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14.02.20 / Justiz in der Krise / Tausende Verfahren einfach eingestellt / Immer mehr Tatverdächtige entgehen einem Urteil, weil das Personal für ein Verfahren fehlt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07 vom 14. Februar 2020

Justiz in der Krise
Tausende Verfahren einfach eingestellt
Immer mehr Tatverdächtige entgehen einem Urteil, weil das Personal für ein Verfahren fehlt
Norman Hanert

Nachdem Polizisten, Rettungskräfte und Mandatsträger immer öfter zum Opfer von Gewalt werden, beklagt auch die Politik eine zunehmende Verrohrung der Gesellschaft und verspricht ein Gegensteuern. Neue Daten aus Berlin zeigen allerdings, dass ausgerechnet bei Rohheitsdelikten die Strafverfahren immer öfter eingestellt wurden.

Aus einer Antwort der Senatsverwaltung für Justiz auf eine parlamentarische Anfrage des FDP-Innenexperten Marcel Luthe geht hervor, das von 2015 bis 2019 die Zahl der Verfahren gegen namentlich bekannte Tatverdächtige von 157 675 auf 174 345 im vergangenen Jahr gestiegen ist. Laut den Angaben der Justizverwaltung nahm zudem die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter von 63 681 auf 95 879 stark zu. 

Erstaunlicherweise aber sank die Zahl der Anklagen im selben Zeitraum von 26 322 auf nur noch 25 074. Bemerkenswert ist hierbei die Antwort der Senatsverwaltung für Justiz auf die Frage, bei welchen Deliktgruppen im vergangenen Jahr die Verfahren eingestellt wurden: In 17 400 Fällen handelte es sich um Vermögens- und Fälschungsdelikte, Urkundenfälschung, Geld- und Wertzeichenfälschung. In etwa 8300 eingestellten Verfahren war zu Rohheitsdelikten und Straftaten gegen die persönliche Freiheit ermittelt worden. Weitere 10 000 Verfahrenseinstellungen betrafen „Sonstige Delikte des Strafgesetzbuches“.

Selbst Rohheitsdelikte ungesühnt

Luthe sieht diese Daten als Beleg für die höhere Belastung von Polizei, Staatsanwaltschaften und auch der Gerichte in Berlin. Diese müssten aus Sicht des FDP-Politikers statt durch ein „tröpfchenweises“ Umsteuern durch massive Investitionen gestärkt werden. Tatsächlich steht das gesamte deutsche Justizsystem durch die bevorstehende Pensionierungswelle der Baby-Boomer-Generation vor einem massiven Personalproblem. 

Holger Pröbstel, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds in Thüringen, wies bereits vergangenes Jahr darauf hin, dass bis 2031 bundesweit rund 40 Prozent aller Richter und Staatsanwälte in den Ruhestand gingen. In den östlichen Bundesländern würden bis 2031 sogar fast zwei Drittel des gesamten Personals aller Richter und Staatsanwälte in den Ruhestand gehen. In Pension geht hier eine ganze Generation von Juristen, die nach 1990 das Justizsystems in den neuen Bundesländern aufgebaut haben.

Wie dünn die Personaldecke schon jetzt ist, wird in Brandenburg deutlich. Dort nannte Justizministerin Susanne Hoffmann (parteilos) unlängst im Landtag die Zahl von 746 Richtern, die derzeit an Brandenburgs Gerichten arbeiteten. Da der tatsächliche Personalbedarf mit 850 Richterstellen angegeben wird, bedeutet die genannte Zahl, dass derzeit mehr als 100 Richter allein in Brandenburg fehlen. Das Beispiel der erst im Herbst auf Vorschlag der CDU neu ins Amt gekommenen Justizministerin macht zudem deutlich, wie prekär die Lage insbesondere bei Spitzenpersonal ist: Die Verwaltungsjuristin Hoffmann hatte erst im Juni 2019 die Nachfolge des verstorbenen Generalstaatsanwaltes Erardo C. Rautenberg übernommen. Mit der Ernennung der 60-Jährigen zur Justizministerin ist der Posten des Chefanklägers in Brandenburg seit November erneut unbesetzt. Schon die Nachfolgeregelung für den langjährigen Generalstaatsanwalt Rautenberg hatte sich fast ein Jahr hingezogen. In Brandenburg ist der Chefankläger für die vier Staatsanwaltschaften in Potsdam, Cottbus, Neuruppin und Frankfurt (Oder) zuständig.

Spitzenposten unbesetzt

Die für den östlichen Teil des Bundeslandes zuständige Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) hat derzeit einen besonders dreisten Fall von Diebstahl auf den Tisch bekommen: Bislang unbekannte Tatverdächtige hatten Anfang Februar im Ort Peitz (Landkreis Spree-Neiße) ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges gestohlen. Die entwendete Hohlgussstatue bringt es auf mehrere Zentner Gewicht und ist etwa 3,50 Meter breit und 3,20 Meter hoch. Polizeibeamten konnten das Denkmal mittlerweile, verstaut in einem Fahrzeug und mit diversen Beschädigungen, in Peitz sicherstellen. Von den Metalldieben fehlt bislang jede Spur.

Inzwischen werden auch von den Schutzzäunen, die entlang von Oder und Neiße gegen die Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest aufgestellt wurden, Beschädigungen und Diebstähle gemeldet. Nachdem östlich der Grenze infizierte Wildschweine aufgetaucht waren, hatte die Landesregierung in den Kreisen Spree-Neiße, Oder-Spree und im Stadtgebiet von Frankfurt (Oder) über eine Länge von 120 Kilometern mobile elektrische Drahtzäune aufbauen lassen. Erste Beschädigungen wurden bereits kurz nach der Fertigstellung des Zauns gemeldet. Aus Frankfurt (Oder) wurde nun zudem berichtet, unbekannte Metalldiebe hätten Kabelmaterial und auch ein Stromgerät abmontiert.