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14.02.20 / Direkte Demokratie Vor dem Hintergrund der Thüringer Ereignisse kam unter anderem die Idee auf, die Bürger stärker unmittelbar an der politischen Willensbildung zu beteiligen / Eine Option mit Hindernissen / Die Hürden für Volksentscheide sind in Deutschland traditionell sehr hoch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07 vom 14. Februar 2020

Direkte Demokratie Vor dem Hintergrund der Thüringer Ereignisse kam unter anderem die Idee auf, die Bürger stärker unmittelbar an der politischen Willensbildung zu beteiligen
Eine Option mit Hindernissen
Die Hürden für Volksentscheide sind in Deutschland traditionell sehr hoch
Dirk Pelster

Wer in Deutschland ein Volksbegehren einleiten möchte, der steht vor einer nahezu unbezwingbaren Aufgabe. Zumeist muss er eine riesige Zahl von Unterstützungsunterschriften innerhalb eines sehr kurz bemessenen Zeitraums sammeln. In einigen Bundesländern reicht es dabei nicht aus, von Tür zu Tür zu ziehen, um sich von seinen Nachbarn ein Formblatt mit dem Antragstext gegenzeichnen zu lassen, sondern die Unterschriften müssen auf einer Amtsstube geleistet werden. Entsprechend gering fällt die Bereitschaft der Mitbürger aus, sich derartigen Mühen zu unterziehen. Sollte das Vorhaben dauerhaft Haushaltsmittel binden, so muss weiterhin ein Plan vorgelegt werden, der ausweist, an welchen Stellen Kosten eingespart werden, um das Projekt zu finanzieren. Ein solcher Aufwand kann allenfalls auf kommunaler Ebene oder von extrem großen Organisationen erfolgreich geleistet werden. Gelingt dies ausnahmsweise, so sehen die Vorschriften zur Volksgesetzgebung in den einzelnen Bundesländern zumeist noch vor, dass bei einem anschließenden Volksentscheid ein bestimmtes Quorum der abgegebenen Stimmen erreicht wird. Dies ist ebenfalls schwierig, denn nicht jeder Bürger interessiert sich in gleichem Maße für die zur Abstimmung gestellte Frage. Jemand, der selbst in Bielefeld lebt, nimmt möglicherweise nur geringen Anteil daran, dass in der Eifel ein Naturschutzgebiet ausgewiesen werden soll.

Formale Hürden

Neben diesen bewusst hochgehängten formalen Hürden gibt es jedoch noch weitere Hindernisse, um eine Beteiligung der Bürger niedrig zu halten. Im föderativen Staatsaufbau der Bundesrepublik berühren wichtige politische Fragen in der Regel nicht nur das Land, in dem die Abstimmung erfolgen soll. Als die Berliner Initiative zum Weiterbetrieb des Flughafens Tegel das formale Verfahren erfolgreich durchlaufen hatte, verkauften die Politiker in Bund und Ländern den verdutzten Berlinern, dass eine Schließung ihres beliebten Flughafens trotz des beeindruckenden Ergebnisses des entgegenstehenden Referendums dennoch erforderlich sei, da entsprechende Vereinbarungen mit dem Bund und dem Land Brandenburg eine Abwicklung des Verkehrsknotenpunkts verlangten, sobald der Flughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ in Schönefeld irgendwann einmal seine Pforten öffnen sollte. 

Ähnliches erlebten die Schweizer, die in einer Volksabstimmung im Jahr 2010 für die Ausschaffung, sprich Abschiebung, krimineller Ausländer votierten. Obwohl die Eidgenossen nicht in der EU sind, traten die Brüsseler Kommissare auf den Plan und drohten erfolgreich damit, das mit der Schweiz geschlossene Abkommen über die Personenfreizügigkeit gänzlich zu kündigen. Die Drohung war erfolgreich und der Ausschaffungsinitiative deshalb nur ein Teilerfolg beschieden. Noch heute kann die Schweiz straffällig gewordene EU-Bürger nicht einfach ausweisen, ohne damit gegen ein internationales Abkommen zu verstoßen.

Verträge wider den Bürgerwillen

Im EU-Mitglied Bundesrepublik ist die Abhängigkeit von Brüssel umso größer. Der größte Teil der im Bundestag verabschiedeten Gesetze besteht heute schon nur noch aus der Umsetzung Brüsseler Vorgaben. Es wird sich daher bei fast jeder wichtigen politischen Frage eine EU-Richtlinie finden, die einem Volksbegehren entgegensteht und über das folglich nach EU-Recht gar nicht erst abgestimmt werden darf.





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