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07.02.20 / Thüringen / Das Parteiengefüge gerät in Bewegung / Die Aussicht auf eine weitere Amtszeit für Bodo Ramelow zwang die thüringische CDU, über eine Zusammenarbeit mit der AfD nachzudenken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06 vom 07. Februar 2020

Thüringen
Das Parteiengefüge gerät in Bewegung
Die Aussicht auf eine weitere Amtszeit für Bodo Ramelow zwang die thüringische CDU, über eine Zusammenarbeit mit der AfD nachzudenken
Hans Heckel

Das Gerangel um die Neuwahl des thüringischen Ministerpräsidenten hat Bewegung ins deutsche Parteiengefüge gebracht. Seit mit der Gründung der AfD 2013 die bisherigen Mehrheitsverhältnisse durcheinander geraten waren, hatten sich CDU und FDP in die starre Abwehrfront gegen die Neulinge eingereiht. Koalitionen mit Grünen und SPD boten Fluchtwege.

In Thüringen nun war alles anders:  Nachdem bei der Landtagswahl 2019 keines der gewohnten Koalitionsmodelle eine Mehrheit fand, konnte nur noch eine Zusammenarbeit zwischen den SED-Nachfolgern der Linkspartei und der CDU an der AfD vorbeiführen. Dies jedoch wäre einem Verrat an den historischen Grundfesten der Christdemokraten gleichgekommen. Zudem hatten die Bürger Rot-Rot-Grün klar abgewählt. Die CDU musste sich also entscheiden: Mit den Linken gegen die AfD oder nicht. Und so kamen kurz vor der Wahl des Ministerpräsidenten am Mittwoch dieser Woche mehrere Szenarien auf, wie die Wiederwahl von Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linkspartei) verhindert werden könne (bis Druckbeginn dieser Zeitung stand das Ergebnis nicht fest). 

Die harte Abwehrfornt gegen die AfD war auch deshalb ins Wanken geraten, weil bei den „Blauen“ ebenfalls ein Prozess des Nachdenkens eingesetzt hatte. Gerade der Thüringer Verband unter Landeschef Björn Höcke verstand sich lange als Zentrum der Fundamentalopposition gegen „das System“, sodass eine pragmatische Zusammenarbeit mit CDU und FDP ausgeschlossen schien. Zuletzt musste Höcke jedoch einsehen, dass derlei Unbedingheit vor allem ihn selbst isolierte und nicht die anderen. Derweil mehren sich übrigens auch in Brandenburg Zeichen der Annäherung zwischen Schwarz und Blau (siehe Seite 5).

Für die Demokratie sind dies ermutigende Signale. Die immer brutalere Ausgrenzung der AfD (in Berlin musste unlängst zum wiederholten Male ein Landesparteitag verschoben werden, weil Linksextreme die Saal-Vermieter attackierten) sowie von ihren Wählern und deren Themen hat die Gräben in der Gesellschaft tief ausgeschachtet. Eine aufgeheizte Sprachlosigkeit hat sich ausgebreitet, die wesentlich zur Lähmung der praktischen Politik beigetragen hat.

Die Entwicklungen in Thüringen und Brandenburg markieren den Versuch, sich aus dieser Selbstfesselung zu befreien, den Dialog wieder aufzunehmen und die Debatte zu versachlichen. So wachsen die Chancen, dass sich die Politik wieder den wirklichen Probleme des Landes widmet.