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21.02.20 / Kapp-Lüttwitz-Putsch / Die Konterrevolution erlosch nach nur fünf Tagen / Die Marinebrigade Ehrhardt marschierte nach Berlin – und die Reichsregierung flüchtete nach Stuttgart

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08 vom 21. Februar 2020

Kapp-Lüttwitz-Putsch
Die Konterrevolution erlosch nach nur fünf Tagen
Die Marinebrigade Ehrhardt marschierte nach Berlin – und die Reichsregierung flüchtete nach Stuttgart
Klaus J. Groth

Der Kapp-Lüttwitz-Putsch am 13. März 1920 ist abgestempelt: erster rechts-reaktionärer Aufstand gegen die Republik von Weimar. Auf die Initiatoren trifft der Versuch einer Konterrevolution zu. Aber auch auf das Fußvolk der Revolte? Männer ohne Zukunft waren das, ohne Perspektive. Der Frieden von Versailles hatte die drastische Dezimierung der deutschen Streitkräfte verfügt. Hunderttausende von Berufssoldaten hatten ihre Aufgabe verloren. 

Von 400 000 Mann der Reichswehr sollten beim Heer noch 100 000 bleiben, bei der Marine 15 000. Der Vertrag trat am 10. Januar 1920 in Kraft. Am 29. Februar ordnete Reichswehrminister Gustav Noske an, die Marinebrigade Ehrhardt aufzulösen. Es war eine Anordnung wie viele andere zur gleichen Zeit. Sie aber war der Zündfunke für den Aufstand.

Die Marinebrigade Ehrhardt war gebildet worden, als während der Novemberunruhen 1918 in Wilhelmshaven kommunistische Putschisten die Filiale der Reichsbank ausraubten, sich in einer Kaserne verschanzten und die sozialistische Räterepublik ausriefen. 300 Offiziere und Berufssoldaten der früheren Kaiserlichen Marine stürmten die Kaserne, angeführt von Korvettenkapitän Hermann Ehrhardt. Es war der erste Auftritt der Marinebrigade Ehrhardt. 

Generalstreik

Die in Wilhelmshaven gemachten Erfahrungen veranlassten die Reichsregierung, freiwillige Truppen, Freikorps, gegen die überall entstehenden Räterepubliken aufzustellen. Wilhelmshaven als Reichskriegshafen war dazu ein gutes Pflaster, es war voll von Soldaten ohne Zukunft. Die Freiwilligen wurden über Zeitungsanzeigen rekrutiert zur „Verhütung innerer Unruhen“. Ehrhardt erhielt den Auftrag, eine Gruppe zusammenzustellen. Sie trat an als „2. Marinebrigade Wilhelmshaven“. Im gesamten Reich sollte sie als mobile Einheit eingesetzt werden. 

Und es gab reichlich zu tun. Das Freikorps verhinderte in Braunschweig das Entstehen einer Räterepublik. An der Niederschlagung der bereits bestehenden Räterepublik in München war es beteiligt. Bei den dortigen Straßenkämpfen starben mehr als 1000 Menschen. Verlegt nach Oberschlesien, sicherte die Brigade die vorläufige Grenze gegenüber Polen. Im November 1919 wurde das Freikorps in Döberitz nahe Berlin stationiert. Die Marinebrigade Ehrhardt galt als Eliteeinheit, stand aber im Ruf, republikfeindlich zu sein. Seit Sommer 1919 gab es Überlegungen, das Freikorps aufzulösen. 

Den entsprechenden Beschluss erließ Reichswehrminister Noske am 29. Februar 1920. Er stieß damit auf heftigen Widerstand bei den Kommandeuren der Freikorps. Als einen Tag nach der Verfügung Noskes die Brigade Ehrhardt zu einer großen Parade aufmarschierte, wetterte Walther von Lüttwitz: „Ich werde nicht dulden, dass mir eine solche Kerntruppe in einer so gewitterschwülen Zeit zerschlagen wird.“ Der General der Infanterie, den am 28. Dezember 1918 die revolutionäre Übergangsregierung, der Rat der Volksbeauftragten, zum Oberbefehlshaber in den Marken ernannt hatte und dem im Mai 1919 für den Konfliktfall alle militärischen Truppen im Reich unterstellt worden waren, war der Anführer des Widerstandes, dabei kräftig unterstützt vom vormaligen Ersten Generalquartiermeister Erich Ludendorff. 

Um die Freikorps-Auflösung politisch zu verhindern, nahm Lüttwitz Kontakt zu konservativen Parteien auf, drohte mit einem Putsch. Gleichzeitig verlangte er vergeblich von Reichspräsident Friedrich Ebert die Rücknahme des Befehls, die Auflösung des Reichstages und Neuwahlen. Stattdessen forderte Ebert den General zum Rücktritt binnen 24 Stunden auf. 

Das tat Lüttwitz nicht. Er gab vielmehr der Brigade Ehrhardt den Befehl zum Marsch auf Berlin und informierte seine Mitverschwörer der „Nationalen Vereinigung“, eine mit Ludendorffs Unterstützung im Oktober 1919 gegründete rechtsgerichtete, antirepublikanische Organisation. Dazu gehörte der Generallandschaftsdirektor in Königsberg, Wolfgang Kapp. Der Verwaltungsbeamte war nach dem Umsturz als Reichspräsident und preußischer Ministerpräsident vorgesehen. Ebenfalls dabei war Hauptmann Waldemar Papst, der als Anführer eines Freikorps bei der Niederschlagung des Spartakusaufstandes die Hinrichtung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts befohlen hatte. 

Passiver Beamten-Widerstand

Als das Gerücht eines bevorstehenden Putsches Berlin erreichte, forderte Noske drei Regimenter der Sicherheitspolizei und der Reichswehr an. Doch die Offiziere verweigerten den Gehorsam. 

Die Brigade Ehrhardt marschierte in der Nacht zum 13. März feldmarschmäßig auf Berlin. Die Regierung unter Reichskanzler Gustav Bauer entschloss sich, zu fliehen. Gleichzeitig rief sie zu einem Generalstreik auf. Als der Morgen anbrach, flüchteten die Minister in Autos, die im Hof bereitgestanden hatten. Es war im letzten Augenblick, die Brigade Ehrhardt marschierte bereits durch das Brandenburger Tor. Noch am selben Tag erklärte Kapp die von der Weimarer Koalition gestellte Regierung für abgesetzt und sich selbst für eingesetzt. 

Erste Zuflucht suchte die Regierung Bauer in Dresden, doch dort gab es eine Anweisung aus Berlin, sie in „Schutzhaft“ zu nehmen. Die Regierung floh weiter nach Stuttgart. In Berlin lehnte der Chef des Truppenamtes, Hans von Seeckt, den Einsatz von Truppen gegen die Putschisten ab: „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr.“ 

Während sich die Reichswehrführung indifferent bis neutral verhielt, brachten Gewerkschaften und Beamtenschaft den Putsch zum Scheitern. Dabei hängt es nicht zuletzt vom politischen Standpunkt des Betrachters ab, ob er das Scheitern eher auf den von den Gewerkschaften ausgerufenen Generalstreik oder auf die Loyalität der Beamtenschaft gegenüber der Weimarer Verfassung zurückführt. 

Bereits am ersten Putschtag setzte der Generalstreik ein. Es kam zu Straßenkämpfen zwischen Putschisten und Arbeitern. Der Streik breitete sich von Berlin aus und legte die Republik lahm. Gas, Wasser und Elektrizität fielen aus, Busse und Bahnen fuhren nicht mehr, Fabriken standen flächendeckend still. 

Als Kapp und Lüttwitz um 7 Uhr morgens in die Reichskanzlei einzogen, hatten die Beamten bereits mit den Staatssiegeln das Gebäude verlassen. Für Kapps Deklarationen fanden sich im Haus weder Schreibmaschinen noch Sekretärinnen zu deren Bedienung. So sahen sich die Putschisten gezwungen, in einem nahegelegenen Geschäft eine Schreibmaschine zu beschlagnahmen, auf der dann Kapps Tochter höchstpersönlich die Texte ihres Vaters tippte. Und die Verwaltung der Reichsbank-Hauptkasse weigerte sich, Sold an die Putschisten auszuzahlen. 

Bald schon sahen die Putschisten ein, dass sie auf verlorenem Posten standen. Am 17. März trat erst am Morgen Kapp und am Abend dessen Nachfolger Lüttwitz als Regierungschef zurück. Der Putsch war zu Ende.

Dessen Namensgeber konnten ins Ausland fliehen. Kapp wurde 1922 von Schweden ausgeliefert und starb noch im selben Jahr kurz vor seinem anstehenden Prozess nach einer Krebsoperation. Lüttwitz kehrte nach einer vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg erlassenen Amnestie 1925 aus ungarischem Exil in seine Heimatprovinz zurück, in deren Hauptstadt er 1942 starb.