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28.02.20 / Liebling der Medien / Wie kaum ein zweiter Politiker versteht es Angela Merkel, Presse, Funk und Fernsehen in ihrem Sinne zu nutzen. In ihrem Handeln profitiert sie vom ausgesprochenen Wohlwollen zahlreicher meinungsbildender Kommentatoren. Nicht ohne Grund

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09 vom 28. Februar 2020

Liebling der Medien
Wie kaum ein zweiter Politiker versteht es Angela Merkel, Presse, Funk und Fernsehen in ihrem Sinne zu nutzen. In ihrem Handeln profitiert sie vom ausgesprochenen Wohlwollen zahlreicher meinungsbildender Kommentatoren. Nicht ohne Grund
Josef Kraus

In den Debatten über die desaströse Lage der CDU und den zukünftigen Kurs der wichtigsten deutschen Partei ist es auffallend still um eine Person, die für den gegenwärtigen Zustand wesentliche Verantwortung trägt: Angela Merkel. Als Bundeskanzlerin war sie die entscheidende Akteurin bei den Koordinatenverschiebungen in wesentlichen Grundsatzfragen wie der Energiepolitik, bei der sogenannten Euro-Rettung oder in der Zuwanderungspolitik. Hier und auf anderen maßgeblichen Feldern vollzog Merkel Kursänderungen, die mit der traditionellen Haltung ihrer Partei – und deren Anhängern – wenig bis nichts zu tun hatte. 

Möglich wurden diese Veränderungen unter anderem dadurch, dass die Bundeskanzlerin ihre Entscheidungen ganz auf die Zustimmung der Medien ausrichtete – und dabei zugleich deren Agentin und Produkt wurde. Medienagentin ist sie im Stil des früheren Kanzlers Gerhard Schröder, der einmal gesagt hat: „Zum Regieren brauche ich nur ,Bild‘, ,Bams’ (,Bild am Sonntag‘) und Glotze.“ Schröder rekrutierte denn auch mit Béla Anda (vormals „Bild“) von 1999 bis 2005 einen seiner Pressesprecher aus dem journalistischen Umfeld.

Gezielte Medienarbeit

Bei Merkel ist es sogar noch ausgeprägter. Sie holte sich immer wieder führende Journalisten ins Kanzleramt, etwa Steffen Seibert (Regierungssprecher seit 2010, zuvor beim ZDF) oder Martina Fietz (seit 2018 stellvertretende Regierungssprecherin, zuvor bei Springer, „Cicero“, „Focus“). Wenn diese Leute eine gewisse Zeit zur Zufriedenheit der Regierungschefin gedient haben, werden sie durchaus mit lukrativen Posten belohnt wie zum Beispiel Ulrich Wilhelm (Regierungssprecher von 2005 bis 2010), der heute Intendant des Bayerischen Rundfunks ist.

Eine Medienakteurin ist Merkel auch mit ihren wöchentlichen Video-Botschaften, die zumeist Banales kundtun, manchmal aber auch etwas Pseudo-Sakrales an sich haben. Dazu passt, dass Merkel 2014 im Kanzleramt drei „Verhaltensökonomen“ eingestellt hat: „Behavioral Economics Teams“ nennt man diese Leute – oder besser: Experten für optimierte Volksbeeinflussung. Damit wird der Weg zur Meinungsbildung mittels gezielter Meinungssteuerung frei. Merkel war ebenfalls Medienagentin, wenn sie – nie bestätigt, aber auch nie dementiert – die Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015/2016 zu sich ins Kanzleramt holte. Warum wohl?

Positiv wahrgenommen wird Merkel vor allem, weil es keine 20 Prozent Journalisten gibt, die über sie kritisch berichten. Kritisches über Merkel liest man eher im neuen „Westfernsehen“: der „Neuen Zürcher Zeitung“ („NZZ“). Deutsche Journalisten wie die Talkshow-Moderatoren Anne Will, Sandra Maischberger oder Maybrit Illner oder deren Moderatorenkollegen Bettina Schausten, Marietta Slomka, Tina Hassel sowie Claus Kleber und Co. agieren eher wie Stichwortgeber oder Claqueure. All dies ist kein Wunder angesichts der politischen Affinitäten bundesdeutscher Journalisten, die sich entsprechend mehrerer seriöser Studien zu zwei Dritteln bis drei Vierteln links der Mitte verorten. Die politische Linke beherrscht damit die Meinungsbildung im öffentlichen Raum. 

Das auf den ersten Blick Paradoxe daran ist, dass all diese Leute die Bundeskanzlerin einer Partei protegieren, die ihnen eigentlich zuwider ist und schon immer zuwider war. Dass die meinungsbildenden Medien dennoch Merkel hofieren, ist aber dennoch nicht ganz paradox, denn Merkel bedient wie kaum ein Kanzler vor ihr die Sehnsüchte dieser Berufssparte, der alles einen Millimeter rechts von der Mitte als suspekt, ja als tendenziell faschistoid gilt: Sie ist die Kanzlerin all derjenigen, die von einem naiven Pazifismus träumen und einem grünen Umwelt-Hype ebenso das Wort reden wie einem internationalen Humanitarismus oder einem plumpen Antiamerikanismus.

Positive Kommentare

Das hat Auswirkungen auf die Berichterstattung. Die Hamburg Media School hat zur Flüchtlingskrise 34 000 Pressebeiträge der Jahre 2009 bis 2015 ausgewertet. Das Ergebnis: 82 Prozent der Berichte waren positiv konnotiert, zwölf Prozent rein berichtend und nur sechs Prozent problematisierend. 

So kann Merkel trotz wachsender Probleme im Lande und trotz katastrophaler Wahlniederlagen als Kanzlerin überleben. Die Presse, zum Teil auch die internationale, deckt dabei schier hagiografisch-ergeben zu, dass sich dieses Land mehr und mehr spaltet – bis in die Familien und in Freundeskreise hinein. Ferner: In der Kanzlerschaft Merkels haben die Staatsschulden um rund 30 Prozent zugenommen, ist die Altersarmut um die Hälfte mehr geworden, hat sich der Anteil an nichtdeutschen Tatverdächtigen nahezu verdoppelt – die Presse übertüncht all dies mit Etiketten wie „Die mächtigste Frau der Welt“ oder „Königin Europas“ oder „Topfavoritin für den Friedensnobelpreis“. Wie dieses Spiel funktioniert, zeigt sich gerade erst in der Gegenwart wieder: Mitten in die Überlegungen der CDU hinein, wann der anstehende Wechsel an der Parteispitze und im Kanzleramt am besten vollzogen werden sollte, thematisieren Kommentatoren in den Leitmedien, dass Deutschland im zweiten Halbjahr 2020 die EU-Ratspräsidentschaft innehat – und Merkel deshalb keineswegs so schnell den Hut nehmen könne. Anstelle einer kritischen Bilanz der Europa-Politik der Kanzlerin – allein über ihre Mitverantwortung am Brexit oder ihr Zerwürfnis mit den Mitgliedern in Ostmitteleuropa ließe sich trefflich debattieren – wird die Regierungschefin kurzerhand für unabkömmlich erklärt.

Merkel genießt darüber hinaus einen medial konstruierten Nimbus. Angeblich denke sie als Physikerin rational und naturwissenschaftlich; und außerdem denke sie alles vom Ende her. Das ist Nanny-Journalismus – und zudem ein Zerrbild von den Tatsachen. Weder den Atomausstieg noch die De-facto-Abschaffung der Wehrpflicht noch die Euro- beziehungsweise Griechenland-Rettung noch die Öffnung der Grenzen für mehr als eine Million Migranten hat sie vom Ende her gedacht. Sonst hätte sie zumindest erahnen können, was all diese, oft autokratisch und hemdsärmelig exekutierten Entscheidungen am Ende bedeuten: dass die Energiewende eine De-Industrialisierung Deutschlands einleitete; dass die Bundeswehr zu wenig Nachwuchs hat; dass die Euro-Politik die Renten schmälert; dass mit der Zuwanderung seit 2015/16 auch die Straftaten in bestimmten Segmenten dramatisch zunahmen.

All dies hat zu einem gewaltigen Aderlass in der CDU geführt. Von 2013 auf 2017 verlor die Union (CDU und CSU) bei der Bundestagswahl von 41,5 auf 32,9 satte 8,6 Prozent (entsprechend 2,848 Millionen Zweitstimmen), bei den EU-Wahlen von 2014 auf 2019 von 35,3 auf 28,9 Prozent immerhin 6,4 Prozent. Bei der Bundestagswahl votierten für die AfD 1,2 Millionen vormalige Nichtwähler – und: 1,05 Millionen vormalige Unions-Wähler. Zugleich verlor die CDU in der Zeit der CDU-Vorsitzenden Merkel (2002 bis 2018) von 594 000 auf 415 000 exakt 30 Prozent ihrer Mitglieder.

Der Aderlass der CDU

Auch personell gab es einen gewaltigen Aderlass: Friedrich Merz wurde hinausgedrängt und versucht jetzt mühsam ein Comeback; Roland Koch verschwand; Erika Steinbach wurde quasi exkommuniziert; den Bundespräsidenten Horst Köhler ließ Merkel schnöde fallen, um ihn für kaum mehr als 500 Tage durch einen schwachen Christian Wulff zu ersetzen. Annegret Kramp-Karrenbauer ist Merkels jüngstes Opfer. 

Merkels Partei, die CDU, macht das alles brav mit – in zunehmendem Maße auch die „kleine Schwester CSU“. Man hat sich in der CDU auf allen Ebenen an Merkels Führungsstil gewöhnt und sich darin bequem eingerichtet. Die mittlere und untere Führungsebene besteht überwiegend aus mutlosen Leuten, die alles mit sich geschehen lassen.

Dabei müssen die CDU-Funktionäre vor Ort seit Jahren Dinge vertreten, die im „Raumschiff Kanzleramt“ abgehoben entschieden wurden. Die Mandatsträger der CDU sind oftmals keine Volksvertreter mehr, sondern nur noch Vertreter der Regierung. Ansonsten ist Merkel von Leuten umgeben, die jede Kritik an ihr verleumden. So bezeichneten Elmar Brok und Annette Widmann-Mauz die Werte-Union als „Krebsgeschwür“ und der vormalige CDU-Generalsekretär Peter Tauber Merkel-Kritiker als „Arschloch“.

Wessen Kanzlerin?

Wessen Stimmungen bedient Merkel also? Die der Bevölkerung, die ihrer Mandatsträger vor Ort oder die der Medienschaffenden? Die Stimmung der Bevölkerung, die ein Gespür für Anstand, für Recht und Unrecht hat, spielt für Merkel keine Rolle. Ihre Mandatsträger weiß sie subaltern unter sich. Ob Breitscheid-Platz oder Morde von „Geflüchteten“ in Freiburg, Kandel und so weiter, ob Brandanschläge gegen mutige Journalisten – aus dem Kanzleramt kommt stets nur dröhnendes Schweigen, obwohl die Ereignisse das ganze Land bewegten. Für eine Spur von Empathie ist sie nicht zu haben. Über den importierten Antisemitismus spricht sie ebenso wenig wie über die weltweite Christenverfolgung.

Dafür bedient Merkel umso stärker die Erwartungshaltung der Leitmedien, die – siehe oben – politisch zumeist ganz woanders zu verorten sind. Damit ist sie zu einer Politikerin geworden, die man sich ebenso als Vorsitzende der „Grünen“ oder der SPD vorstellen kann. Es ist ja bezeichnend, dass sich diese beiden Parteien – angesichts der eigenen Schwäche – Merkel als schier ewige Kanzlerin wünschen. Wahrscheinlich hegt sogar die Linkspartei insgeheim diesen Wunsch. Denn auch mit Äquidistanz der CDU nach rechts und nach links außen ist es in der Ära Merkel nicht mehr weit her. Mit „links“ hat Merkel – siehe Thüringen – keine Berührungsprobleme mehr. Mit dem jahrzehntelangen antitotalitären Grundkonsens ihrer Partei kann die Kanzlerin offenkundig nichts anfangen.

Wie geht es weiter? Wird die einschlägige Presse Merkel vermissen? Davon können wir ausgehen – wenn sie denn wirklich geht. Denn angesichts der Symbiose zwischen der Kanzlerin und den Leitmedien ist nicht ausgeschlossen, dass einige Kommentatoren versuchen werden, eine fünfte Kanzlerschaft Angela Merkels herbeizuschreiben.