venedig. Sein historischer Rückblick führt ihn zu der Unterscheidung, dass sich die deutsche Italienbegeisterung vorrangig auf Kultur und Landschaft bezog. Die Italiener hingegen, so zeigt er an zahlreichen Zeugnissen aus Briefen, Reisebeschreibungen und Erinnerungen, wurden über Jahrhunderte hinweg von den meisten Deutschen abschätzig beurteilt. Sie seien leichtsinnig, nicht besonders fleißig, heißblütig und schnell aggressiv, die „Weiber“ oft wollüstig und schamlos. Rom ohnehin, aber auch Venedig, Florenz und vor allem das chaotische Neapel sind Zielscheiben bissiger Kritik. 

Die abwertenden Urteile rühren für den Autor aus einem anmaßenden Überlegenheitsgefühl des protestantisch geprägten Nordens gegenüber dem katholischen Süden. Nicht zuletzt Papsttum und Kirchenstaat galten als das Übel schlechthin. Luthers Verdikt trug genauso dazu bei wie deutsche Aufklärer im 

18. Jahrhundert und noch Bismarcks Kulturkampf in den 1870er Jahren. Der Autor belässt es nicht bei der Aufzählung negativer Urteile, sondern zitiert auch freundliche Ansichten, die gerade im südlichen Temperament einen Vorzug gegenüber dem kühlen, oft herzlosen Norden sehen. 

Der Eifer des Autors, anti-italienische Vorurteile zu finden, gerät fast zu einer Anklage gegen die Deutschen. Teils möchte man ihm zustimmen, teils aber auch widersprechen: Wenn viele Reisende unisono über Überfälle, verlauste Herbergen oder ein unerträgliches Bettlerwesen berichten, dann sind es Fakten, weniger persönliche Vorurteile. Bei Italien, so Bergdolt, hätten sich diese inzwischen sehr abgeschwächt; Italien ist ein Nachbar, mit dem man im großen EU-Haus zusammenlebt. 

Klaus Bergdolt: „Kriminell, korrupt, katholisch? Italiener im deutschen Vorurteil“, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2018, gebunden, 244 Seiten, 32 Euro