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13.03.20 / „Nudging“ / Manipulieren statt befehlen / Wie die Bürger durch Psychotricks auf Linie gebracht werden sollen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11 vom 13. März 2020

„Nudging“
Manipulieren statt befehlen
Wie die Bürger durch Psychotricks auf Linie gebracht werden sollen
Wolfgang Kaufmann

Fahrverbote, Rauchverbote, Alkoholverbote, Schweinefleischverbote, Feuerwerksverbote, Heizpilzverbote, Schottergärtenverbote – immer mehr Deutsche sträuben sich gegen den allgegenwärtigen Reglementierungswahn und die Bevormundung von oben. Das lässt die Regierenden erfinderisch werden. So stellte das Bundeskanzleramt 2015 drei Referenten mit psychologischen, soziologischen, anthropologischen und verhaltensökonomischen Kenntnissen ein. Aufgabe dieser Spezialisten sollte es sein, das Regierungshandeln künftig stärker am Konzept des sogenannten Nudging auszurichten. 

Dessen geistige Väter sind Richard Thaler, seit 2017 Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften, und Cass Sunstein, einer der führenden juristischen Experten der USA. Die beiden späteren Berater von Präsident Barack Obama veröffentlichten 2008 ein Buch mit dem Titel „Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth, and Happiness“ (deutscher Titel „Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt“).

Idee stammt aus den USA

Darin vertreten sie die Ansicht, dass sich der Mensch oft nicht rational verhalte, weshalb er im Interesse des Gemeinwohls durch Nudges, also „Anstupser“ im Sinne von Denkanstößen, in die richtige Richtung gedrängt werden müsse. Thaler und Sunstein plädierten somit dafür, statt mittels Vorschriften und Verboten eher mit unterschwelligen Signalen zum Zwecke der motivierenden Steuerung zu regieren. Denn das erzeuge weniger Widerstand und Konflikte, da der Zielgruppe des Nudging ja die Möglichkeit offenstehe, sich doch anders zu entscheiden als gewünscht. Letzteres sei dabei aber umso unwahrscheinlicher, je stärker die Individuen den Wunsch nach gesellschaftlicher Teilhabe und Anerkennung verspürten.   

Kritiker wie Gerd Gigerenzer, ehemals Präsident des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, oder der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Jan Schnellenbach bezeichnen dies unumwunden als versuchte Manipulation der Bürger. Außerdem hätten die Menschen meist gute Gründe für ihr angeblich „nicht optimales Verhalten“. Jedoch gebe es keine Diskussion darüber, weil die Initiatoren des Nudging im Schutze der Anonymität agierten. Ebenso könne sich der Bürger kaum gegen die subtile staatliche Bevormundung wehren. Deshalb sei das Ganze im Grunde zutiefst antidemokratisch. 

Es klappt nicht so richtig

Andererseits scheiterten die meisten bisherigen Nudging-Versuche hierzulande kläglich. So zeitigten die „Anstupser“ oder manchmal auch schon Rempler, sich doch bitteschön „klimafreundlich“, „weltoffen“ und „tolerant“ zu verhalten, bisher nur wenig Wirkung in Bezug auf die tatsächliche Veränderung ganz konkreter Alltagsgewohnheiten. Deshalb steht zu erwarten, dass der Staat bald wieder eine härtere Gangart wählen wird, weil das „Anstupsen“ nicht wie erhofft funktioniert oder – noch – auf rechtliche Einschränkungen trifft. Wie im Falle des nach wie vor im Kern geltenden Organspende-Gesetzes: Statt der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) favorisierten Nudging-Lösung, dass jeder automatisch Organspender sei, der dem nicht vorsorglich widersprochen habe, bleibt es bei der alten Regelung, die eine ausdrücklich erklärte, aktive Zustimmung erfordert. 

Dabei dürften die direkten Interventionen durch Vorschriften und Regulierungen insbesondere dann stark zunehmen, wenn die Grünen, bekanntlich die Verbotsfetischisten schlechthin, erneut in der Bundesregierung vertreten sein werden.