25.04.2024

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06.03.20 / Früheres zonenrandgebiet / Das Schloss der Menschenfreunde / Im Grabfeld, das früher einmal von zwei deutschen Staaten geteilt war – Zufluchtsort für eine „Kirche des Reichs Gottes“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10 vom 06. März 2020

Früheres zonenrandgebiet
Das Schloss der Menschenfreunde
Im Grabfeld, das früher einmal von zwei deutschen Staaten geteilt war – Zufluchtsort für eine „Kirche des Reichs Gottes“
Nils Aschenbeck

Wolff Dietrich Truchseß von Wetzhausen hatte es bis 1669 errichtet, Lola Montez, die im Volk unbeliebte Freundin des bayerischen Königs, hatte hier Zuflucht gefunden, der Reichspräsident Paul von Hindenburg hatte hier übernachtet, um einem Manöver im Grabfeld – so heißt die früher von der innerdeutschen Grenze geteilte Landschaft zwischen der Rhön und Coburg – beizuwohnen: Das barocke Schloss Sternberg bei Sulzfeld an der Lederhecke kann auf eine illustre Vergangenheit zurückblicken – und gibt sich heute doch verschwiegen. In dem Prachtbau, der in seiner Kubatur, dem räumlichen Ausmaß, an das Aschaffenburger Schloss erinnert, leben zurückgezogen einige Mitglieder der „Menschenfreundlichen Gesellschaft“.

Wer im östlichen Grabfeld an der Grenze zu Thüringen Ausflüge unternimmt, trifft nach manchen Kurven unweigerlich auf das Schloss, unerwartet in dieser abgeschiedenen Landschaft, in der alles stiller und bescheidener zugeht. Das Schloss erhebt sich als Prachtbau mit vier Ecktürmen mächtig über die Dörfer.

Sternberg heißt auch der Ort, der sich unter und hinter dem Schloss erstreckt; Sternberg ist ein Teil von Sulzdorf an der Lederhecke. Die „Lederhecke“ sorgt bis heute für Rätsel und Spekulationen. Was hatten die Menschen als Lederhecke bezeichnet? War es eine alte Trennlinie, die heute als Grenze zwischen Bayern und Thüringen weiterexistiert? 

Nach dem Krieg hätte der Ort passender „Sulzdorf an der Zonengrenze“ heißen können, denn nichts prägte das Leben der Menschen hier nun mehr als der nahe hochgesicherte Zaun zwischen den deutschen Staaten, der alle Verbindungen untereinander unmöglich machte.

Wer in Sternberg vor dem Schlosstor steht, wird mit etwas Glück aufgefordert, die Anlage zu besichtigen. Die Mitglieder der „Menschenfreundlichen Gesellschaft“ – eine Parallelgründung zu den Zeugen Jehovas – warten an der Lederhecke auf das kommende ewige Reich. Sie glauben, zu den Auserwählten zu gehören, die an der neuen Welt teilhaben dürfen. Im deutschen Schicksalsjahr 1933 hatte der Schweizer Alexandre Freytag, Gründer der Glaubensgemeinschaft, das Schloss von einem bürgerlichen Vorbesitzer übernommen. 

Schon kurz nach Erwerb wurde das Schloss der Vereinigung jedoch wieder genommen. Die „Menschenfreundliche Gesellschaft“ wurde von den Nationalsozialisten verboten, ihr Besitz enteignet. In den dunklen deutschen Jahren war im barocken Prachtbau eine SA-Schulungsstätte untergebracht. Menschenfeinde statt Menschenfreunde. 

Nach dem Krieg lag das Schloss im Zonenrandgebiet, nur einen Steinwurf von der Grenze entfernt. War der Ort vorher schon ruhig gelegen, so wurde es nun gänzlich still um Sternberg. Die „Menschenfreundliche Gesellschaft“, auch „Kirche des Reichs Gottes“ genannt, deren Gründer 1947 verstorben war, bekam das Objekt Ende der 1940er Jahre zurückerstattet. Seitdem wird das Schloss wieder von der Glaubensgemeinschaft genutzt – um in täglicher Arbeit das zukünftige Reich vorzuleben. Ein Wandgemälde in der Durchfahrt zum Innenhof zeigt in naiver Deutlichkeit die Zukunftsvision der Jünger.  

Obwohl die deutsch-deutsche Grenze nun seit drei Jahrzehnten verschwunden ist, erscheinen Sternberg und Sulzdorf an der Lederhecke bis heute abgeschieden, fast verwunschen. Die Nachbarn haben sich mit der „Menschenfreundlichen Gesellschaft“ arrangiert, sie sind froh, dass das Schloss nicht wie manche andere auf Thüringer Seite verfällt, dass es bewohnt und in Schuss gehalten wird. 

Trotz der Abgeschiedenheit – manchmal hat man den Eindruck, dass die Zonengrenze bis heute das Land durchschneidet, dass sie als imaginäre Grenze weiter die Menschen bremst und hindert – gehört Schloss Sternberg zu den bedeutendsten touristischen Zielen im Kreis Rhön-Grabfeld. Die hintersinnige barocke Architektur faszinierte und fasziniert die Betrachter immer wieder. So verweisen die vier Ecktürme des Schlosses auf die Jahreszeiten, die 52 Türen auf die Wochen und die 365 Fenster auf die Tage.

Ob das Schloss, einst geplant von Pater Matthias von Saarburg, tatsächlich so viele Fenster wie Tage aufweist, harrt noch einer genauen Zählung durch Experten, aber immerhin handelt es sich um eine schöne Legende, die irgendwie zu einem Palast passt, von dem das Reich Gottes ausgehen soll.