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28.02.20 / Wilhelm Hoegner / Roter Exot im schwarzen Bayern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09 vom 28. Februar 2020

Wilhelm Hoegner
Roter Exot im schwarzen Bayern
Manuel Ruoff

Das rote Hamburg hatte in dem halben Jahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg zwei schwarze Regierungschefs, 1945/46 den von der Besatzungsmacht ernannten Rudolf Petersen und 1953 bis 1957 den demokratisch legitimierten Kurt Sieveking. Im schwarzen Bayern verhielt es sich fast spiegelverkehrt. So hatte es 1945/46 einen ernannten und 1954 bis 1957 einen demokratisch legitimierten roten Regierungschef. Anders als in Hamburg handelte es sich in Bayern um ein und dieselbe Person: Wilhelm Hoegner.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Bayerns christsozialer Ministerpräsident Fritz Schäffer den am 23. September 1887 in München geborenen sozialdemokratischen Juristen mit dem Wiederaufbau der Justizverwaltung betraut. Noch im selben Jahr berief die US-amerikanische Besatzungsmacht Schäffer ab mit der Begründung, er habe den Staatsdienst nicht genügend von Nationalsozialisten gesäubert, und berief zu dessen Nachfolger Hoegner. Bayerns erste Nachkriegslandtagswahl führte 1946 zu einer Dreierkoalition unter Einschluss der SPD und einer Regierung mit dem Christsozialen Hans Ehard an der Spitze. Hoegner blieb Justizminister, was er schon in seinem eigenen Kabinett gewesen war. 1947 kündigte die SPD die Koalition und Hoegner trat als Minister wie als Parteivorsitzender, der er seit 1946 gewesen war, zurück. Zu Zeiten der Großen Koalition wurde Hoegner 1950 erneut Minister unter Ehard, diesmal Innenminister. Als sich nach der Landtagswahl 1954 eine Allparteienkoalition unter Ausschluss der CSU bildete, wurde Hoegner erneut Ministerpräsident. 1957 gelang es jedoch der CSU, Koalitionspartner der SPD zum Austritt zu bewegen, und dem SPD-Ministerpräsidenten blieb nur der Rücktritt.

Hoegner hat jedoch nicht nur als einziger SPD-Ministerpräsident, sondern auch als „Vater der bayerischen Verfassung“ bayerische Nachkriegsgeschichte geschrieben. Da der 1933 entlassene Landgerichtsrat bereits im Schweizer Exil an einer demokratischen Nachkriegsverfassung gearbeitet hatte, schien er dafür geradezu prädestiniert. Dem von ihm geleiteten Vorbereitenden Verfassungsausschuss legte er einen Vorentwurf vor, der auf Vorarbeiten im Schweizer Exil zurückging und Bayerns heute noch gültige Nachkriegsverfassung geprägt hat. Beispielhaft genannt seien basisdemokratische Elemente wie Volksbegehren, Volksentscheid und gemeindliche Selbstverwaltung oder jedermanns grundsätzliches Recht auf freien Zugang zur Natur. Am 5. März 1980 starb Hoegner in seiner Geburtsstadt.