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07.02.20 / Sonderausstellung „Adieu Plastiktüte!“ / Einwegprodukte im Jagdschloss / Museum der Alltagskultur widmet sich dem verfemten Billigartikel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06 vom 07. Februar 2020

Sonderausstellung „Adieu Plastiktüte!“
Einwegprodukte im Jagdschloss
Museum der Alltagskultur widmet sich dem verfemten Billigartikel
Helga Schnehagen

Sie waren in der Minderheit, aber sie gab es: Menschen, die mit einem Einkaufsbeutel aus Stoff oder Nylon unterwegs waren. Oft wurden sie belächelt. Die meisten benutzten sorglos die moderne Variante: Einweg-Plastiktüten. Für ein paar Cent werden sie immer noch in Geschäften vergeben. Bald wird ihre Ära jedoch zu Ende sein. Zumindest im deutschsprachigen Raum. 

Seit 1965, also rund fünfeinhalb Jahrzehnte, gehörten die bunt bedruckten Tüten aus Polyethylen oder Polypropylen zum Alltag. Jetzt, kurz vor ihrem Aus, hat das Markenzeichen der Wirtschaftswunderzeit, der Werbe- und Imageträger  Museumsreife erreicht. Und man muss kein Prophet sein, um dem Einkaufsbeutel eine Renaissance vorauszusagen.

Die Sonderausstellung „Adieu Plastiktüte!“ bildet einen letzten Höhepunkt im Jubiläumsjahr zum 30-jährigen Bestehen des Museums der Alltagskultur Schloss Waldenbuch, des größten volkskundlichen Museums im deutschsprachigen Raum. Das ehemalige Jagdschloss der Herzöge von Württemberg ist ein wahrlich ungewöhnlicher Ort, um ausgerechnet im Alltäglichen das Besondere zu entdecken. Doch der Abgesang auf die „moderne“ Errungenschaft passt dann doch wieder recht gut. 

Genaue Informationen über den unheilvollen Plastikmüll sammelt hier noch einmal ein „Plastiktütenwiki“. Dort erfährt man auch, dass ein Tiefseetaucher im pazifischen Marianengraben selbst in einer Meerestiefe von 10 928 Metern eine Plastiktüte fand.

1100 Tüten in neun Hängungen

Die Ausstellung basiert auf geschätzt 50 000 Tüten von zwei Sammlern. Ihre Sichtung, Einordnung und Bewertung ist dabei ein laufender Prozess. Über die Laufzeit bis zum 3. Juli folgen neun Hängungen aufeinander, die jeweils auf sechs Themenfeldern etwa 20 Tüten zeigen. So kommen insgesamt etwa 1100 Tüten in die Ausstellung. Von den Kuratoren ausgewählte Höhepunkte mit originellen Motiven und Schöpfungen bekannter Grafikdesigner erhalten dabei einen Ehrenplatz. Man kann gespannt sein, wer schlussendlich der Favorit wird.

Anspruchsvoller noch als die Katalogisierung ist die Einlagerung der Sammlung. Während in der Umwelt die lange Verfallzeit von Plastik eines der größten Probleme darstellt, geht es im Museum umgekehrt darum, Objekte so zu verwahren, dass sie schadlos viele Generationen überstehen. 

Man mag es kaum glauben, aber aus konservatorischer Sicht wird eine Plastiktüte behandelt wie ein Ölgemälde. Das Museum hat dafür bereits vor Jahren geeignete Depoträume in einem trockenen Gewölbekeller geschaffen. Dunkel und kühl lagern dort die Sammlungsobjekte des Kunststoffzeitalters. Eine zweite Methode zur Archivierung ist die Digitalisierung, bei der ausgewählte Tüten für eine Bilddatenbank gescannt werden. Allerdings sind auch digitale Bilder nicht unvergänglich.

Schloss Waldenbuch, Kirchgasse 3, 71111 Waldenbuch (Landkreis Böblingen), geöffnet Dienstag bis Sonnabend von 10 bis 17, sonntags bis 18 Uhr, Eintritt frei. museum-der-alltagskultur.de 

Fotos: Pressefotos zum Herunterladen auf der Website des Landesmuseums Württemberg im Bereich „Presse“: landesmuseum-stuttgart.de, Login: meisterwerke