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07.02.20 / Persönlichkeiten / Georg Friedrich Henning – Pionier der Pharmazie / Seine Schilddrüsenpräparate genießen nach wie vor Weltruf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06 vom 07. Februar 2020

Persönlichkeiten
Georg Friedrich Henning – Pionier der Pharmazie
Seine Schilddrüsenpräparate genießen nach wie vor Weltruf
Martin Stolzenau

Georg Friedrich Henning stammte aus dem Kreis Cammin in Pommern, erlangte als Chemiker, Pharmazeut und Unternehmer deutsche Bekanntheit und erreichte auch über seinen Tod vor 75 Jahren hinaus bis in die Gegenwart mit einigen Verfahrensentwicklungen eine große Nachwirkung. Das reicht von der Nutzung von Hexogen als militärischer Explosivstoff über die Therapierung von Herz- und Kreislauferkrankungen bis zur Schilddrüsendiagnostik und -therapie. In diesen Bereichen vollbrachte der Mann aus Pommern Pionierleistungen, dessen Name allerdings heute nur noch wenigen Fachleuten ein Begriff ist. Selbst in Pommern scheint Henning vergessen.

Georg Friedrich Henning wurde am 15. Oktober 1863 in Wietstock geboren. Das kleine Gutsdorf mit dem Rittergut der Eltern lag im Kreis Cammin in Pommern. Cammin hat eine lange Geschichte. Der Ort in Hinterpommern am Camminer Bodden entwickelte sich aus einem slawischen Burgwall und wurde 1124 erstmals urkundlich erwähnt, als Bischof Otto von Bamberg hier Slawen taufte. Anschließend gedieh Cammin zur Residenz des Pommernherzogs Wartislaw I. und zum Sitz der Bischöfe von Cammin, die im Spätmittelalter über ein riesiges Bistum geboten, das bis zur Uckermark reichte und neben den Pommernherzögen im Norden als Machtfaktor überliefert ist. 1650 allerdings verzichtete Herzog Ernst Bogislaw von Croy als letzter Titularbischof zugunsten Kurbrandenburgs auf seine Camminer Rechte. So fiel Cammin an den Großen Kurfürsten, fungierte in der Folge als Kreisstadt der preußischen Provinz Pommern und nach der Entdeckung einer Solequelle 1882 auch als Kurort. Hier wuchs Henning auf. Nach erster Unterrichtung durch Privatlehrer im elterlichen Gutshaus besuchte er nacheinander die Domschule in Cammin und dann das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Stettin. Doch wegen der Verschuldung des elterlichen Gutes musste der Junge vor dem Abitur das Gymnasium verlassen und begann eine Apothekerlehre. Er besuchte nebenher eine Abendschule, legte das Abitur nachträglich ab und studierte anschließend nacheinander an der TH Darmstadt und der Universität Berlin Pharmazie und Chemie. Henning ging nun seinen Weg, wurde 1888 als Apotheker approbiert und 1890 an der Universität Erlangen zum Dr. phil. promoviert. 

Lokalanästetikum, Thyroxin Henning, Herzpräparate – alles von Henning entwickelt. Auch patentierte er die Herstellung eines der brisantesten und wichtigsten Sprengstoffe


Nach kurzer Tätigkeit am Institut für Sprengstoffuntersuchungen in Berlin- Spandau, das sich dann zum Militärversuchsamt entwickelte, machte sich der junge Doktor aus Pommern selbstständig und gründete 1892 in Berlin ein Laboratorium. Nun ging es Schlag auf Schlag. Henning brachte bald ein Lokalanästhetikum auf den Markt. Das war seine erste aufsehenerregende Erfindung, die bis in die Gegenwart Anwendung findet. Es folgte die Entwicklung von Hexogen (RDX / T4), das als Explosivstoff weltweite Verbreitung fand und ihm auf der Grundlage des DRP-Patents Nr. 104289 volle Kassen bescherte. Das ermöglichte ihm weitere Forschungen und die Gründung der „Chemischen und Pharmazeutischen Fabrikation Dr. Georg Henning Berlin“ im Jahre 1913. Das Unternehmen wuchs mit den Erfolgen und gedieh zu einer deutschlandweit „führenden Produktionsstätte organotherapeutischer Arzneimittel“. Aus der diesbezüglichen Produktpalette ragte seit 1926 „Thyroxin Henning“ hervor. Das war ein Mittel zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen, fand ebenfalls internationale Verbreitung und wird in einer weiterentwickelten Zusammensetzung bis heute angewendet. Dazu gesellten sich Medikamente zur Therapierung von Herzleiden und Kreislauferkrankungen. Ab 1929 gab es eine Zusammenarbeit mit einem polnisch-jüdischen Pharmaunternehmen in Lemberg, das dann während des Krieges bis 1944 unter seiner Regie produzierte und für zusätzlichen Gewinn sorgte.  

Bei Kriegsende schloss sich für den erfolgreichen Forscher, Erfinder und Unternehmer der Lebenskreis. Er starb am 21. Februar 1945 in Berlin, wenige Wochen vor dem Angriff der Roten Arme auf Berlin. Seine letzte Ruhe fand Henning in der Familiengrabstätte auf dem Friedhof in der Friedensstraße in Berlin-Wannsee.

Seine Nachkommen besorgten danach den Wiederaufbau der Henning-Firma in Berlin, stellten die Schilddrüsenpräparate in den Mittelpunkt und wurden 1996 zu einem Bestandteil des Sanofi-Konzerns.