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06.03.20 / Gesundheitswesen / Krankenhausgemachter Pflegenotstand / Besser eine mexikanische Pflegekraft als eine heimische. Warum Hospitäler so gern vom Fachkräftemangel sprechen, aber dafür kaum Stellen offerieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10 vom 06. März 2020

Gesundheitswesen
Krankenhausgemachter Pflegenotstand
Besser eine mexikanische Pflegekraft als eine heimische. Warum Hospitäler so gern vom Fachkräftemangel sprechen, aber dafür kaum Stellen offerieren
Dirk Pelster

Pünktlich zum Jahreswechsel sollten die Deutschen erneut wegen der angeblich an allen Ecken und Enden auf dem Arbeitsmarkt fehlenden Fachkräfte in Panik versetzt werden. Allein in den Kliniken sowie Pflege- und Altenheimen im ganzen Land würden über 17 000 Pflegekräfte fehlen. Zu diesem Ergebnis will jedenfalls das Deutsche Krankenhausinstitut – eine Lobbyorganisation verschiedener Verbände im Gesundheitswesen – nach einer Befragung seiner Mitglieder gekommen sein. 

Die Zahl wirkt besorgniserregend 

– und das soll sie auch. Wer möchte schon riskieren, nach einem Unfall oder bei einer Erkrankung Schaden an Leib und Leben zu nehmen, nur weil nicht genügend Personal zur Verfügung steht, um eine angemessene medizinische Versorgung sicherzustellen? In die Hysterie um den drohenden Kollaps des heimischen Gesundheitssystems reihen sich daher in jüngster Zeit immer wieder Meldungen ein, die dessen Eintritt bereits zu bestätigen scheinen. 

Erst vor einem Monat wurde in den hiesigen Medien berichtet, dass ein an Leukämie erkranktes Kind sterben musste, weil in der Onkologie der Berliner Charité keine Kapazitäten vorhanden waren. Dabei schien doch gerade das altehrwürdige Universitätsklinikum der deutschen Hauptstadt alle nur denkbaren Wege zu gehen, um das für seine Aufgabenerledigung notwendige Personal zu rekrutieren.

Im April des vergangenen Jahres ließ man jedenfalls mitteilen, dass das Krankenhaus sogar im mittelamerikanischen Mexiko nach Pflegekräften Ausschau hielt. Selbst Gesundheitsminister Spahn machte im September dort Station, um motivierte Krankenschwestern für den deutschen Arbeitsmarkt anzuheuern. Das Gastspiel im Land der Azteken war dabei nur eine von zahlreichen internationalen Stippvisiten, die der Minister auf seiner Mission zur Rettung des deutschen Krankenhaussystems in den vergangenen Monaten unternahm.

Kaum Pflegestellen ausgeschrieben

Es lohnt sich dennoch einen zweiten Blick darauf zu werfen, was so offensichtlich nach einem Pflegenotstand aussieht. Wer am selben Tag, als das Deutsche Krankenhausinstitut alarmistisch das Fehlen von Tausenden von Fachkräften in der Intensivmedizin vermeldete, auf der im Internet zugänglichen Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit nach entsprechenden Stellen aus den letzten Wochen suchte, der konnte dort seltsamerweise nur ein sehr überschaubares Angebot vorfinden. Die Zahl vakanter Arbeitsplätze im Pflegebereich, die direkt und unbefristet von einem deutschen Krankenhaus zu besetzen waren, lag lediglich im oberen zweistelligen Bereich. Auch auf anderen Stellenbörsen waren einschlägige Offerten nur sehr spärlich gesät. 

Wer sich direkt auf den Netzseiten von Kliniken über freie Arbeitsplätze informieren möchte, wird häufig nur bei größeren Häusern fündig. Die hier angebotenen Stellen setzen dabei in der Regel sehr spezialisierte Kenntnisse in bestimmten Einsatzbereichen voraus, die deutlich oberhalb der normalen Krankenpflege liegen. Immerhin weisen die meisten Einrichtungen darauf hin, dass zumindest die Möglichkeit einer Initiativbewerbung besteht. 

Sucht man bei der Berliner Charité nach Stellenangeboten, erhält man vom größten Universitätsklinikum Europas den ausdrücklichen Hinweis, dass Kosten für die Teilnahme am Bewerbungsverfahren nicht übernommen werden können. Während man einerseits also teuer und aufwendig Personalagenturen damit beauftragt, Pflegekräfte aus der Dritten Welt unter Vertrag zu nehmen, ist man auf der anderen Seite noch nicht einmal bereit, einer deutschen Krankenschwester aus Magdeburg das Zugticket für die Anreise zum Vorstellungsgespräch nach Berlin zu zahlen.

Lohndumping als Dauerlösung 

Die Gründe für diese auffälligen Widersprüche sind vielfältig. Der tatsächliche Personalbedarf wird von Arbeitgeberverbänden zumeist maßlos übertrieben, was auch insgesamt die Diskussion um den angeblichen Fachkräftemangel kennzeichnet. Dies zeigt sich bereits daran, dass die Reallöhne in den letzten Jahren erstmals seit den 90er Jahren überhaupt wieder und auch nur moderat gestiegen sind. Wäre dies anders, so müssten die Gehälter gerade in den angeblichen Mangelberufen nahezu explodiert sein. Speziell im Pflegebereich wird zudem gerne mit Personal gearbeitet, das über Zeitarbeitsfirmen beschafft wird. 

Einzelne Krankenhausträger, wie etwa die großen Kirchen, unterhalten dazu sogar eigene Personaldienstleistungsfirmen. Hier wird zum Teil massives Lohndumping betrieben, und über den Beschäftigten schwebt zudem das Damoklesschwert, jederzeit die eigene Arbeit verlieren zu können. Um dieses System aufrechtzuerhalten, wird von Politik und Lobbyverbänden nun vor allem die Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte als Lösung propagiert.