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07.02.20 / Meinung / Demokratie?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06 vom 07. Februar 2020

Meinung
Demokratie?
Erik Lommatzsch

Gerade „diese realistische Linke mit ihrem speziellen Kiez-Charme“ könne in Berlin „frustrierte ehemalige SPD-Wähler wieder zurückgewinnen“, meint Ex-„FAZ“-Mitherausgeber Hugo Müller-Vogg über Franziska Giffey. Als Nachfolgerin von Heinz Buschkowsky war Giffey Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln, bevor sie im März 2018 das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend übernahm.

Nun ruft das Land Berlin sie zurück, und zwar nach ganz oben. Zumindest wollen einige diesen Ruf gehört haben. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat keine so richtige Lust mehr. Es heißt, er wolle sich künftig auf einem Bundestagsmandat entspannen. Im Mai verzichtet Müller auf eine abermalige Kandidatur für den SPD-Vorsitz der Hauptstadt. Giffey soll ihm zunächst in diesem Amt nachfolgen, allerdings nur als eine Hälfte einer künftigen Doppelspitze. Der Berliner SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh würde die anderen 50 Prozent der Parteiführung übernehmen, natürlich alles unter der Voraussetzung, die wählenden Genossen geben ihre Stimmen entsprechend ab. Das Doppel-Modell, das die Bundes-SPD seit letztem Jahr praktiziert, beschert zwar bislang keine großen Umfrageerfolge, aber vielleicht wird in der Hauptstadt ja alles anders. Den 2021 anstehenden Wahlkampf würde Giffey wohl schon aus der Position der Bürgermeisterin bestreiten; es wird vermutet, dass Müller vorzeitig geht.

Hoffnungsträgerin mit Kratzern

Nach diesen Nachrichten steht Frau Giffey nun im Fokus. Beim Rennen um den Vorsitz der Bundes-SPD im letzten Jahr wäre sie wohl auch gern mit angetreten, aber da lastete noch die Geschichte mit ihrer Dissertation auf ihrem Ruf. Was mehr erstaunen sollte als die Plagiatsvorwürfe, die am Ende nicht ausreichten, um ihr den Titel abzuerkennen, ist, mit welcher Art von „wissenschaftlicher Arbeit“ man seinem Namen einen „Doktor“ voranstellen kann. Dann gab es unlängst noch die unappetitliche Geschichte mit ihrem Ehemann. Um aus dem Beamtenverhältnis entfernt zu werden, muss man sich in Deutschland schon einige Mühe geben. Für das Gebaren von Familienmitgliedern ist die Frau mit dem „speziellen Kiez-Charme“ zwar nicht verantwortlich zu machen, ein gutes Licht wirft so etwas auf eine künftige Regierende Bürgermeisterin allerdings nicht.

Gibt es auch Positives? Oh ja. Frau Giffey ist eine große Kämpferin. Und zwar für die Demokratie oder besser: für ihre Demokratie. Den Anschlag von Halle im letzten Oktober nahm sie zum Anlass, sich vehement für ein „Demokratiefördergesetz“ auszusprechen. Nur böse Zungen würden so etwas als Instrumentalisierung betrachten und darauf hinweisen, dass es nach dem islamischen Terrorakt auf einem Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016, bei dem zwölf Menschen zu Tode kamen und über 50 verletzt wurden, von Regierungsseite recht ruhig war. Erst recht bezüglich neuer oder auch nur der Durchsetzung alter Sicherheitsgesetze.

Das „Demokratiefördergesetz“, also ein neuer Steuergeldtopf, soll dazu dienen, schon im Vorfeld besser eine „kontinuierliche und verlässliche Präventionsarbeit“ zu leisten und „eine Ausweitung von Hass, Hetzte, Gewalt und Spaltung der Gesellschaft zu verhindern“. Frau Giffeys Vergleich: „Niemand stellt Krebsvorsorge in Frage.“ Sie jedenfalls hat als Ministerin bislang schon viel geleistet. Stolz erzählt sie, eine ihrer ersten Amtshandlungen sei gewesen, das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ zu entfristen, welches jährlich Steuergelder von über 115 Millionen Euro verschlingt. Verteidigt werden damit Werte, auf denen „ein gutes und solidarisches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Überzeugung beruht“, man bekämpft „Menschen- und Demokratiefeindlichkeit“.

„Landesdemokratiezentren“ leisten entsprechende Arbeit. Im Herbst versprach die Ministerin, 14 bundesweite „Kompetenzzentren zu bilden, um bei Rechtsextremismus, Antisemitismus und anderen Formen des Extremismus“ noch besser vorgehen zu können. Existent sind derzeit „Kompetenzzentren- und Netzwerke“ wie „Rassismus gegen Schwarze Menschen“, „Islam- und Muslimfeindlichkeit“ und natürlich „Rechtsextremismus“. Zum „Netzwerk“ des Letzteren gehört unter anderem die „Amadeu Antonio Stiftung“, die bekanntlich eher ein Fall für ein „Kompetenzzentrum“ für linken Extremismus wäre.

Welche politische Rolle Frau Giffey in Zukunft auch spielen mag – man kann sicher sein, dass sie auch weiterhin keine Ausgabe für die Demokratie scheut. Zumindest auf der Grundlage ihres Demokratieverständnisses.