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21.02.20 / Östlich von Oder und NeißE / Mit der Bahn ins Glatzer Bergland / Sozialprogramm der PiS-Regierung schließt eine Bahnrenaissance mit ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08 vom 21. Februar 2020

Östlich von Oder und NeißE
Mit der Bahn ins Glatzer Bergland
Sozialprogramm der PiS-Regierung schließt eine Bahnrenaissance mit ein
Chris W. Wagner

Das Neuste im PiS-Sozialprogramm heißt „Bahn-Plus“ (Kolej Plus) und soll Bewohner von Kleinstädten und ländlichen Regionen besser an das Verkehrsnetz anbinden. Dafür wurde eine Novelle des Transport-Gesetzes verabschiedet. 

Seit 1990 wurden von etwa 26 000 Kilometern Bahnstrecken 7000 eingestellt. Dadurch sind bis zu 100 Ortschaften, die mehr als 10 000 Einwohner zählen, vom Bahnverkehr abgehängt worden. Zu den zahlmäßig größten Verlierern unter den Städten gehört das 90 000 Einwohner zählende ostoberschlesische Königsdorff-Bad Jastrzemb [Jastrzebie-Zdroj]. Das neue „Bahn-Plus-Programm“ sieht unter anderem vor, die 1997 stillgelegte Verbindung von Bad Jastrzemb nach Loslau [Wodzislaw Slaski] sowie die Verbindung Bad Jastrzemb–Kattowitz wieder in Betrieb zu nehmen.

„Im Vergleich zum Ruhrgebiet sieht das Streckennetz des Oberschlesischen und Dambrower [Dabrowa Gornicza] Ballungsgebietes heute eher wie ein ländliches aus. Dabei müssten dort alle zehn bis 20 Minuten Züge verkehren. Bislang ist es aber so, dass beispielsweise von Kattowitz nach Beuthen [Bytom] Züge nur alle zwei Stunden fahren. Es verkehren auch keine Züge zwischen Beuthen und Gleiwitz, obwohl die Städte durch eine Bahnlinie verbunden sind“, moniert Karol Trammer. Der Warschauer ist Chefredakteur der Zeitschrift „Mit dem Lauf der Schienen“ und Autor des Buches „Scharfer Schnitt – wie man die polnische Bahn zerstörte“. 

Das Programm „Bahn-Plus“ sieht fürs Erste die Wiederbelebung von Bahnverbindungen in 20 Orten in Oberschlesien, Großpolen und der Woiwodschaft Lublin vor, unter anderem nach Krappitz [Krapkowice], Schrimm [Srem] oder Zamosc.

Niederschlesien soll ebenfalls Nutznießer des Programms werden. Hier wird die Trasse Reichenbach [Dzierzoniow]–Peterswaldau [Pieszyce]–Langenbielau [Bielawa] reaktiviert. Doch die niederschlesischen Kommunen sind in dieser Sache selbst aktiv geworden. Im vergangenen Jahr wurde den Einwohnern von Reichenbach, Langenbielau, Neurode [Nowa Ruda], Peterswaldau und Wünschelburg [Radkow] seitens des Marschalls der Woiwodschaft auch ohne des „Bahn-Plus-Programms“ eine reguläre Bahnverbindung zugesichert. Die Bewohner dieser touristisch wichtigen Landschaft im Glatzer Bergland und im Vorsudetenland haben eine weltweit bekannte Führsprecherin – die Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk. 

Seit Jahren deklariert Tokarczuk diese Landschaft zu ihrer Heimat und lässt ihre Geschichten oft im Glatzer Bergland spielen. Die Niederschlesische Bahn (Koleje Dolnislaskie) gehört zu den am besten organisierten Bahngesellschaften polenweit. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Reisenden um 20 Prozent auf 14,1 Millionen Passagiere. 2019 war auch ein Rekordjahr, was die Zahl neugebauter Trassen angeht, meint Bartlomiej Rodak. Der Sprecher der Niederschlesischen Bahn A.G. sagte gegenüber der „Gazeta Wroclawska“: „Das ist der beste Beweis dafür, dass die Niederschlesier Züge als Haupttransportmittel im Alltag wählen. Bereits im Juni 2019 ging die Verbindung Lüben [Lubin]–Liegnitz [Legnica] wieder in Betrieb. Seit dem Fahrplan 2020 wurden zusätzliche Züge von Breslau nach Kanth [Katy Wroclawskie] eingesetzt und als nächstes steht die Wiedereröffnung der Verbindung Hirschberg [Jelenia Gora]–Löwenberg [Lwowek Slaski] und einiger Zusatzverbindungen ins Riesengebirge bevor“. 

Doch wie es scheint fiel die Niederschlesische Bahn ihrem Erfolg zum Opfer. Die Zahl der Passagiere steigt, die Zahl neuer Züge jedoch nicht und so sind diese oft restlos überfüllt. Zwar hat das Marschallamt den Kauf von elf Zügen angekündigt, die Kosten übersteigen jedoch das Budget. Neue Verhandlungen mit Zugherstellern dauern in der Regel zwei, drei Jahre und solange müssen die Reisenden die Unannehmlichkeiten auf sich nehmen.

Problematisch sind aus Sicht des Warschauer Bahn-Experten Trammer auch die woiwodschaftsübergreifenden Verbindungen. Oft endet die Fahrt an der Regionen-grenze und die Reisenden müssen in Züge einer anderen Bahngesellschaft umsteigen. Die Gesetzesnovelle sieht vor, dass die Bahngesellschaften ihre Verbindungen bis 30 Kilometer über die Woiwodschaftsgrenze ausdehnen dürfen. Den Kommunen soll bei der Wiederbelebung einst stillgelegter Strecken geholfen werden, indem sie diese unentgeltlich zur Verfügung gestellt bekommen.