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13.03.20 / Afrika / Eine Kenianerin im einsamen Kampf gegen eine Giftfabrik in Mombasa / Die Journalistin Andrea C. Hoffmann erzählt in Romanform die Geschichte einer alleinerziehenden Mutter und Mitarbeiterin eines Betriebs, der Slumbewohner giftigen Elektroschrott aufarbeiten ließ

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11 vom 13. März 2020

Afrika
Eine Kenianerin im einsamen Kampf gegen eine Giftfabrik in Mombasa
Die Journalistin Andrea C. Hoffmann erzählt in Romanform die Geschichte einer alleinerziehenden Mutter und Mitarbeiterin eines Betriebs, der Slumbewohner giftigen Elektroschrott aufarbeiten ließ
Dagmar Jestzremski

Über das unsachgemäße und für Menschen lebensgefährliche Recycling von Elektroschrott in manchen Ländern Afrikas wird immer wieder berichtet. Die laschen Vorschriften und Kontrollen locken Kriminelle an, die das Recycling auf Kosten der ärmsten Menschen betreiben. In Mombasa (Kenia) kämpfte die heute 41-jährige Phyllis Omido letztendlich erfolgreich für die Schließung einer Recyclingfabrik für Blei-Säure-Batterien. Doch sie muss sich bis heute vor ihren Verfolgern verstecken. 

2008 hatte sie einige Wochen als Angestellte in der Verwaltung der „Metal Refinery“ gearbeitet, glaubte, einen Traumjob ergattert zu haben. Ihren kleinen Sohn hatte die alleinerziehende Mutter mit zur Arbeit genommen. Als er lebensgefährlich an einer hochgradigen Bleivergiftung erkrankt und nur knapp überlebt, wird sie auf den schlechten Gesundheitszustand der Bewohner des angrenzenden Armenviertels aufmerksam. Seitdem kennt sie nur noch das eine Ziel: In Kenia und ganz Ostafrika will sie die Menschen bei ihrem Eintreten für eine bessere Umwelt auf ihre Seite bringen. In dem Buch „Mit der Wut einer Mutter. Die Geschichte der afrikanischen Erin Brockovich“ erzählt die Journalistin Andrea C. Hoffmann auf romanhafte Weise die aufrüttelnde Biografie der Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin Phyllis Omido. 

Umweltverbrechen auf der Spur

Anfangs weiß Phyllis überhaupt nicht, dass die Arbeiter in der „Metal Refinery“ alte Blei-Säure-Batterien einschmelzen, um das Blei herauszulösen. Die Batterien stammen großenteils aus Europa, die Fabrikbesitzer sind zwei Inder. In der Frühschicht wird das recycelte Blei neu verpackt und in Containern nach Indien verschifft. Dort boomt der Markt für Neuwagen, die mit neuen Batterien ausgestattet werden müssen. 

Auch in der Wachstumsbranche Photovoltaik gibt es großen Bedarf an Batterien. Ein Mitarbeiter erklärt Omido, dass der widerliche Gestank auf dem Fabrikgelände von der Säure der Altbatterien herrührt, die in offenen Containern auf dem Hof lagern. Aus der Anlage sickert kontaminiertes Wasser und verseucht das Trinkwasser der Slumbewohner. Viele von ihnen arbeiten in der Recyclingfabrik. 

Phyllis beharrt vergeblich darauf, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Umwelt- und Schutzvorrichtungen einzuhalten seien. Sie kündigt ihren Job und startet mit Unterstützung vor allem der Frauen unter den Dorfbewohnern eine Kampagne mit Demonstrationen und Sitzblockaden. Es wird ein jahrelanger Kampf gegen viele mächtige Verbündete. Diese bleiben erfolglos bei ihren Versuchen, sie durch Überfälle, Drohungen und Entführungen einzuschüchtern. Mehrfach wird sie verhaftet und eingesperrt. Auch ihre Verwandten und Mitstreiterinnen geraten in Gefahr.  

Hunderte waren gestorben 

2014 wurde die Recyclinganlage endgültig geschlossen. Mehrere Hundert Anwohner und Fabrikarbeiter waren unterdessen an den Folgen einer Bleivergiftung gestorben. Zu dem Mann, der am Schmelzkessel arbeitete, soll einer der Fabrikbesitzer gesagt haben: „Du wirst sterben und es wird niemanden interessieren. Deswegen sind wir hier in Afrika.“ Phyllis gründete die Organisation „Center for Justice, Governance und Environmetal Action“, suchte Unterstützung bei internationalen Menschenrechtsorganisationen. Sie wurde international bekannt und erwirkte ein Gesetz, das die Bleiausfuhr aus Kenia verbietet. 2015 wurde ihr der mit 150 000 US-Dollar dotierte Goldman Environmental Prize zugesprochen. Mit dem Preisgeld reichte sie im Namen der Opfer eine Sammelklage gegen die kenianische Regierung ein, um sie zur Entschädigung der unheilbar kranken Menschen zu zwingen. Kürzlich wurden in Kenia 17 weitere Fabriken mit ähnlichen Produktionsbedingungen geschlossen. Phyllis Omido lebt mit ihren beiden Kindern an einem geheimen Ort in Kenia. Sie schützt sich durch Wachhunde, die im Gegensatz zu menschlichen Wächtern nicht bestechlich sind.

Phyllis Omido: „Mit der Wut einer Mutter. Die Geschichte der afrikanischen Erin Brockovich“, Europa Verlag, München 2019, gebunden, 204 Seiten, 18 Euro