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07.02.20 / Bargeld / Münzen und Scheine sind weit mehr als nur Zahlungsmittel / Einflussreiche Kreise arbeiten emsig an der Abschaffung des Barzahlens. Es wäre ein historischer Bruch, mit dem uns auch ein uraltes Kulturgut verlorenginge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06 vom 07. Februar 2020

Bargeld
Münzen und Scheine sind weit mehr als nur Zahlungsmittel
Einflussreiche Kreise arbeiten emsig an der Abschaffung des Barzahlens. Es wäre ein historischer Bruch, mit dem uns auch ein uraltes Kulturgut verlorenginge
Wolfgang Kaufmann

Es gibt viele gute Gründe, am Bargeld festzuhalten. Münzen und Scheine garantieren mehr individuelle Autonomie, weil ihr Besitzer weniger von Banken oder technischen Geräten abhängig ist. Bargeld verhindert ein Übermaß an Überwachung und Kontrolle, da der Bezahlvorgang keine elektronischen Spuren hinterlässt. Und es ist physisch vorhanden, was verhindert, dass es sich wie ein Guthaben in der virtuellen Welt einfach in Nichts auflösen kann. Zudem bietet es bislang einen gewissen Schutz gegen nominale Negativzinsen.

Außerdem verleiht Bargeld dem Menschen eine deutlich bessere Kontrolle über sein Konsumverhalten. Wissenschaftler wie Kai-Markus Müller von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in München haben herausgefunden, dass bei der Verwendung von Bargeld anders als beim bargeldlosen Kauf das Schmerzzentrum im Gehirn stimuliert wird, woraus mehr Vorsicht beim Einsatz des Zahlungsmittels resultiert.

Aber dies ist noch nicht alles! Das Bargeld gehört auch zu den wichtigsten Erfindungen unserer Spezies und ist damit ebenso ein Kulturgut allerersten Ranges wie die Schrift. Ohne die Einführung von real vorhandenem Geld, welches die 

Abkehr vom traditionellen Tauschhandel ermöglichte, weil es als universelles Äquivalent für Waren und Dienstleistungen aller Art daherkommt, hätte die Entwicklung der Menschheit stagniert. Und das keineswegs nur in wirtschaftlicher Hinsicht, denn durch die Existenz des Geldes wurden nun auch andere soziale Interaktionen als zuvor möglich. Wo Geld fließen konnte, da musste im Konfliktfall nicht mehr unbedingt Blut fließen. Daher ist es mit Sicherheit kein Zufall, dass im 1. Jahrtausend v. Chr. in unterschiedlichen Kulturen an unterschiedlichen Stellen des Globus unabhängig voneinander Bargeld eingeführt wurde.

Eine der wichtigsten Erfindungen

Dieses prägt seither unser Leben und begleitet nahezu jede Handlung vom edlen uneigennützigen Spenden für einen guten Zweck bis hin zur profanen Verrichtung der Notdurft. Und es verbindet das Heute mit der Vergangenheit. Um wie viel ärmer wäre unser Wissen über die Antike oder das Mittelalter, gäbe es nicht unzählige Münzen aus jenen Zeiten? Wir hätten keine Ahnung von der Existenz mancher römischen Kaiser oder dem Aussehen vieler Herrscher der Antike. Wir wüssten deutlich weniger über die Gebräuche und Mythen der alten Griechen, wenn es nicht deren wundervolle Tetradrachmen gäbe, die durch eine Fülle von bildlichen Details in die damalige Welt entführen. Und es fiele uns auch schwer, die Entwicklung der großen Religionen zu rekonstruieren, wären deren Insignien nicht auf Münzen aufgetaucht, welche sich zeitlich einordnen lassen. Würde das Bargeld jetzt und hier abgeschafft, drohte unserer Gesellschaft ein Stück weit der Fall in die Geschichtslosigkeit, sobald die virtuellen Transaktionen gelöscht sind.

Ebenso tragen Münzen und Scheine dazu bei, den geographischen Horizont zu erweitern. Bargeld aus aller Herren Länder macht erfahrbar, wie groß und vielgestaltig die Welt ist. Eine Überweisung aus Übersee erfüllt mit Sicherheit nicht den gleichen Erkenntniszweck wie der Umgang mit realen „exotischen“ Zahlungsmitteln. Selbst ökonomische Zusammenhänge werden greifbarer, wenn man einen 100-Billionen-Dollar-Schein aus Simbabwe oder deutsches Inflationsgeld von 1923 in der Hand hält und über die „Kaufkraft“ dieser Banknoten nachsinnt. Oder nehmen wir den spürbaren physischen Unterschied zwischen einem guten alten D-Mark-Stück und den „Aluchips“ aus der DDR, denen jeder anmerken konnte, dass es sich hier um eine Währung zweiter Klasse handelte.

Bargeld fördert außerdem die nationale Integration: In dem Bereich, wo es gilt, sitzt man nicht nur ökonomisch, sondern auch mental und sozial in einem Boot. Deshalb erfuhren die Scheine und Münzen manchmal sogar quasireligiöse Verehrung. In Japan, wo der Nationalstolz schon immer recht ausgeprägt war, kann die mutwillige Beschädigung des landeseigenen Bargeldes noch heute mit Haft von bis zu einem Jahr bestraft werden. 

Besonders wichtig ist das Bargeld von der kleinsten Münze bis zum größten Schein für die Akzeptanz von Währungen: Nur, wenn der Mensch über einen sensorisch wahrnehmbaren Beleg für die Existenz von staatlicherseits ausgegebenem Geld verfügt, hält er dieses für vollkommen real. Anders ausgedrückt: Das Vertrauen in virtuelles Geld wird niemals so hoch sein wie in Zahlungsmittel, die man sehen, anfassen, riechen und klimpern lassen kann.

Münzen erzählen Geschichte

Aus all den genannten Gründen wenden sich nicht nur Verbraucherschützer, konservative Politiker und besorgte Ökonomen gegen die Abschaffung des Bargeldes, sondern auch Philosophen, Psychologen und Kulturwissenschaftler. Bei der kompletten Durchsetzung von bargeldloser Zahlung würden wir alle kulturell verarmen – unabhängig davon, welche negativen Folgen das Verschwinden von Scheinen und Münzen sonst noch hätte. 

Seelenlos-vergängliche Papierschnipsel namens Bon oder ausgedruckte Kontoauszüge wären in der Regel die einzigen physischen Zeugen unserer Währung. Wie sollen dann aber Kinder den Wert des Geldes beziehungsweise Sparens erfahren, wenn es kein Keramikschwein mehr gibt, das durch geduldiges „Füttern“ schwerer und schwerer wird? Und keinen weihnachtlichen Geldschein von der Oma, den der Enkel hütet und auf diese Weise lernt, nicht augenblicklich jedem aufkommenden Kaufimpuls nachzugeben. Manche Kritiker des digitalen Fortschrittswahns bauen daher vor und bereiten sich auf die Zeit nach einer von oben oktroyierten Abschaffung des Bargeldes vor, indem sie Ersatzwährungen kreieren, welche derzeit noch vor allem als lokale Zahlungsmittel dienen. 

Etwa die BerkShares, die seit 2006 in der Berkshire-Region von Massachusetts kursieren und sich dort großer Beliebtheit erfreuen. Das Ganze hat natürlich noch experimentellen Charakter, demonstriert aber, dass das Misstrauen in den Staat und seine Geldpolitik nicht nur zum Rückfall in die eher primitive Tauschwirtschaft, sondern auch zur Kreation neuer Formen von universell einsetzbaren Zahlungsmitteln führen kann.