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28.02.20 / Kolumne / Feind des Freihandels

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09 vom 28. Februar 2020

Kolumne
Feind des Freihandels
Florian Stumfall

Durch die Vielzahl der Embargos, Boykotte und Sanktionen, welche die USA über missliebige Staaten verhängen, sind sie längst derjenige Akteur, welcher der Globalisierung des Welthandels die meisten Schwierigkeiten bereitet und so vielfach und in vielen Ländern einer gedeihlichen Entwicklung hinderlich ist. Das für Deutschland nächstliegende Beispiel ist der Streit um die Pipeline Nord Stream 2, die sich in der Endphase ihres Baues befindet und nach ihrer Fertigstellung russisches Erdgas nach Deutschland und über einen Verteiler nach ganz Europa liefern soll. 

Seit Jahren versuchen die USA, dieses Unternehmen, das rein wirtschaftlichen Charakter hat, zu verhindern, und führen dazu politische Einwände ins Feld. Deutschland, so heißt es in Washington, würde sich mit dem Abschluss des Unternehmens Nord Stream 2 allzu sehr von Russland abhängig machen, nicht nur, was die Versorgung mit Energie angehe, sondern auch im politischen Sinne.

Dazu ist ein kurzer Blick notwendig in die vergangene Zeit des Kalten Krieges. Damals schon hat Deutschland in erheblichem Umfang Erdgas aus der Sowjetunion bezogen. Vor nunmehr 50 Jahren, am 1. Februar 1970, wurde der erste große Vertrag über Erdgaslieferungen über den Eisernen Vorhang unterzeichnet. Schon damals wehrten sich die USA vehement gegen das Abkommen, allerdings erfolglos. Das Konzept war: Deutschland liefert die Röhren, insgesamt 1,2 Millionen Tonnen, die UdSSR tilgt die Kosten durch die Lieferung von Gas. 

In all den Jahren hat es trotz teils erheblicher politischer Spannungen keine Probleme gegeben, Moskau hielt sich durchgehend an den Vertrag und lieferte zuverlässig, und er besteht bis heute. Über die Pipeline „Transgas“ gelangt immer noch mehr als die Hälfte des Gases aus Russland nach Westeuropa. Es ist also unerfindlich, worin das Risiko eines Handels mit Moskau bestehen sollte, zumal man es heute nicht mehr mit der UdSSR zu tun hat. Hätten die Russen ein abwegiges Interesse daran, der deutschen Wirtschaft zu schaden, so müssten sie lediglich ihr Palladium und Rhodium zurückhalten, und die deutsche Autoindustrie wäre von einem Tag zum andern erledigt. Auch die USA sind von seltenen Rohstoffen aus Russland abhängig, sodass ihre Argumentation noch unglaubwürdiger wird.

Woher also die – freilich vorgeschützten – Sorgen der USA um die deutsche und europäische Energieversorgung? Die Antwort ist einfach und auch allenthalben bekannt: Sie wollen ihr eigenes Gas verkaufen. Das ist soweit richtig, aber es tut not, sich die Hintergründe dieser Beziehungen anzusehen.

Dazu eine Zahl, die das strategisch dem Erdgas ebenbürtige Erdöl betrifft. Im vergangenen Jahr erlebte die Kohlenwasserstoffindustrie der USA ein historisches Datum: Zum ersten Mal seit 70 Jahren exportierte das Land mehr an Erdöl und Erdölprodukten, als es einführte. Mehr noch: Die USA haben Saudi-Arabien als weltweit größter Ölexporteur überholt und stehen auf Platz eins. Was offenkundig ist: Diese Entwicklung hängt aufs engste mit der Förderung durch Fracking zusammen. 

Nun aber kommt die andere Seite: Trotz ihres Höhenfluges sieht sich die US-Ölindustrie veranlasst, Öl einzukaufen, und dies vor allem aus Russland. Das liegt zum einen daran, dass Washington gegenüber Venezuela Sanktionen verhängt und sich damit selbst vom Import von schwerem Erdöl aus dem südamerikanischen Land abgeschnitten hat. Ein zweiter Grund aber ist noch weitaus erheblicher.

Das Frackingöl ist teuer, qualitativ minderwertig und toxisch. Da stellt sich die Frage, wie man eine solche Ware auf dem Markt unterbringen kann. Die USA können es. Sie überzeugen ihre Kunden durch politischen, wenn es sein muss, auch militärischen Druck. Das geht soweit, dass sogar die Arabischen Emirate, gelegen inmitten einer der erdölreichsten Regionen dieser Erde, in den USA Rohöl einkaufen, das teurer und schlechter ist als ihr eigenes. Wegen des Katar-Konflikts, so die „Deutschen Wirtschafts Nachrichten“ schon vor geraumer Zeit, habe die Abu Dhabi National Oil Company einen Tanker mit einer Ladekapazität von bis zu zwei Millionen Barrel bereitgestellt. Dieser bringt Schieferöl aus Texas, damit dem Emiren nicht das Benzin für ihre Bentleys ausgeht. Das nämlich zeichnet eine Weltmacht aus, dass man fernab vom eigenen Land die eigenen Vorstellungen auch gegen den Willen von Betroffenen durchsetzen kann.

Für die USA ist die Rechnung einfach: Sie verhökern zwangsweise ihr mieses Öl zu hohen Preisen an Kunden, die nicht gefragt werden, ob sie mit dem Handel einverstanden sind, und kaufen dafür wertvolleres und dabei günstigeres Öl aus Russland. Die Differenz ist Reingewinn. Dies ist die Erklärung, warum ein Ölexportweltmeister Öl einkauft.

Zurück zu Nord Stream 2. Berücksichtigt man die Struktur der Kohlenwasserstoffgeschäfte der USA, dann wird offenkundig, dass es sich bei dem deutsch-russischen Gashandel für Washington nicht nur darum handelt, anstelle eines Konkurrenten ins Geschäft zu kommen. Vielmehr geht es um den Erhalt des Systems, das darin besteht, die eigene politisch-militärische Macht dazu einzusetzen, dass man Geschäfte wider jeden ökonomischen Sinn durchsetzen kann, jedenfalls, was den jeweiligen Partner angeht.

Und nun ist es ausgerechnet das halbsouveräne, in anderen Dingen so willfährige und demütige Deutschland, das bockbeinig Widerworte gibt und auf einem vereinbarten und rechtsgültigen Vertrag mit Russland beharrt, gegen alle Widrigkeiten. Das Erstaunen darüber ist umso größer, als es sich dabei um ein seltenes Beispiel handelt, bei dem Kanzlerin Angela Merkel den Eindruck erweckt, sie handle im Sinne nicht irgendwelcher alliierter Führungsnationen, sondern in demjenigen des Staates, dem sie die Treue geschworen hat. 

Die Drohungen und Druckmittel der USA gegen Nord Stream 2 werden keinen Erfolg haben. Russland ist bereit und imstande, das Projekt allein zu Ende zu bringen, sollten sich die Partner den USA und deren Zwangsmaßnahmen beugen.