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06.03.20 / Leitartikel / Aufbruch ins Ungewisse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10 vom 06. März 2020

Leitartikel
Aufbruch ins Ungewisse
René Nehring

Der Wettstreit um den künftigen CDU-Vorsitz nimmt Gestalt an. Am Montag einigten sich die Bewerber Armin Laschet/Jens Spahn, Friedrich Merz und Norbert Röttgen auf die Modalitäten ihres parteiinternen Wahlkampfs. In den kommenden Wochen, so der Plan, sollen sie sich und ihre Ideen in diversen Internetformaten präsentieren können und sich den Fragen interessierter Parteimitglieder stellen. Zudem soll es vor dem Parteitag am 25. April einen „Live Talk“ sowie – in Anlehnung an US-amerikanische Bürgerversammlungen mit Politikern – zwei „digitale Townhalls“ geben. Auf gemeinsame Auftritte vor den Landesverbänden soll jedoch ebenso verzichtet werden wie auf größere Regionalkonferenzen. 

Dieses Procedere ist plausibel. Denn anders als bei der SPD im vergangenen Jahr werden bei der CDU nicht die einfachen Mitglieder über den Vorsitz entscheiden, sondern die Delegierten eines Sonderparteitags – mithin also die Mandatsträger aus dem Mittelbau der Partei, die ohnehin jeden Kandidaten kennen. 

Interessanterweise zeichnet sich hier keinesfalls eine so deutliche Präferenz für das Duo Laschet/Spahn ab, wie es das bisherige Establishment der Partei um Bundeskanzlerin Merkel gern hätte. Zwar holte sich Armin Laschet vergangene Woche die Unterstützung seines Landesverbandes Nordrhein-Westfalen ein – ohne freilich Merz und Röttgen zu Wort kommen zu lassen. Und Bernd Althusmann verkündete, dass die CDU Niedersachsen zu 90 Prozent hinter Laschet und Spahn stehe. Doch schon in Hessen scheiterte ein ähnliches Manöver des Landesvorsitzenden Bouffier: Da sich in einer Vorstandssitzung die Mehrheit offenbar für Merz aussprach, verzichtete Bouffier auf eine Abstimmung und erklärte, diese sei sowieso nicht geplant gewesen. Der Landesverband Baden-Württemberg sprach sich sogar offen für Friedrich Merz aus. 

Aufschlussreicher als die Truppenaufmärsche der jeweiligen Lager sind manche Äußerungen aus den letzten Tagen. Dass die „Merkelianer“ die zu Ende gehende Ära trotz des Niedergangs der Union von einst stabilen 40 Prozent auf zuletzt 25 bis 28 Prozent noch immer als Erfolg feiern – geschenkt. Aber dass sie Friedrich Merz – der immerhin Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag war und nun lediglich zu den programmatischen Grundsätzen der Partei zurückkehren will – wahlweise einen „Rechtskurs“, eine „Spaltung“ oder eine „Koordinatenverschiebung“ der Partei unterstellen,  sagt viel aus über die tatsächlichen Verschiebungen innerhalb der CDU in der jüngeren Vergangenheit. 

Für die Unterstützer des Duos Laschet/Spahn steht die Ära Merkel keinesfalls nur für eine programmatische Modernisierung, sondern auch für eine Zeit, in der gegen die Union kaum eine Regierung gebildet werden konnte. Doch dass diese Kalkulation auch in Zukunft aufgehen wird, darf bezweifelt werden. So kommt in aktuellen Umfragen Rot-Rot-Grün plötzlich auf eine Mehrheit im Bund – und selbst die größten Befürworter schwarz-grüner Planspiele dürften kaum annehmen, dass im Falle einer linken Mehrheit am Wahlabend die Grünen noch eine Regierung mit der Union anstreben würden. 

Spannend ist das Kandidatenrennen auch mit Blick auf die weitere Entwicklung der politischen Landschaft. Zahlreiche wertkonservative und wirtschaftsliberale CDU-Mitglieder haben in der Ära Merkel ihrer Partei trotz vieler Enttäuschungen noch immer die Treue gehalten: aus alter Verbundenheit, in der Hoffnung auf bessere Zeiten – und weil sie in der AfD keine Alternative sehen. Doch sollte der Bundesparteitag im April ein Signal für ein Weiter-so setzen, könnten auch diese Anhänger der Union schon bald den Rücken kehren. Zusammen mit zwischenzeitlich zur AfD abgewanderten Wählern wäre dieses Potenzial durchaus groß genug für eine weitere politische Kraft. 

Insofern geht es in dem Ringen um den CDU-Vorsitz um weit mehr als nur die Personalie einer Partei.