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21.02.20 / Autorenlesung im Kopernikushaus / „Diese Jahre, diese Leute“ / Wie polnische Bildungseinrichtungen nach dem Kriegsende versuchten, aus Deutschen Polen zu machen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08 vom 21. Februar 2020

Autorenlesung im Kopernikushaus
„Diese Jahre, diese Leute“
Wie polnische Bildungseinrichtungen nach dem Kriegsende versuchten, aus Deutschen Polen zu machen
Dawid Kazanski

„Schade, dass wir das hiesige Erbe, an das wir uns erinnern sollten, nicht mehr pflegen. (...) Heute können wir nur die Krümel der Geschichte sammeln…”, mit diesen Worten bezog sich Joanna Wankowska-Sobiesiak auf das allmählich in Vergessenheit geratende Kulturerbe Ostpreußens und die Lebensgeschichten von Menschen, die Augenzeugen vieler bedeutenden Vor- sowie Nachkriegsereignisse waren. Seit mehreren Jahren konzentriert sich die Journalistin auf die vielfältige, oft unterschätzte Kulturlandschaft Ostpreußens, die sie vor dem Vergessen bewahren will. Auf diese Weise entstanden die Bücher „Agathes Schuhe“ oder „Einsame fremde Kinder”. 

Im Haus Kopernikus stellte Wankowska-Sobiesiak ihr neues Buch „Diese Jahre, diese Leute” vor, in dessen Mittelpunkt zwei Bildungseinrichtungen standen: die Masurische Volksuniversität und die Ermländische Volksuniversität. Die nach dem Zweiten Weltkrieg in Waldheim und Georgenthalermühle gegründeten Schulen hatten die Aufgabe, aus jungen, heimatverbliebenen Deutschen Polen zu machen und somit auf das Leben in der neuen, polnischen Wirklichkeit vorzubereiten. 

Obwohl sich die Veröffentlichung aus inhaltsreichen Teilen zusammensetzt, in denen die Autorin aufgrund einer mühsamen Archivarbeit die Gründung, Entwicklung und Schließung der Bildungsstätten detailliert beschreibt, unterstrich sie, dass sie sich vor allem für die Erinnerungen der Absolventen von MVU und EVU interessiert habe. So erfahren die Leser, wie die damaligen Schüler aus der gegenwärtigen Perspektive den Aufenthalt und die Bildung an den Volksunis beurteilen und welche Rolle die dort verbrachten Jahre in ihrem Leben gespielt hatten. 

Wankowska-Sobiesiaks Hauptanliegen war dabei, über Gespräche, abgesehen von der kommunistischen Propaganda herauszufinden, inwieweit die didaktischen wie auch erzieherischen Prozesse die ostpreußische Jugend tatsächlich polonisiert hatten. Die Journalistin interviewte vier Personen und zog eine nüchterne, ehrliche Bilanz. Die Teilnehmer eines der Kurse an der MVU mussten, als sie die Universität besuchten, Berichte darüber erstellen, inwieweit die Bildung ihre Identität beeinflusst hatte. Da die Volksrepublik Polen in der Phase eines tiefen Kommunismus steckte, bestätigten alle Bekenntnisse eine erfolgreiche Polonisierung. In der Dokumentation liest man über den angeblichen Bewusstseinswandel oder sogar über das gesellschaftliche Erwachen. Natürlich schrieben die Jugendlichen das, was der Staatsapparat von ihnen erwartete. Davon zeugen deutlich die Aussagen der Gesprächspartner von Wankowska-Sobiesiak. 

Die interviewte Emma Wlotzki behauptete, dass der Aufenthalt in Waldheim bestimmt keine Neuerfindung ihres Ichs und auch keine Entdeckung des Polentums in ihrer Seele herbeiführen konnte. „Na, das kann ja wohl nicht sein! Das wurde in jenem Moment, in jener Situation geschrieben. (...) Die meisten reisten später nach Deutschland aus,” fügte sie hinzu. Eine andere Absolventin der EVU, Maria Anielski, lächelte über die Bezeichnung Volksuniversität und stellte die Einrichtung mit einer Abendschule gleich. „Wir fühlten uns nicht als Polen,” beteuerte Anielski. 

Aus den publizierten Gesprächen ergibt sich, dass die erzieherischen Maßnahmen die meisten nicht dazu brachten, ihr Deutschtum zu verleugnen. Aus diesem Blickwinkel scheint die Feststellung begründet zu sein, dass die Schulen mit ihrer Indoktrination fehlschlugen. Auf der anderen Seite nannten alle Interviewten positive Aspekte und Erfahrungen aus den Zeiten an MVU oder EVU. Dazu gehören die familiäre Atmosphäre, nette sowie hilfsbereite Lehrer, gute Verpflegung, gemeinsame Ausflüge, Aneignung der polnischen Sprache, Erweiterung des Wissens, Gewinnung neuer Kompetenzen und die Tatsache, dass die meisten Schulabsolventen, die in der Volksrepublik blieben, überall eine gute Anstellung fanden.